Ein paar Sätze zu Sonder-BDK und innerparteilichem Streit

Auftrag: grün 18

Was mir an mei­ner Par­tei gefällt, ist die Tat­sa­che, dass grund­le­gen­de Ent­schei­dun­gen – wie aktu­ell die grü­ne Hal­tung zum ech­ten oder angeb­li­chen Atom­aus­stieg der schwarz-gel­ben Regie­rung – nicht ein­fach von oben her­ab ent­schie­den wer­den, son­dern dass zumin­dest der Ver­such unter­nom­men wird, in der Par­tei zu einer Mei­nungs­bil­dung zu kom­men. Natür­lich lie­ße sich jetzt dar­auf hin­wei­sen, dass der öffent­lich auf­ge­bau­te Druck, dem Leit­an­trag zuzu­stim­men, enorm ist. Ist er, kei­ne Frage. 

Trotz­dem, und dass ist für mich noch immer eine grü­ne Beson­der­heit, habe ich nicht den Ein­druck, dass es aus­ge­macht ist, dass der Antrag – und der zen­tra­le Punkt der Aus­ein­an­der­set­zung, näm­lich die Fra­ge, ob die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on bei aller Kri­tik letzt­lich der Novel­le des Atom­ge­set­zes zustim­men soll – unge­scho­ren durch die Son­der-BDK kommt. Mei­nem Gefühl nach haben sich sehr vie­le Kreis­ver­bän­de kri­tisch mit dem Leit­an­trag aus­ein­an­der­ge­setzt, das resul­tiert in einer gro­ßen Zahl an Ände­rungs­an­trä­gen, auch zur kri­ti­schen Zei­le 140 (mein KV ist auch dabei). 

Ich wer­de mor­gen als Dele­gier­ter bei der außer­or­dent­li­chen BDK dabei sein, und bin gespannt. Wir sind – so wur­de das auf unse­rer Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung fest­ge­stellt – in einer Lage, in der jede Ent­schei­dung zu öffent­li­chen Prü­geln füh­ren wird. Ent­we­der von der Pres­se und dem Teil der Bevöl­ke­rung, der nicht nach­voll­zie­hen kann, war­um eine Zustim­mung zu etwas, was Atom­aus­stieg genannt wird, aber nur ein hal­ber ist, ver­wei­gert wird – oder vom größ­ten Teil der Anti-AKW-Bewe­gung. Gera­de in die­ser Situa­ti­on fin­de ich es extrem wich­tig, dass wir die­sen Streit kon­struk­tiv und ohne gegen­sei­ti­ge Unter­stel­lun­gen über Abwei­chun­gen vom „wah­ren Kurs“ etc. füh­ren. Ich den­ke, dass das mög­lich ist – und hof­fe, dass die Son­der-BDK mich in die­ser Über­zeu­gung bestätigt. 

P.S.: ausgestrahlt.de hat ange­kün­digt, den Par­tei­tag nicht nur mit Aktio­nen, son­dern auch mit einem Live-Fak­ten­check zu beglei­ten. Mal schau­en, was das wird.

Die Hintertür im Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

Dark sun energy

Rei­ner Metz­ger, stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur der taz, leit­ar­ti­kelt heu­te, dass die schwarz-gel­ben Aus­stiegs­plä­ne ein Grund zum Fei­ern sind („ein rie­si­ger Sieg der Anti­atom­be­we­gung“). Da hat er ja recht – aber eben auch damit, dass die Freu­de dar­über, dass CDU, CSU und FDP kei­nen ande­ren Weg mehr gese­hen haben, als selbst einen Aus­stiegs­be­schluss zu ver­kün­den, einen nicht blind machen soll­te. Denn der Merkel’sche Aus­stieg hat diver­se Tücken und Hintertüren. 

