Kurz: Da bewegt sich was

Pau­schal­ur­tei­le über die Jugend sind immer blöd. Trotz­dem muss ich kurz die Beob­ach­tung fest­hal­ten, dass sich da aktu­ell was tut, mit Jugend­li­chen und Poli­tik. Viel­leicht fällt es mir auch nur mehr auf, weil mei­ne Toch­ter inzwi­schen 13 ist und da Poli­tik irgend­wie so rich­tig anfängt. Ich sehe jeden­falls an zwei Punk­ten, dass ein per Whats­App (und Insta­gram und – ihh – You­tube) kom­mu­ni­zie­ren­de Jugend sich poli­tisch äußert. 

Das eine sind die Kli­ma­pro­tes­te mit Gre­ta Thun­berg als selbst gewähl­ter Gali­ons­fi­gur. Fri­days for Future bringt inzwi­schen welt­weit Schul­kin­der zum Streik. Dezen­tral und wenig orga­ni­siert, auf Netz­werk­ef­fek­te und Klas­sen­grup­pen set­zend, und mit mäch­tig viel media­ler Auf­merk­sam­keit. Ein paar Mona­te (Okto­ber 2018) älter und ein biss­chen radi­ka­ler (und nicht so jugend­lich): Extinc­tion Rebel­li­on – auch das eine glo­ba­le Bewe­gung, die Kli­ma­schutz auf die Stra­ßen bringt und auf die poli­ti­sche Agen­da setzt. 

Das ande­re sind die Pro­tes­te rund um Arti­kel 13 („Hil­fe, sie wol­len You­tube schlie­ßen!“), oder anders gesagt: die spe­zi­fi­sche Frei­heit des Net­zes erhal­ten. Auch hier: eine grenz­über­schrei­ten­de Mobi­li­sie­rung, ins­be­son­de­re auch Teen­ager und jun­ge Erwach­se­ne füh­len sich ange­spro­chen – und reagie­ren extrem wütend auf die Ver­mu­tung, das sei­en doch alles nur Bots. Einer der Hash­tags der Kam­pa­gne: #nie­wie­dercdu

Hier bewegt sich also was. Sehr pro­jekt­för­mig, bei den Pro­tes­ten rund um die EU-Urhe­ber­rechts­re­form kann ich mir auch vor­stel­len, dass das schnell wie­der ein­schläft, wenn der kon­kre­te Anlass – die Abstim­mung im EU-Par­la­ment, die jetzt wohl doch Ende März sein wird, rum ist. Das Kli­ma wird Tag für Tag dra­ma­ti­scher. Und bei­des zusam­men könn­te den Effekt haben, dass nach eini­gen Jah­ren, in denen Jugend eher ein Syn­onym für kon­ser­va­tiv und den Rück­zug ins Pri­va­te war, da so etwas wie eine neue poli­ti­sche und pro­gres­si­ve Jugend­be­we­gung ent­steht. Wär doch was!

Ja-Sagen, Nein-Sagen, oder: am 24. Februar über Visionen für Freiburgs Zukunft abstimmen

Dietenbach-Niederungen III

In knapp zwei Wochen wird abge­stimmt. Und die Selt­sam­keit die­ses Bür­ger­ent­scheids fängt ja schon damit an, dass die Fra­ge­stel­lung ver­korkst ist – wer für den Bau des neu­en Stadt­teils Die­ten­bach ist, muss mit „Nein“ stim­men, wer die Äcker nörd­lich des Rie­sel­felds unbe­baut las­sen will, muss mit „Ja“ stimmen. 

Vor ein paar Tagen hat die Badi­sche Zei­tung eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge ver­öf­fent­licht – dem­nach sind 58 Pro­zent der Freiburger*innen für den neu­en Stadt­teil, sagen also Nein. Wobei das ja fast schon wie­der an das „Nai häm­mer gsait“ der 1970er anschließt.

