Buch da!
Nach den Waldbesitzerinnen und den „zwei Herzen der Forstwirtschaft“ kann ich stolz (und ein wenig erleichtert* …) die dritte** große Projektveröffentlichung in diesem Jahr ankündigen – seit gestern ist der Abschied vom grünen Rock gedruckt und erhältlich.
Der Sammelband informiert über die Ergebnisse aus dem Projektverbund „wa’gen“ (Waldwissen und Naturerfahrungen auf dem Prüfstand Gender-Analyse in der Waldinformations‑, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sowie Entwicklung von Gestaltungsansätzen, 2005–2008), einer Kooperation zwischen dem Institut für Umweltstrategien, Umweltplanung (Lüneburg) und dem Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft (Freiburg).
Über die Inhalte informiert der Klappentext am besten, deswegen zitiere ich den jetzt einfach, statt nochmal neu was zu formulieren:
Forstverwaltungen und ihre waldbezogene Bildungsarbeit befinden sich in Deutschland derzeit in einem Reformprozess. Unter den Vorzeichen betriebswirtschaftlicher Optimierung und der Öffnung gegenüber neuen Zielgruppen stehen alte Traditionen zur Debatte. Ist mit dem Abschied vom „grünen Rock“ der forstlichen Uniform ein Aufbruch verbunden? Der Forschungsverbund wa’gen (Waldwissen & Gender) hat im Rahmen des BMBF-Programms „Nachhaltige Waldwirtschaft“ danach gefragt, wie Natur- und Geschlechterbilder im „Waldwissen“ zusammenkommen, welche Herausforderungen und Chancen für die waldbezogene Umweltbildung damit verbunden sind, und wie Waldwissen, Organisationsreformen und die traditionelle Organisationskultur der „Männerdomäne Forstverwaltung“ ineinander greifen.
Aus der allen AutorInnen gemeinsamen Geschlechterperspektive heraus werden anhand von Fallbeispielen Themen wie das Naturverständnis, die „unsichere“ Professionalisierung der Umweltbildung, die historischen Mechanismen des Frauenausschlusses aus dem Forstdienst und die laufenden Reorganisationsprozesse beleuchtet. Damit versteht sich Abschied vom grünen Rock als Beitrag zur Suche der Forstorganisationen nach zukunftsfähigen Antworten auf die gegenwärtigen Umbrüche.
Wer sich für die Zukunft der Forstverwaltungen aus einer der beschriebenen zwei Perspektiven – Geschlechterverhältnisse in Forstorganisationen bzw. in der waldbezogenen Umweltbildung – interessiert, wird dem Band auf jeden Fall was abgewinnen können. Einiges dürfte aber auch darüber hinaus interessant sein.
Von mir sind (neben der Mitarbeit an der Einleitung) drei Texte, an denen ich beteiligt war – da geht es um das Ineinandergreifen von forstlichen Geschlechterverhältnissen und organisatorischem Wandel generell („Staatliche Forstverwaltungen im Wandel: Organisationsreform und Geschlecht“) bzw. am Fallbeispiel Rheinland-Pfalz („Fallbeispiel: Geschlechterverhältnisse in einer deutschen Forstverwaltung“, mit Sabine Blum) bzw. in einem Zwischenruf*** um die Zusammenhänge zwischen Geschlecht, Organisation und Profession (mit Marion Mayer).
Weitere Informationen beim Verlag (oekom), bestellbar u.a. bei amazon.
Bibliographische Angaben: Maria Hehn, Christine Katz, Marion Mayer, Till Westermayer (Hrsg.): Abschied vom grünen Rock. Forstverwaltungen, waldbezogene Umweltbildung und Geschlechterverhältnisse im Wandel. München: oekom. 230 Seiten, 34,90 Euro. ISBN 978–3‑86581–131‑8.
* Erleichtert vor allem deswegen, weil mit dem Abschlussband ein letzter großer Brocken anderer Aktivitäten aus dem Weg zu meiner Diss. geräumt ist …
** Es gibt auch noch ein Buchmanuskript zu einem Projekt, das von 2002 bis 2005 gelaufen ist, und an dem ich beteiligt war … mal schauen, ob und wann das dann tatsächlich seinen Weg in die Öffentlichkeit findet.
*** Zwischenruf: eine aus meiner Sicht innovative Form, die wir zweimal in das Buch gepackt haben – jeweils zwei AutorInnen unterhalten sich darin über ihre Buchtexte und arbeiten Querbezüge heraus.
Gut Ding will Weile haben: zur Zivildienstdebatte
Angesichts der aktuellen Debatte um Wehrpflicht, Zivildienst und (freiwillige) soziale Dienste ist mir eingefallen, dass ich mich ja vor einiger Zeit auch schon mal politisch damit auseinandergesetzt hatte. Und zwar in Form eines gemeinsam mit Alex Bonde – damals noch Grüne-Jugend-Vorstand und nicht MdB – in der Zeitschrift der Grün-Alternativen Jugend Baden-Württemberg (die ganz früher mal Bitter Lemon und – wohl erst ein paar Jahre später – dann Zitro hieß). Leider kann ich grade nicht recherchieren, wann und in welcher Form genau der Artikel erschienen ist – der Text mit der Forderung nach einem „freiwilligen Solidaritätsjahr“ ist jedenfalls vom Juli 1996, also ziemlich genau 14 Jahre alt. (Nebenbei: das Gedächtnis ist eine rätselhafte Sache – der Text ist von Alex und mir, bis gerade eben war ich aber fest überzeugt davon, dass wir das damals als Streitgespräch gemacht hatten – und nicht in (seltener) Einigkeit. War aber wohl so.)
