Blick vom Naturschutzgebiet auf den Stadtteil Freiburg-Rieselfeld, dahinter der Schwarzwald.
Kurz: Ein Land, noch nicht bereit
Gestern dann also das zweite „Triell“ zwischen Baerbock, Scholz und Laschet. Habe viel dazu getwittert. Auffällig: schlecht vorbereitete und schlecht abgestimmte Moderation, die kein gutes Bild auf „Nachrichten“ als Kernkompetenz der öffentlich-rechtlichen Sender wirft. Eine halbe Stunde mit unsinnigen Koalitionsfragen verbracht. Und die Diskutant:innen? Das Meme, das Laschet und Scholz als Loriots Badewannen-Herren zeigt, passt. Annalena Baerbock dazwischen – kompetent, sachlich, auf den Punkt, empathisch und lebensnah. Was dann aber leider zu oft unterging zwischen „Lassen Sie sofort das Badewasser ab!“ und „An ihrer Frage merkt man, wie sehr sie unehrlich sind!“.
Am Schluss kopieren Laschet und Scholz Baerbocks Move und treten vor das Redepult. Bei den Inhalten sieht’s dagegen düster aus. Laschet will Vertrauen verkörpern. Scholz steht für den moderaten Weg, also bloß keine Veränderung. Baerbock bringt es dagegen auf den Punkt: „Unsere Kinder und Enkel sollen uns nicht fragen: Warum habt ihr nichts getan? Sondern: Wie habt ihr das geschafft?“
Soweit mal als kurzer Eindruck. Zum Mismatch zwischen Kompetenz und Kompetenzzuschreibung und auch zu der einen oder anderen Ungleichbehandlung durch die Moderator:innen würde ich gern eine Gender-Studies-Abhandlung lesen. Mein Eindruck: in zu vielen Köpfen weckt „älterer Herr mit Anzug und Krawatte“ noch eine Kompetenzzuschreibung, die faktisch gar nicht erfüllt werden muss, um zu wirken. Dagegen und gegen ein in den letzten Monaten verfestigtes Bild musste Annalena Baerbock ankämpfen. Bei der Altersgruppe bis Mitte 30, Anfang 40 klappt das. Bei den älteren Jahrgängen wird’s schwierig. Interessant dazu auch dieser Bericht der BZ (hinter der Paywall).
Für alles weitere empfehle ich Ulrich Schulte in der taz, der das gleiche Triell gesehen hat wie ich. Und deutlich darauf hinweist, dass Deutschland Moderation und Aushandlung super findet, dass das der Physik aber egal ist.
Photo of the week Golden light (June) – V
Ja, ich weiß, wir haben September – aber irgendwie muss ich den Stapel liegengebliebener Fotos abarbeiten. Und wo der Sommer gerade dabei ist, sich mit ein paar schönen Spätsommertagen zu verabschieden, passt dieses in tiefstehendes Gold getunktes Bild doch ganz hervorragend.
Im Sommer 2021 gelesen
Ich fange mit dem an, was ich nicht gelesen, sondern angeschaut habe – weiter Star Trek: Enterprise (von dem ich nach wie vor, auch in Staffel 4, durchaus angetan bin), zur Erheiterung die ersten paar Folgen der 2. Staffel Star Trek: Lower Decks, und diverse Filme. Insbesondere die beiden neueren Pixar-Werke Coco und Soul fand ich sehr gelungen.
Jetzt aber zu den Büchern.
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Kurzkritik: Triell der Kanzlerkandidat:innen
Vorneweg: natürlich bin ich voreingenommen, wie so viele, die gestern zugeschaut und in sozialen Medien kommentiert haben. Trotzdem ein paar Worte zum „Triell“ – also dem Dreier-Duell – der Kanzlerkandidat:innen von RTL und ntv (es folgen noch ein öffentlich-rechtliches und eines von SAT1). Meine Erwartungen deutlich übertroffen nach den letzten Bundestagswahlkämpfen hat auf jeden Fall die Moderation, insbesondere Pinar Atalay glänzte trocken-spröde und damit für ein politisches Format genau richtig – bei Peter Kloeppel war an der einen oder anderen Stelle dann doch der Wunsch sehr deutlich, Schlagzeilen zu produzieren („Verbotsdebatte“, Gendern, Querdenker …). Aber insgesamt wurde tatsächlich rund zwei Stunden lang über Inhalte gestritten. Klar, einige kamen nicht vor (Verkehrspolitik, Digitalisierung, Bildung als Länderthema), aber der Fokus auf Außenpolitik/Afghanistan, Klima, Corona, Steuern und innere Sicherheit war aus meiner Sicht durchaus angemessen. Ich kann mich da durchaus Jacob Lenz anschließen (Kommentar leider hinter der Paywall). Das Triell hat sowohl die Personen als auch die Inhalte, und die Unterschiede in den Inhalten, deutlich werden lassen. Und das ist wichtiger als die Verteilung von Haltungsnoten.
Ich – aber das mag, wie gesagt, von einer gewissen Voreingenommenheit geprägt sein – fand Annalena Baerbock da klar diejenige, die Konzepte hatte und diese auch gut erklärt hat, die inhaltliche Kompetenz ausgestrahlt hat. Olaf Scholz hat das ebenfalls gemacht, aber halt aus einer Perspektive der Industriearbeiterpartei, die die SPD noch immer irgendwie sein will. Und Armin Laschet hat meinem Eindruck nach vor allem erklärt, was alles nicht geht und sich dabei das eine ums andere Mal verheddert. Kombiniert mit einer gewissen jovialen Altmännerarroganz („Mal langsam, Frau Baerbock“ … „das versteht doch niemand“ … – die Annalena sehr gut konterte) passt der Begriff „rumonkeln“ da ganz gut.
Bei den anderen beiden Kandidat:innen bestätigt das #triell meinen Eindruck, dass Annalena Baerbock nicht nur in den Themen steckt, sondern auch Empathie kann. Sie war sehr viel näher am Alltag als die anderen beiden. Und sie war durchaus angriffsfreudig – gut so, denn das verkörperte dann zusammen mit dem Schlussstatement (vom Redepult hervortretend, direkt an die Zuschauer:innen gewandt) klar, dass Bündnis 90/Die Grünen und unsere Kanzlerkandidatin für Aufbruch stehen, für etwas anderes als das Weiter so der Großen Koalition. Oder, um es mit den etwas wirren Worten Laschets zu sagen: den Wind der Veränderung eben nicht ins Gesicht blasen lassen und sich dagegen stemmen, sondern mindestens Windmühlen bauen.
Olaf Scholz gab habituell Merkel 2.0 – das ist ok, und ich verstehe, warum das bei aller beigen Langweile Resonanz findet, reicht aber angesichts der Klimakrise nicht aus.
Das Sofortumfragen- und Presseecho ist, um das zum Schluss zu sagen, heterogen. Olaf Scholz hat seine Führung bestätigt, Annalena Baerbock ist mindestens zurück im Spiel, und Armin Laschet scheint – für mich erstaunlich – immer noch eine Zielgruppe zu finden, die seine jovial-onkelige Art und sein leeres Vergangenheitsversprechen gut findet. Ich bin gespannt, ob die anderen zwei Trielle sich ein Vorbild an der Inhaltsfülle und der in der Summe sachlich-nüchternen Moderation nehmen. Das wäre zumindest ein Beitrag dazu, diese historische Wahlentscheidung auf eine fundierte Basis zu stellen. Dann haben wir im September eine echte, klare Wahl – zwischen Veränderung als Bedrohung oder Veränderung als Auftrag.