Ob die­ser reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge glau­ben geschenkt wer­den kann, ist umstrit­ten. Wie fast alles, was mit Die­ten­bach zu tun hat. Quer durch Freun­des­krei­se wie­der hef­tig dar­um gerun­gen, sozia­le Medi­en und Leser­brief­spal­ten sind voll, eben­so die Veranstaltungshallen.

Dass es die­ses Rin­gen gibt, zeigt aber auch, dass es rich­tig war, Bür­ger­ent­schei­de für die Bau­leit­pla­nung zuzu­las­sen. Reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie, klar – aber es ist defi­ni­tiv etwas, das alle in Frei­burg angeht: soll nach Vau­ban und Rie­sel­feld in den 1990ern und nach vie­len Nach­ver­dich­tun­gen und inner­städ­ti­schen Ent­wick­lungs­maß­nah­men ein wei­te­rer gro­ßer Stadt­teil – noch grö­ßer als das Rie­sel­feld – dazu kom­men? Soll Frei­burg im Süd­wes­ten wei­ter wachsen.

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Kurz: Politische und andere Algorithmen

Ich habe mal ein biss­chen Infor­ma­tik stu­diert. Neben­fach. Eine Grund­la­ge der Infor­ma­tik ist das Kon­zept des Algo­rith­mus: es gibt eine Ein­ga­be, es gibt Regeln, nach denen die­se Ein­ga­be ver­ar­bei­tet wird, und es gibt eine Aus­ga­be. So wie bei einem Koch­re­zept: Eier und Mehl, Zucker und Salz, … rein, Kuchen raus, und dazwi­schen Regeln und Ver­fah­rens­schrit­te, die in einer bestimm­ten Rei­hen­fol­ge abge­ar­bei­tet wer­den. Wer jetzt mit der Maus auf den nächs­ten Tab im Brow­ser klickt und eine URL ein­gibt, weil das lang­weilt – setzt Algo­rith­men in Gang. 

Jetzt muss­te ich heu­te in einer Pres­se­mit­tei­lung einer mir gut bekann­ten Bun­des­tags­frak­ti­on lesen: 

„In fast jeder Online-Anwen­dung kom­men heu­te Algo­rith­men zum Ein­satz. Fast die Hälf­te der Befrag­ten in der EU gibt aller­dings an, kei­ne Kennt­nis über Algo­rith­men zu besit­zen. Es müs­sen jetzt nicht alle Com­pu­ter­ex­per­tin­nen und ‑exper­ten wer­den, aber jeder hat das Recht dar­auf, zu erfah­ren, ob in Pro­gram­men oder Pro­zes­sen Algo­rith­men im Spiel sind und Ent­schei­dun­gen beein­flus­sen. Ein Trans­pa­renz­kenn­zei­chen für Künst­li­che Intel­li­genz und Algo­rith­men kann des­we­gen ein sinn­vol­ler Ansatz sein.“ 

Das ist dann doch ein biss­chen pein­lich. Und ich ver­ste­he, war­um sich Biolog*innen über „gen­frei“ auf­re­gen. Mein Schluss: Es gibt so etwas wie einen tech­ni­schen Algo­rith­mus-Begriff (Ein­ga­be – Rechen­schrit­te – Aus­ga­be) und einen poli­ti­schen Algo­rith­mus-Begriff, der eigent­lich „Ein­satz von maschi­nel­lem Ler­nen auf gro­ßen Daten­men­gen zur Sor­tie­rung von Nutzer*innen“ oder sowas in der Art bedeu­tet. Das mit einem Kenn­zei­chen zu ver­se­hen, kann ja sogar sinn­voll sein. „Ach­tung, Algo­rith­mus!“ zeugt aller­dings davon, dass hier jemand nur wenig Kennt­nis besitzt. Schade.