Wer also lesen will, und schauen, ob die Argumente von 1996 heute noch stimmen, kann hier klicken.
„Gut Ding will Weile haben: zur Zivildienstdebatte“ weiterlesen
Photo of the week: Sonnwendfeuer XI
Wissenschaftsbloggen und die Interdisziplinarität
C.P. Snow hat 1959 die – rhetorisch zugespitze – These aufgestellt, dass es zwischen „science“ (mehr oder weniger Naturwissenschaft) und „humanities“ (Sozial‑, Kultur- und Geisteswissenschaften) einen tiefen Graben gäbe, dass es sich um zwei Kulturen handle. (Nebenbei bemerkt: Wolf Lepenis hat 1985 in einem Buch „Die drei Kulturen“ noch eine zweite Trennlinie gezogen, um die Sozialwissenschaft bzw. die Soziologie gesondert behandeln zu können – ich musste ganz am Anfang meines Studiums mal ein Essay dazu schreiben).
Wie dem auch sei: wenn ich die gestrige Debatte (Synopse der Tweets, rückwärts zu lesen) bei Twitter mit @fischblog, @jbenno, @weitergen und @werkstatt Revue passieren lasse, scheint der Graben zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Kulturen so lebendig zu sein wie eh und je. Ausgangspunkt für das ganze war ein (eher wissenschaftsphilosophischer) Blogbeitrag bei den Scienceblogs – stellvertretend für dort immer wieder hochkommende Fragen danach, welcher Maßstab denn an einen guten Wissenschaftsblog-Beitrag anzulegen sei, und wie dafür zu recherchieren ist.
In der Debatte auf Twitter gestern ging es dann munter hin und her – nicht nur der bereits erwähnte Snow kam zu Ehren, sondern auch Christian Huygens (einer der ersten Wissenschaftler), Adorno und Popper. Letztlich ging es aber doch vor allem darum, ob der Gültigkeitsanspruch von (Natur-)Wissenschaft in Frage gestellt werden darf, ob der der wissenschaftlichen Methode inhärente Skeptizismus sich auch auf die Genese, Praxis und Gültigkeit der wissenschaftlichen Methode erstrecken soll, ob es legitim ist, wenn unterschiedliche Wissenschaften unterschiedliche Gütemaßstäbe entwickeln, und ob denn der Status wissenschaftlichen Wissens durch den Vergleich mit anderen Wissensarten – in der sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsforschung gang und gäbe – relativiert werden dürfe, oder ob das dann doch eher in Richtung Häresie ginge.
Letztlich bleibt bei mir nicht unbedingt die Skepsis, ob gute sozial- und geisteswissenschaftliche Blogbeiträge möglich sind (da gibt es durchaus Beispiele), sondern erstens, ob solche Blogs in einer vornehmlich naturwissenschaftlich geprägten Community wie den scienceblogs gut aufgehoben sind, oder ob es da nicht einfach anderer Öffentlichkeiten bedarf (ein Beispiel dafür sind die Society Pages der University of Minnesota, die verschiedene soziologische Blogs hosten).
Zweitens geht es dabei aber auch um die größere Frage danach, welche Anstrengungen zu unternehmen sind, um Interdisziplinarität tatsächlich zu ermöglichen. Und ob das überhaupt geht. Meine Erfahrung hier, aber auch aus diversen Forschungsprojekten ist jedenfalls, dass Interdisziplinarität nicht „von selbst“ entsteht, sondern dass dahinter harte Arbeit liegt, dass es um einen aktiven Verständigungsprozess geht, nicht zuletzt darum, boundary objects zu definieren, an deren Gemeinsamkeiten unterschiedliche Wissenschaftspraktiken kristallisieren können. Für mich steht das unter dem Begriff „Interdisziplinaritätsmanagement“. Das heißt auch: Eigentlich bräuchten größere inter- (oder gar trans-)disziplinäre Projekte hier eine richtige Begleitforschung und „ÜbersetzungsaktivistInnen“ – fände ich eine interessante Sache.
Warum blogge ich das? Um doch irgendwas aus der ziemlich hart geführten Debatte herauszuziehen, zusammenzubringen, zu intergrieren und aufzuschreiben. Und weil ich mir manchmal gar nicht so sicher bin, ob ich eigentlich „science blogging“ betreibe oder nicht.
Nachtrag: Weil das mit den Trackbacks nur begrenzt klappt, hier noch von Hand der Link zum inzwischen im Netz stehenden, aus der Debatte entstandenen Text von Jörg Blumtritt mit dem schönen Titel „Metaphysik, Spekulation und die „Dritte Kultur“, wobei er mit letzterem nicht wie Lepenis die Soziologie meint, sondern auf die im Netz entstehende wissenschaftlichkeitsnahe Öffentlichkeit setzt, die nach Übersetzungsarbeit, Erläuterung und Begründung verlangt. Zuviel des Optimismus?