Die Grünen haben ein neues Logo, und es ist nicht wirklich spannend – keine Schrift mit Gewöhnungsbedürftigkeit, keine Experimente. Dafür fällt das Urteil der Profis auch entsprechend aus: Wortfeld findet die Futura auch anderswo in Parteilogos (und ich würde hinzufügen: fett & kursiv sieht auch bei CDU/CSU und diversen Rechtsrandparteien dynamisch aus), auch Fontblog geht u.a. darauf ein und das Designtagebuch betont die Nähe zum Vorgänger und sieht darin „vielleicht nicht die bestmögliche aller denkbarer Versionen eines Grünen-Logos aber […] einen breiten Konsens.“ Mir persönlich ist er zu breit, ein bißchen mehr Profil hätte gerne sein können. BTW: der KV Pankow hatte noch eine vierte Variante (pdf) eingereicht, die tatsächlich nur eine handwerklich saubere Überarbeitung des bisherigen Logos darstellt, also das Bewährte noch ein Stück weit stärker hätte bewahren können – die wurde zwar auf Druck der Delegierten zum Verfahren zugelassen, dann aber eher stiefmütterlich behandelt (und z.B. so präsentiert, als sei hier die Invertierung – weisse Schrift auf grünem Grund – nicht möglich). Schade, wäre neben Variante 2 mein Favorit gewesen.
Vor dem 27. Parteitag
Nächste Woche findet die Bundesdelegiertenkonferenz, sprich, der Bundesparteitag, von Bündnis 90/Die Grünen in Nürnberg statt. So die Bahn bis dahin wieder fährt, bin ich einer der etwa 800 Delegierten, die dort über einige wichtige Themen entscheiden werden. Auf der Tagesordnung steht nicht nur die grüne Marktwirtschaft, sondern auch die Frage „Zukunft der sozialen Sicherung“ (samt bisher etwas schwachbrüstiger Online-Debatte) und das immer wieder gerne diskutierte Thema Neues Logo.
Die Zukunft des Sozialen wird sich letztlich um die Frage Grundsicherung oder Grundeinkommen drehen. Dazu liegen inzwischen etwa fünf leitantragsfähige Anträge und haufenweise Änderungsanträge (Kategorie „Z“) vor. Der Antragsschluss für Änderungsanträge ist übrigens Sonntag; auch ich suche noch nach drei UnterstützerInnen für einen Antrag zur Abmilderung von Z‑01 (bzgl. der Brückenexistenz-Sicherung). Eine Synopse der zentralen Anträge hat Dirk Werhahn zusammengestellt. Kurz gesagt gibt es den (teilweise recht wolkigen) Grundsicherungsantrag des Bundesvorstandes (Z‑01), den Beschluss der LDK Baden-Württemberg zum Sockelgrundeinkommen, über den ich hier ja schon ausführlich geschrieben habe (Z‑02). Dann gibt es noch ein paar ähnliche Anträge u.a. aus Rheinland-Pfalz, und den Antrag Z‑08, der sich – wiederum wolkiger, aber dafür etwas radikaler – für ein weitergehendes Grundeinkommen ausspricht.
Die Einschätzungen, welcher Antrag mehrheitsfähig ist, gehen weit auseinander – von „der Buvo darf nicht schon wieder blamiert werden, deswegen wird Z‑01 gewinnen, egal was drinsteht“ bis zu „viele Landesverbände haben sehr knapp für bzw. gegen ein Grundeinkommen gestimmt; es wird auch diesmal sehr knapp werden und bei guter Argumentation und guter Bündnisarbeit zu gewinnen sein“ (und das Gerücht, das es Anträge geben wird, die tatsächliche Abstimmung zu vertagen, weil gerade da und dort Landtagswahlen stattfinden, habe ich auch schon gehört). Ich persönlich fände es sehr schön, wenn der Bundesparteitag sich dem baden-württembergischen Votum anschließen würde, und ein zukunftsweisendes, ausgearbeitetes Konzept für ein Grundeinkommen unterstützt, das durchaus finanzier- und umsetzbar ist. Freitag voram Abend der BDK (21 Uhr) wird es noch ein Treffen des grün-internen Netzwerks Grundeinkommen geben – vielleicht ergibt sich dort ja auch noch eine Verdichtung der Antragslage. Ich würde das begrüßen.
