Kleines Experiment: Was heißt Teilhabe im/am Internet politisch?
Ich weiss nicht, wie viel ich öffentlich schon dazu sagen kann, aber in meinem letzten Wurzelwerk-Beitrag ist es zwischen den Zeilen vielleicht schon deutlich geworden. Bei den baden-württembergischen Grünen gibt es eine Arbeitsgruppe Netzpolitik, die einen Antrag erarbeiten möchte, mit dem sich die baden-württembergischen Grünen netzpolitisch positionieren. Ich habe die ehrenvolle Aufgabe erhalten, mich um einen der vier Teilbereiche für diesen Antrag zu kümmern – wir haben den großen Komplex „Netzpolitik“ letztlich heruntergebrochen auf die Themen „Freiheit“, „Wirtschaft“, „Kultur“ und „Teilhabe“. Mein Thema ist die Teilhabe – und ich frage jetzt euch, was Teilhabe im bzw. am Internet so alles bedeutet.
Der eigentliche Antrag entsteht im Wurzelwerk, bzw. mit Hilfe der Wurzelwerk-Wiki-Funktionalität. Als kleines Experiment möchte ich für meinen Teil aber mal schauen, was passiert, wenn ich hier zum Mitschreiben und Mitdiskutieren aufrufe. Als Plattform dafür habe ich auf ietherpad.com* ein Pad eingerichtet. Jede/r kann da – ganz anonym, gerne auch mit Namensnennung – mitschreiben. Wenn was Gutes bei rauskommt, wandert das ins Wurzelwerk. Also keine Garantie, dass irgendwas letztlich in den Antrag übernommen wird – aber die Möglichkeit, mal mit zu überlegen, wie das Thema Teilhabe in Bezug auf das Internet durch eine Landespartei am besten angegangen werden kann. Und ich zumindest finde, dass sowas auf Etherpad richtig Spaß machen kann. Alles weitere überlasse ich erstmal der Selbstorganisation.
Warum blogge ich das? In der Hoffnung, dass ein paar Leute Lust haben, mitzuschreiben. Und um mal zu schauen, was passiert. Vielleicht noch als Disclaimer: wer am Pad mitschreibt, willigt ein, dass alle Änderungen von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg ohne Namensnennung weiterverwendet werden dürfen (aber nicht müssen ;-) …). Der Zugang zum Pad ist ohne Registrierung möglich. Mein Ziel für den letztlich entstehenden Antrag wäre, diesen unter eine liberale CC-Lizenz zu stellen, das haben wir aber noch nicht besprochen.
* ietherpad.com ist ein Klon von etherpad.com, die von Google aufgekauft wurden, ihr Produkt aber als open source freigegeben haben.
Kurz: Badische Zeitung und die Realname-Debatte
Die Badische Zeitung ändert ihre Netiquette und veröffentlicht in Zukunft nur noch Kommentare unter Realname. Unter den Pseudonym-StammkommentatorInnen gibt das grade einen Aufschrei, der allerdings in seinen lautstarken Rufen nach spurloser Account-Löschung usw. eher einem Eselsgeschrei ähnelt (siehe die Kommentare zum Link oben). Ich finde die Maßnahme erstens richtig (auch wenn sie natürlich weiterhin umgangen werden kann – auch die Badische Zeitung kann nicht kontrollieren, ob jemand, der dort einen Account eröffnet wirklich ganz echt seinen oder ihren richtigen Namen angegeben hat) und bin zweitens gespannt, ob sie zur erhofften Hebung des Niveaus beiträgt. Andere – z.B. die Freiburger Piraten sehen dagegen schon die freie Meinungsäußerung und so weiter in Gefahr.
Warum finde ich die Maßnahme richtig? Ganz einfach: die Debatten über Artikel in der hiesigen Tageszeitung, die für bestimmte Bereiche – Lokalpolitik z.B. – fast eine Monopolstellung einnimmt, sind wichtig. Sie könnten eine politische Funktion einnehmen, im Sinne einer Reflektion der öffentlichen Meinungsbildung. Artikel werden korrigiert, indem auf Fehler hingewiesen wird. Kontroverse politische Kommentare werden durch andere Einschätzungen ergänzt.
All das funktioniert m.E. aber besser, wenn die Akteure mit offenem Visier antreten. Wer unter Pseudonym kommentiert, kann das ganze auch als Spiel nehmen, kann Extrempositionen raushängen lassen – bis hin zum Guerilla-Marketing im Sinne eines bewussten Verdrehens von Tatsachen. Mir ist die lokale öffentliche Meinung, die sich am örtlichen Monopolblatt entzündet und reibt, dort jedenfalls einen Fokus findet, zu wichtig, als dass sie so einem Spiel überlassen wird. Ich glaube, dass ein politischer Dialog an Ernsthaftigkeit gewinnt, wenn Meinungen tatsächlichen Personen zurechnenbar sind. Eine Realnamepflicht kann hier ein Gewinn sein (es gibt andere Bereiche des Netzes – z.B. Selbsthilfeforen -, wo das anders aussieht). Und auch das Argument, dass ja eigentlich eben dessen Kraft zählen sollte, und nicht die Person, halte ich nicht für stichhaltig – erst in der Zuordnung von Argumenten zu Personen mit ihren vielfältigen Verflechtungen und Interessen gewinnen diese in einer politischen Auseinandersetzung (und die sehe ich hier eben) an Kraft.
Darum: ein spannendes Experiment, von dem die BZ sich auch durch das jetzige Großgeschrei nicht abschrecken lassen sollte.
Photo of the week: Little red house II
Das schöne Wort VIII
Heute bei Twitter gefunden:
FOLGEVOLK – Sammelbezeichnung für die Personen, die einem folgen