Kurz: Politische und andere Algorithmen

Ich habe mal ein biss­chen Infor­ma­tik stu­diert. Neben­fach. Eine Grund­la­ge der Infor­ma­tik ist das Kon­zept des Algo­rith­mus: es gibt eine Ein­ga­be, es gibt Regeln, nach denen die­se Ein­ga­be ver­ar­bei­tet wird, und es gibt eine Aus­ga­be. So wie bei einem Koch­re­zept: Eier und Mehl, Zucker und Salz, … rein, Kuchen raus, und dazwi­schen Regeln und Ver­fah­rens­schrit­te, die in einer bestimm­ten Rei­hen­fol­ge abge­ar­bei­tet wer­den. Wer jetzt mit der Maus auf den nächs­ten Tab im Brow­ser klickt und eine URL ein­gibt, weil das lang­weilt – setzt Algo­rith­men in Gang. 

Jetzt muss­te ich heu­te in einer Pres­se­mit­tei­lung einer mir gut bekann­ten Bun­des­tags­frak­ti­on lesen: 

„In fast jeder Online-Anwen­dung kom­men heu­te Algo­rith­men zum Ein­satz. Fast die Hälf­te der Befrag­ten in der EU gibt aller­dings an, kei­ne Kennt­nis über Algo­rith­men zu besit­zen. Es müs­sen jetzt nicht alle Com­pu­ter­ex­per­tin­nen und ‑exper­ten wer­den, aber jeder hat das Recht dar­auf, zu erfah­ren, ob in Pro­gram­men oder Pro­zes­sen Algo­rith­men im Spiel sind und Ent­schei­dun­gen beein­flus­sen. Ein Trans­pa­renz­kenn­zei­chen für Künst­li­che Intel­li­genz und Algo­rith­men kann des­we­gen ein sinn­vol­ler Ansatz sein.“ 

Das ist dann doch ein biss­chen pein­lich. Und ich ver­ste­he, war­um sich Biolog*innen über „gen­frei“ auf­re­gen. Mein Schluss: Es gibt so etwas wie einen tech­ni­schen Algo­rith­mus-Begriff (Ein­ga­be – Rechen­schrit­te – Aus­ga­be) und einen poli­ti­schen Algo­rith­mus-Begriff, der eigent­lich „Ein­satz von maschi­nel­lem Ler­nen auf gro­ßen Daten­men­gen zur Sor­tie­rung von Nutzer*innen“ oder sowas in der Art bedeu­tet. Das mit einem Kenn­zei­chen zu ver­se­hen, kann ja sogar sinn­voll sein. „Ach­tung, Algo­rith­mus!“ zeugt aller­dings davon, dass hier jemand nur wenig Kennt­nis besitzt. Schade.

Einer wagt es, uns im Netz zu verlassen

Pau­ken­schlag: Robert Habeck ver­ab­schie­det sich von Face­book und Twit­ter. Als Grund dafür nennt er zwei Din­ge – zum einen den mas­si­ven Daten­klau samt Ver­öf­fent­li­chung pri­va­ter Chat­ver­läu­fe vor ein paar Tage, er war einer von rund 50 der etwa 1000 betrof­fe­nen Politiker*innen, bei denen nicht „nur“ eine pri­va­te Mobil­funk­num­mer ver­öf­fent­licht wur­de, son­dern auch wei­te­re Daten. Zum ande­ren einen dum­men Ver­spre­cher in einem Wahl­vi­deo für Thü­rin­gen, der prompt hef­tigs­te böse Kom­men­ta­re aus­ge­löst hat. Schuld dar­an sei auch der auf Twit­ter gepfleg­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil, der Drang zur Ver­kür­zung, zur redu­zier­ten Aufmerksamkeit.

Robert hat aus die­sen bei­den Ereig­nis­sen für sich den Schluss gezo­gen, Face­book, Twit­ter (und wohl auch Insta­gram) zu ver­las­sen – zumin­dest im For­mat der direk­ten, per­sön­lich-pri­va­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ob es auch in Zukunft eine von der Par­tei gepfleg­te offi­zi­el­le Sei­te geben wird, bleibt abzu­war­ten. Twit­ter- und Face­book-Account sind inzwi­schen gelöscht.

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In eigener Sache: Wissenschaftspolitik im BasisPod

Jan und Pau­la fas­sen im Basis­Pod die wich­tigs­ten grü­nen The­men als Pod­cast zusam­men. In der aktu­el­len Aus­ga­be #13 bin ich (etwa ab Minu­ten 27) zuge­schal­tet, und beant­wor­te ein paar Fra­gen zur Rol­le der Wis­sen­schafts­po­li­tik im grü­nen Grundsatzprozess. 

(Die Tele­fon­schal­te lief über Zen­Castr, was mich erst­mal vor eini­ge tech­ni­sche Her­aus­for­de­run­gen stell­te – das Ergeb­nis klingt jetzt trotz Head­set und Ton­tech­nik­kunst doch ziem­lich nach gutem alten Ana­log­te­le­fon … authen­tisch, wür­de ich sagen)

Grüner Parteitag in Leipzig: Europa – darum kämpfen wir

Es fühlt sich gera­de ziem­lich gut an, Mit­glied von Bünd­nis 90/Die Grü­nen zu sein. Das hat was mit den 20 Pro­zent in den Umfra­gen zu tun, aber sehr viel mehr noch mit einer der Ursa­chen für die­se 20 Pro­zent – aktu­ell sind wir nahe dran an der pla­to­ni­schen Form einer grü­nen Par­tei. So muss das sein!

