… auch wenn’s derzeit gerade gar nicht nach Sommer und Abendessen auf der Terrasse aussieht.
Eskalationsstrategie
Wenn Rostock und Heiligendamm ein klein wenig näher liegen würden, würde ich mir ja ernsthaft überlegen, trotz Zeitproblemen zum G8-Gipfel zu fahren. Die Razzien etc. haben jedenfalls, was mich betrifft, eher zur Mobilisierung beigetragen.
Insgesamt kommt mir vieles von dem, was jetzt im Vorfeld des Gipfels passiert, wie eine große Eskalationsstrategie vor. Auch die aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, doch keine Proteste in Gipfelnähe zuzulassen, zählt dazu. Da werden also einige zehntausend Menschen rund um Heiligendamm sitzen, mit dem Wunsch, ihren Protest sichtbar zu machen, und einer Polizei, die genau dieses verhindern soll. Und wenn die Demo und die Aktionen dann entsprechend unfriedlich verlaufen, sind’s letztlich die Demonstrierenden, denen die Schuld daran zugeschoben wird – na klasse! Nach meinen Erfahrungen z.B. mit Anti-Castor-Protesten trägt eine solche Polizeistrategie vor allem zu einem bei: zur Radikalisierung linker und alternativer Jugendlicher (und vielleicht auch älterer Menschen). Nicht unbedingt im Sinne von RAF & Co. – wohl aber in „Politikverdrossenheit“ (jedenfalls Vertrauensverlust in die etablierte Politik) und einem grundsätzlichen Unbehagen an den staatlichen Institutionen, allen voran der Polizei.
Die Nicht-Zulassung von JournalistInnen, die offensichtlich vor allem kritische JournalistInnen betrifft, ist nochmal ein ganz anderes und ebenso erschreckendes Thema. Dazu schreibe ich jetzt aber nichts weiter.
Was bleibt? Auch bei mir der Wunsch, in irgendeiner Form Protest zu äußern. Mal schauen, ob sich da etwas ergibt; zur Not werde ich zur WASG-Kundgebung in Freiburg (6. Juni, 17 Uhr) gehen, auch wenn mir daran einiges, insbesondere die RednerInnen-Auswahl, nicht gefällt.
Warum blogge ich das? Weil die „Sicherheitsmaßnahmen“ und die damit verbundene Eskalationsstrategie gerade jede Öffentlichkeit gebrauchen können.
Update: Taz-Journalist darf doch nach Heiligendamm (Spiegel-Online)
Update 2: Berichte beim NDR (klingt, ebenso wie der Bericht in der ZEIT, einigermaßen sachlich, einfach von der Sprache her – anders als der Bericht bei Spiegel Online mit dem schönen Titel „Autonome verwüsten Rostock“) und bei Indymedia (Ticker).
Update 3: Einige Links in die Blogosphäre: SMS-Ticker bei Spreeblick (Info dazu, Live-Infos bei 24Stunden und ein Metaeintrag bei netzpolitik.org.
Update 4: Das Politblog stellt seinen Bericht unter den Titel „Eskalation: Polizei inszeniert Bürgerkrieg“.
Update 5: Der Spiegel kann auch anders.
Update 6: Ein sehr sachlicher und analytischer Bericht eines gewaltfreien Demonstrationsteilnehmers findet sich neu bei Telepolis.
Update 7: Statement von Attac zum Demoverlauf.
Update 8: Vielleicht sollte ich einfach nochmal einen neuen Beitrag schreiben, statt hier Update um Update anzuhängen. Ein letztes oder vorletztes: gipfelblog.de ist ein Blog von JournalistInnen über den G8-Gipfel. Liest sich bisher ganz gut. [via netzpolitik].
Update 9: Noch eine ganz andere Perspektive: der von Macro im Kommentar angesprochene Demo-Bericht („Gegendarstellung“) von Meike.
Meinungen gefragt: Blogs und Datenschutz
Hmmm. Ich habe ja diese nette „Semmelstatz“-Erweiterung zu WordPress installiert, die einem zeigt, welche Artikel wie oft gelesen werden. Die zeigt aber nicht nur das an, sondern speichert eine ganze Menge Daten (nämlich sämtliche IPs sämtlicher Blog-Zugriffe). Das ist ganz interessant – zum Beispiel hat heute jemand mit einer dem Deutschen Bundestag zugeordneten IP, der/die auf http://www.gruenesfreiburg.de einen Kommentar von mir gelesen hatte und dann dort dem Link zu meinem 1. Mai-Artikel gefolgt war, systematisch nach den Namen diversen jüngerer grüner MdBs gesucht (und auch ein paar Einträge gefunden).
Das als ausführliche Schilderung dessen, was „Semmelstatz“ selbst ohne Zusatztools sichtbar macht (im Prinzip ist sowas in der Statistik jeder Website nachlesbar, muss aber erstmal aufbereitet werden, um genau den hier dargestellten Zusammenhang nachvollziehen zu können).
Was ich jetzt gerne wissen würde: Ist es legitim, diese Daten zu speichern und neugierige Blicke drauf zu werfen? Brauche ich einen Datenschutzhinweis? Oder müsste ich aus ethischen Gründen eigentlich „Semmelstatz“ deaktivieren? Und wie halten andere Blog-BetreiberInnen es damit?
Warum blogge ich das? Politische Neugierde.
Heute im Briefkasten: Soundso
Nicht Sound-so, sondern so-und-so. Also die neue, dritte Album-CD Soundso von Wir sind Helden. Die taz hatte sie schon gestern besprochen.
Mein erster Eindruck: Daumen hoch. Im Einzelnen heißt das: schönes Cover, Texte sind auch mit dabei, bei den Danksagungen fällt die unlängst erfolgte Familiengründung auf. Die zwölf Stücke klingen nach den Helden, da sorgt schon der charakteristische Gesang für, und diverse immer wieder auftauchende Melodiefragmente und Wiederholungsmuster. Trotzdem ist’s musikalisch noch ein bißchen mehr Mainstream geworden, was vor allem bei den nun rockiger gewordenen schnellen Stücken auffällt (bei der taz heißt das: „Die Rhythmen hüpfen weniger hektisch als früher, sondern rollen viel entspannter, und so ist eine leichte, luftige Popplatte entstanden.“). Dafür sind die Texte größtenteils wieder beim Politniveau der Reklamation angekommen (wenn ich das Booklet richtig verstehe, soll’s demnächst übrigens auch das Mitsing-Liederbuch der Helden geben) – insgesamt gefällt mir die Mischung aus Politik und Privatem besser als bei Von hier an blind.
Warum blogge ich das? Trotz Neue-Neue-Deutsche-Welle und tendenzieller Kommerzverträglichkeit (wenn bei den Texten weggehört wird) sind Wir sind Helden weiterhin eine meiner absoluten Lieblingsbands.
Update: Andreas Borcholt bei Spiegel online ist eher enttäuscht vom neuen Helden-Album. Und zwar, weil der Anspruch ganz hoch gehängt wird: „Denn eine bessere Band haben wir nun mal gerade nicht in Deutschland, das ist mal Fakt.“ – da reichen dann drei wirklich tolle Nummern nicht aus.