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Auf dem Weg zur Platz-2-Partei

Journey of waiting XXI: Bremen keyNach Baden-Würt­tem­berg jetzt wohl auch in Bre­men: Die zweit­stärks­te Par­tei mit deut­lich über zwan­zig Pro­zent sind wir Grü­ne. Dass das jetzt so aus­sieht, hat was mit Stutt­gart 21, mit Fuku­shi­ma, mit dem Aus­stieg aus dem Aus­stieg zu tun, und viel auch damit, dass sowohl SPD als auch CDU bun­des­weit nicht mehr als glaub­wür­di­ge und kohä­ren­te Par­tei­en erschei­nen. (Und die FDP erst recht). 

Die ver­schie­de­nen Ereig­nis­se und die­se Stim­mung zusam­men haben etwas kata­ly­siert und beschleu­nigt, was sonst viel­leicht noch län­ger gebraucht hät­te – Grü­ne als ernst­haf­te Alter­na­ti­ve, als eine der „gro­ßen“ Par­tei­en. Aber auch ohne die­sen Kon­text bin ich über­zeugt, dass eine Bewe­gung in die­se Rich­tung statt­fin­det – und dass wir davon aus­ge­hen kön­nen, dass ein Poten­zi­al von zwan­zig bis fünf­und­zwan­zig Pro­zent für Grün in Zukunft rea­lis­tisch sein kann. Ein wich­ti­ger Fak­tor dabei: Das über Jahr­zehn­te gute Abschnei­den in jün­ge­ren Alters­grup­pen ist jetzt bis in die Alters­grup­pe 50+ hochgewachsen.

Bei der Gele­gen­heit noch ein Sei­ten­hieb auf die taz – die hat in ihrer Wochend­aus­ga­be näm­lich einen Arti­kel über grü­ne Flü­gel, und sieht im har­mo­ni­schen Zusam­men­spiel von Lin­ken und Rea­los einen Grund für die grü­ne Popu­la­ri­tät. Ich fin­de es gar nicht so blöd, mal über die nicht-offen­sicht­li­chen Funk­tio­nen von Flü­geln nach­zu­den­ken. Der Arti­kel behaup­tet zwar, das zu tun, greift aber deut­lich zu kurz – und ist in eini­gen Aus­sa­gen auch schlicht falsch. 

Mein Ein­druck: Wir haben der­zeit zwei selbst­be­wuss­te, star­ke Flü­gel. Wir haben kei­nen „Flü­gel­kampf“ im Sin­ne eines Ver­suchs, den einen oder den ande­ren Flü­gel raus­zu­mob­ben oder stän­dig zu über­stim­men – sowas gab es mal. Kurz: ja, wir zei­gen, dass es einen kon­struk­ti­ven Umgang mit inner­par­tei­li­chen Dif­fe­ren­zen geben kann, und dass orga­ni­sier­te Inter­es­sen auch inner­halb von Par­tei­en sinn­voll sind. Insze­niert ist das nicht. Und ob es zu unse­rer Außen­wahr­neh­mung als Volks­par­tei in der Nuss­scha­le bei­trägt, mag ich nicht beurteilen. 

Zurück nach Bre­men: Ich bin gespannt, wel­ches Sena­to­ren­amt die stär­ker gewor­de­nen Grü­nen der SPD abneh­men wer­den – und wer in die Bür­ger­schaft ein­zie­hen wird. Das neue Wahl­recht macht das span­nend, und ver­län­gert die Aus­zähl­zei­ten erheb­lich. Da heißt es also noch ein biss­chen warten.

War­um blog­ge ich das? Als grü­nes Wort zum Wahlsonntag.

Ein historisches Ereignis

Chairpersons II

Auch wenn ich ges­tern weder in Stutt­gart sein konn­te noch am Arbeits­platz­rech­ner den Live­stream ver­fol­gen konn­te, habe ich natür­lich mit­ge­zit­tert – und war (wie mei­ne gan­ze Twit­ter­time­line) dann schon gerührt, froh, auf­ge­regt, eupho­risch, glück­lich, gespannt auf alles, was jetzt kommt, als ges­tern Mit­tag das Ergeb­nis der Wahl zum Minis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des Baden-Würt­tem­berg ver­kün­det wur­de. Nein, kein zwei­ter Wahl­gang – dafür sogar zwei Stim­men aus der Oppo­si­ti­on (wie selt­sam es ist, dass die­ser Begriff in die­sem Land jetzt CDU und FDP meint). Und Win­fried Kret­sch­mann als ers­ter grü­ner Minis­ter­prä­si­dent in Deutschland. 

