Unsere Herbstfraktionsklausur fand dieses Jahr in Heidelberg statt. Passende Orte für eine solche Veranstaltung, an der bei 57 Abgeordneten, dem Stab der Fraktion und Menschen aus der Regierung letztlich deutlich über 100 Leute teilnehmen, sind gar nicht so einfach zu finden. In Heidelberg haben wir jedenfalls im Hotel Atlantic getagt: das erste Mal, dass der Weg zum Klausurhotel vom Gleis her aus ungefähr einer Treppe und einer Wandelhalle bestand – dann war man da. Der Tagungssaal im Hotel war im 11. Stock, gefrühstückt wurde sogar noch zwei Stockwerke höher, also im Stockwerk … „R“. Ob ich das Foto hier aus dem 13. Stock, wie oben angegeben, oder doch aus dem 11. Stock gemacht habe, weiß ich nicht mehr. So oder so: eine gute Gelegenheit, einen Blick auf Heidelberg zu werfen. Diverse Wahrzeichen sind auch im Bild.
Kurz: In der Blase
Es gibt viele Gründe, „AI“ zu kritisieren – das reicht von Bias in den zugrundeliegenden Daten über Umweltaspekte bis hin zu der Tatsache, dass große Sprachmodelle prinzipienbedingt eher plausibel klingende „Fakten“ erfinden als keine Antwort zu geben. Nichtsdestotrotz scheint eine größere Zahl an Menschen in ChatGPT, Gemini, Perplexity etc. so etwas wie allwissende Antwortmaschinen zu sehen. Und ja: die Textverarbeitung (und die Bildgenerierung) wirkt erst einmal sehr beeindruckend. Die realen Anwendungsfälle sind dann aber viel kleiner, als der Hype vermuten lässt.
Aber selbst wer von „AI“ begeistert ist, sollte die Frage des Geschäftsmodells zur Kenntnis nehmen. Hinter der Oberfläche stecken die selben paar großen Modelle – trainiert auf dem Internet und Raubkopien des gesamten Buchmarkts. Immer neue, noch größere Modelle werden angekündigt, die noch mehr Daten in einen komprimierten Suchraum verwandeln, noch mehr Strom und noch mehr Grafikkarten als Rechenbasis benötigen. Profitabel sind die Firmen hinter den großen Modellen nicht. Und die investierten Summen stehen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen; auch dann nicht, wenn Abo-Modelle etc. berücksichtigt werden. Zudem sind, anders als bei anderen Anwendungen, zusätzliche Nutzer*innen teuer.
Cory Doctorow geht auf die Frage der „AI“-Blase tiefer und pointierter ein, als ich das könnte. Typisch für eine solche ökonomische Blase: alle wollen dabei sein, egal, ob es im konkreten Fall Sinn ergibt oder nicht. Und zu oft treffen Manager*innen die Entscheidung, darauf zu wetten, dass Schreibtischarbeit durch „AI“ ersetzt werden kann – ohne zu bedenken, dass damit letztlich nur Arbeit verschoben wird, hin zu Nacharbeit und Kontrolle, die (wo auch immer erworbene) menschliche Expertise voraussetzt. Vibe Coding mag für Projektchen funktionieren – für produktive Software eher nicht. Das ist schlicht eine Risikorechnung mit Blick auf Sicherheitslücken und ähnliches.
Bisher wabbelt die Blase – die nicht nur Doctorow diagnostiziert, sondern auch die Deutsche Bank beim Blick auf den US-Markt – munter vor sich hin. Wenn sie platzt, wenn dann beispielsweise OpenAI von heute auf morgen den Betrieb einstellt, wird das ziemlich düster werden. Die Erwartung, dann „told you so“ sagen zu können, mag zwar persönlich befriedigend sein – so richtig glücklich macht mich das jedoch nicht.
Photo of the week: Autumn comes II
Und nochmal ein Herbstbild (vom letzten Augusttag) – ich bin noch nicht dazu gekommen, die Septemberbilder hochzuladen, aber das ist jedes Jahr so, dass der September steil von „Ende der Sommerferien“ zu „mitten im Betrieb“ wechselt, auch aufgrund der Fraktionsklausur, die jedes Jahr direkt nach den Sommerferien stattfindet.
Kurz: Geistererscheinungen
Der Spiegel berichtet darüber, dass die DB teilweise verspätete Züge aus dem Fahrplan nimmt und sie leer als „Geisterzüge“ fahren lässt, um die Verspätungsbilanz besser aussehen zu lassen.
Und auch in anderer Form tauchen Geisterzüge, ‑busse und ‑bahnen auf: nämlich immer dann, wenn irgendetwas schief läuft im Abgleich zwischen dem, was in der realen Welt herumfährt, und dem, was in der Datenbank und dem Informationssystem verankert ist. Dann steht in der App, dass der Zug pünktlich losgefahren ist und pünktlich die nächste Station erreichen wird. Real warte ich aber immer noch am Gleis, und es taucht erst mit viel Verspätung oder gar nicht ein Zug auf. Oder es werden vier Busse für den Schienenersatzverkehr in der App gemeldet; real taucht davon einer auf und verschwindet dann wieder. Und überhaupt: warum das Infosystem im Zug, das Infosystem am Bahnhof, das Infosystem in der DB-App und möglicherweise – da will man dann gar nicht zu viel spekulieren – die digitale Leitstelle der DB – unterschiedliche Informationen haben und verbreiten, ruft bei mir immer wieder Fragezeichen hervor.
Das gibt es auch andersherum: der DB Navigator kennt aufgrund eines Fehlers nach Wiederinbetriebnahme einer Strecke die dort verkehrenden Nicht-DB-S-Bahnen nicht und führt sie nicht auf, erst in den folgenden Tagen werden sie nach und nach als „Sonderverkehr“ wieder aufgenommen. Real fahren sie die ganze Zeit ganz regulär. Und auch Fernzüge, die nicht zur DB gehören, wurden zumindest früher informationstechnisch gerne ausgeblendet. Inzwischen scheint der Navigator mir hier besser geworden zu sein.
Von anderen Mismatchs zwischen Datenbanken und realer Welt gar nicht zu reden. Die „Geisterlehrer“, also Stellen für Lehrer*innen, die nicht besetzt wurden, aber auch nicht als frei gemeldet wurden, sind da hoffentlich ein Einzelfall und kein systematischer Missstand in einer Welt, in der digitale Zwillinge und irgendwo erfasste Informationen gerne einmal ein Eigenleben beginnen.
Photo of the week: Mushroom on a tree, Wildtal
Ja, es ist jetzt definitiv herbstlich. Nicht ganz unerwartet, aber irgendwie doch immer plötzlich – vielleicht auch deswegen, weil ich Anfang September meist damit beschäftigt bin, die letzten Vorbereitungen für die Herbst-Fraktionsklausur zu treffen, und deswegen zu wenig anderem komme. Die findet dieses Jahr in Heidelberg statt, am Dienstag mit Bürgerdialog, und bei hoffentlich schönem Herbstwetter.



