Meta Social Software: Ning

Was kommt nach Social Soft­ware? Meta Social Soft­ware – und ning scheint die ers­te Platt­form zu sein, die den Schritt dort­hin wagt. Das Grund­prin­zip von Social Soft­ware wie Wiki­pe­dia, del.ico.us, Flickr, diver­sen Kar­rie­re­bör­sen und jeder Men­ge Blogs lie­ße sich viel­leicht als anony­me, asyn­chro­ne Kol­la­bo­ra­ti­on beschrei­ben: Leu­te, die sich nicht ken­nen und viel­leicht nie sehen wer­den, arbei­ten zeit­ver­setzt an gemein­sa­men Pro­jek­ten. Die tech­ni­sche Basis dazu sind WWW-Appli­ka­tio­nen, also Soft­ware, die im Brow­ser läuft, in den meis­ten Fäl­len irgend­wel­che Daten­ban­ken, die die von ein­zel­nen Nut­ze­rin­nen und Nut­zern bereit­ge­stell­ten Daten bereit­hal­ten, abruf­bar und teil­wei­se ver­än­der­bar machen. Dass Social Soft­ware so erfolg­reich ist, liegt nicht nur dar­in, dass damit Din­ge mög­lich sind, die auf einer real­räum­li­chen Basis viel zu auf­wen­dig wären, son­dern vor allem auch dar­in, dass zusam­men­ar­bei­ten­de Men­schen nicht umhin kön­nen, Gemein­schaft­lich­keit und Grup­pen­haf­tig­keit zu pro­du­zie­ren – die­ses zwei­te Ele­ment kommt je nach Anwen­dung mehr oder weni­ger zum Tra­gen, ist aber oft der „Treib­stoff“, der das eigent­li­che Pro­jekt über­haupt am lau­fen hält. Gut beob­ach­ten lässt sich das bei Wiki­pe­dia und Flickr. 

Und Ning? Die aktu­ell im Beta-Test ste­hen­de Platt­form, ins Leben geru­fen unter ande­rem von Marc And­re­es­sen, geht einen Schritt wei­ter: sie stellt kei­ne Ein­zel­an­wen­dung zur Ver­fü­gung, son­dern ist eine Social Soft­ware zur Ent­wick­lung und gemein­sa­men Nut­zung von Social Soft­ware unter PHP. Die läuft auf Ser­vern von Ning, kann wie ganz nor­ma­le Social Soft­ware ver­wen­det wer­den, kann aber auch geclont und an eige­ne Bedürf­nis­se ange­passt wer­den. Außer­dem besteht für ein­zel­ne Anwen­dun­gen die Mög­lich­keit, Daten öffent­lich frei­zu­ge­ben und allen ande­ren Anwen­dun­gen das Recht ein­zu­räu­men, auf die­se Daten zuzu­grei­fen – also zum Bei­spiel tags über Anwen­dun­gen hin­weg zu ver­wen­den oder Mate­ri­al aus ver­schie­de­nen Anwen­dun­gen zu mischen, also bei­spiels­wei­se pas­send ge-tag-te Pho­tos aus der einen Anwen­dung auto­ma­tisch den Book­marks oder Lexi­kon­ein­trä­gen oder … aus der ande­ren Anwen­dung hin­zu­ge­sel­len. (Span­nend die Lis­te an denk­ba­ren Anwen­dun­gen)

Klingt gut, soll­te auf jeden Fall im Auge behal­ten wer­den (vor allem, weil durch­aus in Rich­tung Open Con­tent gedacht wird), hat aber auch einen gra­vie­ren­den Nach­teil: wie fast alle web-basier­ten Social-Soft­ware-Anwen­dun­gen ist Ning zen­tra­li­siert. Wenn jetzt alle Social Soft­ware auf Nings Rech­ner­sys­tem läuft, dann steht alles still, wenn dort mal der Strom aus­fällt: neue Abhän­gig­kei­ten statt der dezen­tra­len Fle­xi­bi­li­tät des Netzes.

Condition Venus?