Ein gutes Vier­tel­jahr­hun­dert nach der Ver­ei­di­gung des ers­ten grü­nen Minis­ters ist das ein gewal­ti­ger Schritt für uns Grü­ne – aber natür­lich noch viel wich­ti­ger: auch ein ganz ent­schei­de­ner Schritt für Baden-Württemberg. 

Mein klei­ner Bei­trag zum Jubel ges­tern war die­ses Twit­pic, das dann prompt viral wur­de und inzwi­schen knapp 4000 Mal auf­ge­ru­fen wurde. 

Jetzt bin ich wie gesagt sehr gespannt, wie das alles wei­ter­geht. Wer­den wir Grü­nen jetzt zur Volks­par­tei? Oder ist das eine über­hol­te Kate­go­rie? Ist die Regie­rungs­be­tei­li­gung als stärks­te Par­tei ein ein­ma­li­ges Ereig­nis, oder hat sich da tat­säch­lich was ver­scho­ben im Par­tei­en­sys­tem? Bleibt Win­fried Kret­sch­mann habi­tu­ell so, wie er ist? Oder heben Win­fried und sei­ne Regie­rungs­trup­pe jetzt ab? Krie­gen wir das mit der Poli­tik des Gehört­wer­dens hin? Und wie läuft’s mit der Lan­des­par­tei wei­ter, die jetzt u.a. eine neue Vor­sit­zen­de und eine neue Lan­des­ge­schäfts­füh­re­rin braucht, und die auf ihrer nächs­ten Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz dann viel­leicht schon mit den ers­ten ent­täusch­ten Erwar­tun­gen klar­kom­men muss? 

Also Fra­gen über Fra­gen – aber erst ein­mal über­wiegt bei mir immer noch das Gefühl, kaum glau­ben zu kön­nen,* dass es gera­de in Baden-Würt­tem­berg geklappt hat.

* Neben­bei bemerkt: in die­sen Tagen erscheint end­lich die Aus­ga­be 1/2011 der Revue d’Allemagne et des Pays de lan­gue alle­man­de, in der ich einen Text habe, den ich im Herbst 2010 geschrie­ben habe. Letzt­lich geht’s in dem Text um Tech­nik­feind­lich­keit, aber ein biss­chen eben auch um die Grü­nen. Ange­sichts der Umfra­ge­wer­te kurz nach Stutt­gart 21 und der gro­ßen Mobi­li­sie­rung zu den Pro­tes­ten gegen die Lauf­zeit­ver­län­ge­rung (noch weit vor Fuku­shi­ma!) habe ich dort schon die Mut­mas­sung geäu­ßert, dass es zumin­dest mög­lich gewor­den ist, dass wir Grü­ne in Baden-Würt­tem­berg den Minis­ter­prä­si­den­ten stel­len könn­ten. Aber so ganz glau­ben kön­nen, dass das Wirk­lich­keit sein wird, wenn der Text erscheint, habe ich damals noch nicht. Da war viel mehr noch die Idee da, dass allein schon die Ver­schie­bung von „völ­lig undenk­bar, grün zu wäh­len“ zu „jetzt wäh­le ich grün“ in vie­len Köp­fen was bewegt hat, was dann in den nächs­ten Jah­ren zu einem all­mäh­li­chen Wan­del im Par­tei­en­sys­tem füh­ren könn­te. Aber wie viel­leicht bei alle gro­ßen Ereig­nis­sen: Statt all­mäh­li­chem Wan­del gab’s einen Bruch und eine Neuausrichtung.