Photo of the week: Leipzig

Leipzig

 
Am Wochen­en­de fand in Leip­zig die Sit­zung der grü­nen Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik (BAG WHT) statt. Dabei konn­te ich fest­stel­len, dass Leip­zig eine sehr bun­te und viel­fäl­ti­ge Stadt ist. Ein­ge­la­den hat­te uns Clau­dia Mai­cher MdL, die ihr Wahl­kreis­bü­ro in Leip­zig-Plag­witz im Süd­wes­ten der Stadt hat – zwi­schen frisch reno­vier­ten Häu­sern und zwi­schen­ge­nutz­ten Alt­bau­ten, Woh­nun­gen und Geschäf­ten, Indus­trie­ge­bäu­den und Restau­rants und Knei­pen. Neben inten­si­ven inhalt­li­chen Dis­kus­sio­nen, u.a. zur Auto­ri­ta­ris­mus-Stu­die und zu hoch­schu­li­schen Arbeits­be­din­gun­gen, war ein High­light unse­rer BAG-Sit­zung eine Füh­rung durch die Deut­sche Nationalbibliothek.

Für mich war das die vor­letz­te Sit­zung als Spre­cher der BAG WHT. Im April oder Mai wer­den wir ein neu­es Sprecher*innen-Team wäh­len, und nach zwölf Jah­ren wer­de ich nicht wie­der antre­ten; das hat vor allem damit zu tun, dass ich auch beruf­lich aus dem Bereich Hoch­schul­po­li­tik gewech­selt bin und seit 1.1.2019 „Par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter Grund­satz und Stra­te­gie“ in mei­ner Signa­tur ste­hen habe. Zwölf Jah­re BAG-Spre­cher, davor min­des­tens acht Jah­re hoch­schul­po­li­tisch enga­giert – viel­leicht soll­te ich nach rund zwan­zig Jah­ren Hoch­schul­po­li­tik mal einen klei­nen Rück­blick versuchen …

Kurz: Genug auf die Bahn geschimpft

Inzwi­schen neh­me ich es recht gleich­gül­tig hin, dass der mor­gend­li­che Zug umge­kehrt gereiht ist, dass die Reser­vie­rungs­an­zei­gen aus­ge­fal­len sind („uns fehlt lei­der der Mas­ter-Wagen, von dem aus die­se gesteu­ert wer­den“) oder dass es ein paar Minu­ten Ver­spä­tung gibt. Das ist schlicht der aktu­el­le Nor­mal­zu­stand geworden.

Auf der ande­ren Sei­te: vie­le mei­ner letz­ten Fahr­ten, auch wei­ter weg, nach Ber­lin zum Bei­spiel, waren pünkt­lich. Das Zug­per­so­nal ist meis­tens freund­lich. Wenn nicht gera­de drau­ßen alles Funk­loch ist, oder alle strea­men, kom­me ich mit dem ICE-WLAN klar. Und ich neh­me wahr, dass die Bahn ver­sucht, attrak­ti­ver zu wer­den. Dazu gehö­ren auch neue Spar­an­ge­bo­te und zuletzt nur mode­ra­te Preis­stei­ge­run­gen. Eine Bahn­card 100 ist teu­er, aber Leu­te, die sich ein Auto hal­ten, zah­len auch nicht so viel weniger.

Die Bahn könn­te noch sehr viel bes­ser sein. Das ist eine Fra­ge auch der Poli­tik. Stre­cken abzu­bau­en, Infra­struk­tur ver­fal­len zu las­sen, das Trim­men auf Ren­di­te – auch das hat viel kaputt gemacht, gera­de wenn es um Puf­fer und Reser­ven geht. Aber die sind nötig, damit Sys­te­me, bei denen Stö­run­gen in der Sache lie­gen, funk­tio­nie­ren. Hier wür­de ich mir kla­re Ansa­gen vom Bund als DB-Eigen­tü­mer wün­schen. Kri­tik an zu bil­li­gen Fahr­kar­ten ist dage­gen bes­ten­falls welt­fremd, wahr­schein­li­cher jedoch schlicht ein Ablenkmanöver.