Zu Z‑01 ist – ähnlich wie beim entsprechenden in Baden-Württemberg gescheiterten Grundsicherungsantrag – vor allem zu sagen, dass eine schöne Rhetorik mit einigen positiven Forderungen und viel Weiter-so und einer ganz anders laufenden Praxis zusammenkommt. In der jetzigen Form kann ich diesen Antrag nicht unterstützen; wenn er zu einem echten Kompromiss erweitert wird, der Türen für das Grundeinkommen aufmacht, statt es pauschal zu verdammen, müsste ich mir das nochmal überlegen.
Während meine Aufmerksamkeit derzeit also vor allem auf der Grundeinkommens-Grundsicherungs-Debatte liegt, ist natürlich auch die Logo-Entscheidung nicht unspannend. Ich denke, ich werde für ein neues Logo, und zwar für den Entwurf 2 stimmen:
Warum blogge ich das? Weil auf Parteitagen vieles schon entschieden ist, wo die wichtige Meinungsbildung im Vorfeld – also jetzt – abläuft. Und weil es auf dem Parteitag selbst wohl nur kostenpflichtiges T‑Lan geben soll.
Logo, oder: die wichtigen Dinge des Lebens (Update 2)
Heute hat der Bundesvorstand die drei neuen Entwürfe für das Logo von Bündnis 90/Die Grünen öffentlich gemacht. Die Entwürfe sind allesamt sehr viel zurückhaltender als der letzte Versuch, aber sie scheinen sich mir gerade deswegen deutlich besser als neues Parteilogo zu eignen. Praktisch und pragmatisch.
Mein persönlicher Favorit ist Logo Nr. 2:
Ein Anwendungsbeispiel für Vorschlag 2. Quelle: Bündnis 90/Die Grünen
Beschlossen wird darüber allerdings – wenn die Landesverbände zustimmen – erst Mitte November auf dem Bundesparteitag, eingeführt werden soll das – falls es dann eines gibt – neue Logo erst Mitte 2008.
Warum blogge ich das? Kurzes Update zu diesem Beitrag.
Update: Rege, für die Verhältnisse dort eher positiv klingende Diskussion beim Fontblog.
Update 2: Inzwischen gibt’s auch bei Julia (für Variante 3), Maik (für Variante 3; ich empfinde das Blau für „Bündnis 90“ dort, anders als er, jedoch eher als Unsichtbarmachen) und Henning (unzufrieden) was dazu zu lesen. Meine Präferenz für Logo 2 scheinen nur wenige zu teilen – aber zumindest grün auf weiß sieht’s gut aus, und den blauen Balken finde ich auch gut, weil funktional. Das renommierte Designtagebuch berichtet inzwischen auch.
Bionade: Neue Geschmacksrichtung? (Update: „forte“ jetzt „aktiv“)
Bionade schmeckt besser als nachgemachte Konkurrenzprodukte und auch die Werbung und Gestaltung passt. Und bisher galt die eherne Regel: Bionade gibt’s in den Geschmacksrichtungen Kräuter, Holunder, Orange-Ingwer und Litchi – bis auf letzere mag ich die alle gerne, oft gibt’s auch nur Holunder. Vor ein paar Tagen im lokalen Alnatura dann was neues, quasi die Quadratur der Natürlichkeit: Bionade pur forte (s.o.), sprich: Malzlimo ohne Geschmackszusatz. Schmeckt – gar nicht so anders als z.B. die Kräutervariante, ein bißchen saurer, ziemlich erfrischend. Anders gesagt: zumindest die Kräuter-Bionade schmeckt eigentlich weniger nach Kräuter und mehr nach dem Grundprodukt. Und der Firmenwebsite lässt sich entnehmen, dass das „Forte“ auf einen doppelt so hohen Calcium- und Magnesiumgehalt hinweist. Aha.
Warum blogge ich das? Ich fand vor allem die Namensgebung amüsant. Und hoffe, dass Bionade sich nicht zu einem „jede Saison was neues“-Markenthema entwickelt. Und weil mein Edeka inzwischen schon wieder keine mehr hat – noch nicht mal mit Geschmack.
