Kurz: Mandatsrechner

2013 mandate

Mit den Umfra­gen ist das ja so eine Sache. Alle Ver­zer­run­gen, Feh­ler und Pro­pa­gan­da­wün­sche abge­zo­gen, bleibt die Fra­ge, wie sich bun­des­wei­te Umfra­ge­wer­te in Man­da­te umset­zen wür­den. Die­se Fra­ge beant­wor­tet wie bereits 2009 auch die­ses Jahr – mit dem neu­en Wahl­recht – wie­der der Man­dats­rech­ner von Chris­ti­an Brug­ger – auf der Grund­la­ge belie­big aus­wähl­ba­rer Umfra­ge und mit unter­schied­li­chen, aus­wähl­ba­ren Daten­grund­la­gen zur Ver­tei­lung der Bun­des­er­geb­nis­se auf die Län­der. Für die grü­nen Lis­ten lässt sich sogar ein­blen­den, wer drin wäre. Und im Exper­tIn­nen-Modus lässt sich an jeder Zahl dre­hen, um zu sehen, wie die Aus­wir­kun­gen auf die Zusam­men­set­zun­gen des Bun­des­tags wären, was pas­siert, wenn FDP oder AfD oder Pira­ten knapp rein oder raus fal­len, oder wenn alle baden-würt­tem­ber­gi­schen Direkt­man­da­te an die CDU gehen soll­ten. Gute Sache! Und wir dre­hen das!

Photo of the week: Green leafs

Green leafs

 
Ich kann es nicht oft genug sagen: In Kür­ze wird gewählt, und die Wahl­ent­schei­dung bedeu­tet tat­säch­lich etwas. Übri­gens nicht nur nächs­tes Wochen­en­de im Bund und in Hes­sen, son­dern auch mor­gen in Bay­ern. Men­schen aus Fran­ken, Ober- und Nie­der­bay­ern, die noch Fra­gen an uns Grü­ne haben, kön­nen die bei der Bay­ern-Aus­ga­be von Drei-Tage-Wach los­wer­den. Und wer sich im Bund noch unschlüs­sig ist, mag viel­leicht etwas dar­über lesen, was ande­re an Lügen und Gerüch­ten über Grün erzäh­len, und wie es wirk­lich ist, oder den grü­nen Steu­er­rech­ner aus­pro­bie­ren. Die Devi­se heißt: Vom Umfra­ge­herbst nicht ban­ge machen lassen!

Beschwert euch nicht, wählt!

Lulea Gammelstad: The Church IV (detail)

Ich fin­de Stein­brück nicht son­der­lich sym­pa­thisch. Aber dar­um geht es nicht. Die Umfra­ge­wer­te sehen nicht so toll aus. Aber auch dar­um geht es nicht. Unser Par­tei­en- und Koali­ti­ons­sys­tem führt dazu, dass die Wahl am 22.9. rea­lis­ti­scher­wei­se drei Ergeb­nis­se haben kann:

1. Mer­kel und ihre schwarz-gel­be Koali­ti­on wer­den bestä­tigt und neh­men das als Signal dafür, den bis­he­ri­gen Kurs ver­schärft fort­zu­set­zen. Klar, der Blick in die Zukunft bleibt ein biss­chen nebu­lös, weil Mer­kels Kurs nicht so klar ist. Die letz­ten vier Jah­re zei­gen jeden­falls, dass dazu Bonus­po­li­tik für Lob­by­grup­pen und Bes­ser­ver­die­nen­de gehört, dass es gesell­schafts­po­li­tisch immer wie­der Rück­schlä­ge gibt und die weni­gen Ver­bes­se­run­gen oft vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt erstrit­ten wer­den muss­ten, und dass Umwelt oder Kli­ma für Mer­kel kei­ne The­men sind, und ent­spre­chend Murks betrie­ben wird.

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Kurz: Achterbahnfahrt

Was mir ja ein wenig Sor­gen macht, auch wenn mir ein hal­bes Dut­zend mehr oder weni­ger gute Grün­de dafür ein­fal­len, ist die unten­ste­hen­de Kur­ve. Und die 10%, die die For­schungs­grup­pe Wah­len heu­te hat­te, sind dort gar nicht ein­ge­preist. Da bleibt nur: Jetzt erst recht ran an die Leute!

Prognosen Grüne vor der BTW

Daten­quel­le: wahlrecht.de

P.S.: Die­ses Inter­view mit ZDFWDR-Chef­re­dak­teur Jörg Schö­nen­born über die Unsi­cher­heit von Umfra­gen kurz vor Wah­len passt ganz gut als Gegen­gift zu mei­ner Kur­ve oben.

Welche Wirklichkeit hätten’s denn gerne?