Im Spie­gel-Online heu­te fin­det sich eine klei­ne Mel­dung, dass ver­mut­lich noch in die­sem Jahr­hun­dert der glo­ba­le Erwär­mungs­pro­zess eine kri­ti­sche Schwel­le über­schrei­ten und dann beschleu­nigt statt­fin­den wird [Spie­gel Online]. Das Sci­ence-Fic­tion-Buch dazu gibt es schon län­ger: Nor­man Spin­rads Green­house Sum­mer. Mei­ne Bespre­chung dazu:

Spin­rad, Nor­man (2000): Green­house Sum­mer. New York: Tor. 

Nach diver­sen nicht so tol­len Sachen end­lich mal wie­der ein gelun­ge­nes Buch von Spin­rad – ich hab’s mir auf­grund des Pro­be­ka­pi­tels auf sei­ner Home­page gekauft. Kurz die Geschich­te: Moni­que Cal­houn ist Citi­zen-Share­hol­der des nach­ka­pi­ta­lis­ti­schen Syn­di­kats Bread & Cir­cu­ses (Public Rela­ti­ons etc.) und bekommt den Auf­trag, die ViP-Betreu­ung der aktu­el­len UN-Kli­ma­kon­fe­renz in Paris zu über­neh­men. Dort ange­kom­men, erfährt sie, dass ihr Auf­trag etwas wei­ter reicht – und dass Bread & Cir­cu­ses und die UN nicht ihre ein­zi­gen Auf­trag­ge­ber sind. 

Der Treib­haus­ef­fekt und sei­ne Effek­te in der nicht all­zu fer­nen Zukunft bil­det nicht nur das hin­rei­ßend geschil­der­te Hin­ter­grund­sze­na­rio, vor­dem der Roman spielt, son­dern auch einen Haupt­strang des Buchs: Ist Con­di­ti­on Venus – also der expo­nen­tia­le, nicht mehr umkehr­ba­re Tem­pe­ra­tur­aus­stieg, der alles Leben aus­lö­schen wird, unaus­weich­bar? Auch dar­auf muss Moni­que Cal­houn eine Ant­wort fin­den. Sie selbst ist dabei hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen Blau und Grün, zwi­schen den Ver­lie­rern – den unter­ge­gan­ge­nen oder völ­lig aus­ge­dürr­ten Lands of the Lost im Süden – und den Gewin­nern – das gol­de­ne Sibi­ri­en, Paris, das mehr und mehr dem eben­falls unter­ge­gan­ge­ne New Orleans ähnelt, … 

Die von Spin­rad geschil­der­te Zukunft baut kon­se­quent auf der Prä­mis­se auf, dass Kapi­ta­lis­mus (eben­so wie der Natio­nal­staat) hier ein zwar noch ein­fluß­rei­ches, aber ver­al­te­tes Relikt ist – und dass statt des­sen Syn­di­ka­te mit citi­zen-share­hol­ders das Geschick bestim­men. »Never be a citi­zen of any­thing in which you would want not to hold shares.« (120). Von kapi­ta­lis­ti­schen Groß­kon­zer­nen unter­schei­den die­se sich ins­be­son­de­re dadurch, dass sie eine Moral ken­nen. Aber neben den Syn­dics – B&C, aber auch die »Bad Boys« und ein syn­di­ka­lis­ti­scher Mos­sad-Nach­fol­ger – spie­len die alten kapi­ta­lis­ti­schen unmo­ra­li­schen Kon­zer­ne wei­ter­hin eine wich­ti­ge Rol­le – vor allem die Kli­ma­tech­nik-Fir­men, die mit Orbi­tal­spie­geln und Wol­ken­ge­ne­ra­to­ren, gen­tech­nisch ver­än­der­ten Pflan­zen und ande­rem ihren Pro­fit aus der Kli­ma­ka­ta­stro­phe zie­hen (»The Big Blue machi­ne is … a machi­ne. A mecha­nism for gene­ra­ting pro­fit with no human respon­si­bli­ty in the cir­cuit, indi­vi­du­al or coll­ec­ti­ve.«, 235).

Und auch für die Freun­de von Cyborgs gibt es eine Über­ra­schung in die­sem Buch.

[orig. 1999]