Gibt es den Aus­druck eines hei­te­ren Ernsts? Das ist in etwa die Hal­tung, mit der wir der­zeit der Welt begeg­nen, und das ist die rich­ti­ge Haltung. 

Wir leben in Zei­ten, in denen ziem­lich viel schief läuft. Man­ches davon ist lebens­be­dro­hend für die Zukunft der Mensch­heit. So kann es nicht wei­ter­ge­hen. Des­we­gen, und das ist glau­be ich der Kern des­sen, was Robert Habeck mit „radi­kal“ meint, braucht es Ant­wor­ten, die die­ser Situa­ti­on ange­mes­sen sind. Aber nur weil die Din­ge so sind, wie sie sind, wer­den wir nicht ver­bis­sen – ich schrieb irgend­wann mal etwas über grum­py old men -, wer­den auch nicht mora­lis­tisch und mora­lin­sauer, und erst recht ver­schlie­ßen wir nicht die Augen vor dem Zustand der Welt. Nein: wir schau­en hin, wir ent­wi­ckeln sehr kon­kre­te Ideen, wie die Welt bes­ser wer­den kann, und wir tre­ten dafür ein. Über­zeugt, aber nicht abge­ho­ben, hart in der Sache, aber fair und ver­bind­lich (oder, wie das Han­des­blatt schreibt, „mode­rat“) im Ton. Nach innen wie nach außen. (Und damit dann, um noch­mal Robert auf­zu­neh­men, auch bündnisfähig.)

„Grü­ner Par­tei­tag in Leip­zig: Euro­pa – dar­um kämp­fen wir“ weiterlesen

Kurz: Merz statt Merkel?

Die Fra­ge, wie ein mög­li­cher Kanz­ler­kan­di­dat Merz zu bewer­ten sei, führ­te auf mei­nem Face­book-Account zu einer regen Debat­te. Ins Auge ste­chen, auch nach der Pres­se­kon­fe­renz heu­te, vor allem zwei Aspek­te. Par­tei­po­li­tisch wür­de Merz die CDU kla­rer auf der kon­ser­va­ti­ven Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums posi­tio­nie­ren. Das könn­te dazu füh­ren, dass die CDU Wähler*innen von der AfD zurück­ge­winnt, es könn­te aber auch dazu füh­ren, dass Men­schen, die eine unter Mer­kel etwas libe­ra­ler und „mit­ti­ger“ gewor­de­ne CDU wähl­bar fan­den, sich dau­er­haft wie­der davon abkeh­ren. Das könn­te den in Bay­ern und Hes­sen zu beob­ach­ten­den Trend einer Wäh­ler­wan­de­rung von der CDU zu Bünd­nis 90/Die Grü­nen stär­ken. Auch im Sin­ne einer kla­ren Unter­scheid­bar­keit poli­ti­scher Ange­bo­te wäre eine Merz-CDU mög­li­cher­wei­se gar nicht so blöd. Ein Neben­ef­fekt könn­te dann der sein, dass Grün dau­er­haft zur zwei­ten Kraft in Deutsch­land wird.

Aber es gibt ja nicht nur eine par­tei­po­li­ti­sche Per­spek­ti­ve. Für das Land wäre ein mög­li­cher Kanz­ler Merz ein deut­li­cher Rück­schritt. Kaum jün­ger als Mer­kel, dafür deut­lich kon­ser­va­ti­ver und „schnit­ti­ger“, ein Mann, eng mit der „Groß­in­dus­trie“, wie das frü­her ein­mal hieß, ver­bun­den. Eher so 1998 als 2018. Und eine Koali­ti­on, womög­lich gar eine Jamai­ka-Koali­ti­on, mit einer rechts­kon­ser­va­ti­ven CDU und einer wirt­schaft­li­be­ra­len FDP – auch das ist schwie­ri­ger vor­stell­bar als in der aktu­el­len Konstellation.

Aber viel­leicht ist es ja die Syn­the­se bei­der Argu­men­te, die wei­ter­hilft: ein Kanz­ler­kan­di­dat Merz – mög­li­cher­wei­se wäre das die Pro­jek­ti­ons­flä­che, um in einer Bun­des­tags­wahl von der bür­ger­lich-libe­ra­len Mit­te bis nach links zu mobi­li­sie­ren und dann eine Mehr­heit jen­seits der CDU/CSU zu fin­den. Oder, wie es Bernd Ulrich von der ZEIT auf Twit­ter ges­tern auf den Punkt brachte: 

„Nur damit hin­ter­her nie­mand sagt, ich hät­te es vor­her sagen sol­len: Wenn #Merz Vor­sit­zen­der wird, wird #Habeck Kanz­ler. #Grü­ne “.

Letzt­lich muss die CDU ent­schei­den, wie sie nach Mer­kels vor­züg­lich in Sze­ne gesetz­tem Aus­stieg wei­ter­ma­chen möchte.