Soap bubble

Einen Sozi­al­kon­struk­ti­vis­ten soll­te das eigent­lich nicht über­ra­schen. Wir leben nicht nur in Fil­ter­bla­sen, son­dern tat­säch­lich in so etwas wie aus­ein­an­der­drif­ten­den Wel­ten. Die Syn­chro­ni­sa­ti­ons­funk­ti­on der Mas­sen­me­di­en stot­tert, und wenn es dann doch ein­mal gemein­sa­me media­le Groß­ereig­nis­se gibt – wie etwa das „TV-Duell“ zwi­schen Mer­kel und Stein­brück, das wohl mehr als 17 Mio. Men­schen gese­hen haben -, dann wird die Unter­schied­lich­keit der Lebens­wel­ten, Wer­te, vor­herr­schen­den Deu­tun­gen und Wis­sens­be­stän­de umso sichtbarer. 

Dass zwei Mei­nungs­um­fra­gen direkt nach dem Duell dia­me­tra­le Ergeb­nis­se her­vor­brin­gen, mag etwas mit metho­di­schen Arte­fak­ten zu tun haben – also viel­leicht damit, was genau gefragt wur­de [Nach­trag, 5.9.: so ist es] – aber mög­li­cher­wei­se ist auch das nicht viel mehr als ein Aus­druck davon, wie unter­schied­lich die ver­schie­de­nen Wahr­neh­mun­gen – und damit die ver­schie­de­nen Wirk­lich­kei­ten – sind. 

Da hilft dann auch das Kret­sch­mann­wort von den har­ten Fak­ten nichts – selbst die las­sen sich völ­lig unter­schied­lich inter­pre­tie­ren. Das wur­de nicht nur bei dem Dop­pel­in­ter­view von Stein­brück und Mer­kel deut­lich, son­dern auch in der heu­ti­gen Run­de zwi­schen Gysi, Brü­der­le und Trit­tin. Wir leben gleich­zei­tig in einem Land, in dem es allen wun­der­bar geht, und das super dasteht, und in einem Land, in dem es mas­si­ve Armut und eine aus­ein­an­der­ge­hen­de Wohl­stands­sche­re gibt. Wir leben in einem Land, in dem die Solar­ener­gie die Strom­prei­se ver­teu­ert hat, und in einem Land, in dem die Bevor­zu­gung der ener­gie­in­ten­si­ven Unter­neh­men – und deren Her­aus­nah­me aus der Umla­ge – die Strom­prei­se ver­teu­ert hat. (Ja, wir leben in einem Land, in dem Indus­trie­strom­prei­se sin­ken und Ver­brau­cher­strom­prei­se stei­gen). Wir leben in einem Land, in dem Über­wa­chung das zen­tra­le Pro­blem ist, und wir leben gleich­zei­tig in einem Land, in dem sich nie­mand dafür interessiert.

Übli­cher­wei­se lässt es sich mit die­sen unter­schied­li­chen Wirk­lich­kei­ten recht gut leben. Die „Ande­ren“ kön­nen, wenn sich Wege kreu­zen, selt­sam ange­schaut wer­den, aber meist blei­ben wir ja doch unter uns. Ganz egal, in wel­cher Bla­se, oder wel­cher Schnitt­men­ge, wel­cher Ver­schach­te­lung von Bla­sen. Ein klein wenig Stö­rung mag attrak­tiv erschei­nen, Per­tur­ba­ti­on erhöht die Krea­ti­vi­tät – aber im Gro­ßen und Gan­zen bestä­ti­gen wir uns das, was wir schon wis­sen, und bestä­ti­gen uns dar­in, dass das, was wir wis­sen, rich­tig ist – und das es völ­lig selbst­ver­ständ­lich falsch ist, das anders zu sehen. 

Nur in Zei­ten des Wahl­kampfs sto­ßen unter­schied­li­che Inter­pre­ta­tio­nen der Welt so deut­lich und so schmerz­haft auf­ein­an­der, wie das sonst nie der Fall ist. Nur in sol­chen Zei­ten wird uns so rich­tig bewusst, dass wir aus Sicht der „Ande­ren“ die­je­ni­gen sind, die selt­sa­men Irr­glau­ben nach­hän­gen und auch noch mei­nen, ver­nünf­tig zu sein. Ratio­na­li­tät ist was fei­nes – solan­ge sie mit der eige­nen Logik übereinstimmt.

Und ja, gemein­sam geteil­te Vor­an­nah­men machen das Leben leich­ter. Ohne wäre es kaum mög­lich, sich über­haupt zu ver­stän­di­gen. Umso schwie­ri­ger wird es, wenn eine Ver­stän­di­gung durch Sei­fen­bla­sen­wän­de hin­durch erfol­gen muss. Nicht von den glit­zern­den Far­ben ablen­ken las­sen, und auch nicht davon, dass alles ver­zerrt ist! 

War­um blog­ge ich das? Als Meta­kom­men­tar zu den TV-Duel­len und aus einer gewis­sen Wahl­kampf­ver­zweif­lung – mit Blick auch auf Umfra­ge­wer­te – her­aus. Und aus einer nai­ven, roman­ti­schen Hoff­nung, dass es doch so etwas wie eine gemein­sa­me Basis geben müss­te, die über­haupt als Grund­la­ge von Poli­tik die­nen könnte.