Update: (Mai 2008) Inzwischen ist die Variante „Bionade forte“ als „Bionade Aktiv“ im Handel zu finden. Schmeckt genauso wie oben, und hat auch weiterhin das erfrischend schlichte Verpackungsdesign aller Bionadeflaschen, nur ohne Farbe (konsequenterweise ist auch der Deckel nur blau-weiß und nicht blau-weiß-rot). Neu (bisher hier und bei „Holunder“ gesehen): zusätzlich zum „Künast-Siegel“ jetzt auch das EU-Bio-Siegel.
Nackte Aufmerksamkeitsökonomie
Nackte Menschen und ein Gletscher. Foto: Greenpeace/Wuertenberg
Die deutschen und internationalen Medien berichten über eine gemeinsame Aktion von Greenpeace Schweiz und dem für seine nackten Menschenmengen bekannten Fotografen Spencer Tunick: mehrere hundert nackte Menschen stehen, sitzen oder liegen an oder auf dem Aletsch-Gletscher in der Schweiz. Ziel des Spektakels: Aufmerksamkeit für den Klimawandel (und für den Künstler) zu generieren. Das ist gelungen.
Sind solche Aktionen sinnvoll? Florian Rötzer kritisiert es in der Telepolis:
Die Umweltorganisation braucht spektakuläre Acts, die teilweise die Akteure gefährden, um die Aufmerksamkeit auf ihre Themen und Spenden in ihre Kassen zu lenken, was auch Sinn der angeblichen künstlerischen Spektakel massenhafter Nacktheit ist (was im Gegensatz zu den Aktionen von Greenpeace allerdings auch den Eindruck erweckt, als würden sich die Menschen liebend gerne zur Schlachtbank bewegen, um sich für das „Größere“ zu opfern, die Assoziation von Auschwitz ist auch nicht fern, selbst wenn es sich um genährte Körper handelt).
Neben dem Auschwitz-Vergleich fällt ihm auf: „Aber sie sind Statisten, die für andere Zwecke verbraten werden.“ Und er kommt zum Schluss:
Das weltweite Publikum sieht die Konfrontation von Menschen, die sich gerne einmal zur Schau stellen und sich beweisen wollen, mit dem Gletscher, der ohne Zweifel schmilzt. Was zeigen uns die Fotos? Einen neuen Riefenstahl, die Willigkeit der Subjekte, Objekte zu werden, um daraus wieder indirekt zu profitieren, und den Wunsch der Umweltorganisation, mit allen Mitteln für die eigenen Zwecke und das Überleben der Erde, wie sie ist, zu werben.
Überzeugt uns das? Nein, es schreckt ab – vor der angeblichen Kunst und vor dem angeblich guten Willen. […]
Dass eine derartige Aktion Kritik provoziert und eine gewisse Sensationslust befriedigt, gehört zum Spektakel, gehört zur Aufmerksamkeitsökonomie. Insofern ist es Rötzer nicht vorzuwerfen, wenn er mit – meiner Meinung nach eher überzogener – Kritik reagiert (und damit auch ein Stück des Kuchens abbekommt). Ich sehe aber nicht, warum es notwendig sein sollte, sich dieser Meinung anzuschließen (und ob die harten Asssoziationsgeschütze so sinnvoll sind, möchte ich auch bezweifeln). Wenn das Spektakel Aufmerksamkeit für den Klimawandel generiert und damit das Thema auf der politischen Agenda hält, dann erfüllt es seinen Zweck. Und wer (freiwillig) dabei mitmacht, weiss glaube ich recht gut, auf was er oder sie sich da einlässt.
Bleibt die Frage, ob das Kunst ist? Meine erste Assoziation war jedenfalls nicht Riefenstahl, sondern die Konfrontation Mensch / Gletschernatur, die hier – passend zum Thema – als Vexierbild wirkt: auf den ersten Blick sind die nackten Menschen das Verletzbare, vor einer unnahbar und unzerstörbar erscheinend Eiswand. Auf den zweiten Blick kehren sich die Verhältnisse um: die so harmlos wirkende Menschen sind es, die via Klimawandel den Gletscher bedrohen. Was stimmt? Die konfrontativen Bilder Tunicks (bzw. in dem Fall: die Pressefotografien der Aktion) sind hier meines Erachtens deutlich sinnvoller, als wenn er städtische Landschaften mit Menschen füllt; jedenfalls erzeugen sie (jenseits aller Sensationslust) eine Dissonanz, die stimmig ist.
Warum blogge ich das? Als Verteidigung der Kunst und des Spektakels gegenüber der unbedingten Ernsthaftigkeit.