Noch ein Foto aus Wien. Die im Übrigen sehr brauchbare Wiener-Linien-App hatte mir als Umstieg von der U‑Bahn auf den Regionalzug nach Bratislava den Halt „Aspern Nord“ ausgespuckt. Ich musste dort etwas auf den Zug warten und war begeistert – eine ziemlich nagelneue U‑Bahn-/Regionalbahn-Haltestelle mitten im Nichts (der Wiener Stadtteil Seestadt Aspern befindet sich noch im Bau), und alles hübsch gestaltet, innen mit Kunst, außen brutalistisch-minimalistisch. Sehr nett.
Kafka am Morgen (oder: Twitterende, Teil 4 von x)
Nicht die Verwandlung, sondern der Prozess – irgendwas wird mir vorgeworfen, aber ich habe keine Ahnung, um was es geht, und was ich (außer auf den Knopf „Einspruch einlegen“) dagegen tun kann. Der übliche morgendliche Griff nach dem Handy, der Klick auf das X, das den blauen Vogel ersetzt hat, führt ins Leere – und ich muss zweimal hinschauen, um zu kapieren, was da steht:
Mein Account ist gesperrt. Eine Mail dazu gab es nicht. Und der Account ist auch gleich „permanent gesperrt“. Keine Verwarnung, kein Hinweis auf „bitte diesen Post löschen“, sondern „permanent gesperrt“. Warum? Weil ich gegen – unfreiwillige Komik – „X Regeln“ verstoßen haben soll. Welche das sind, wird nicht gesagt.
Vermuten kann ich, dass die letzten paar Posts, die Aiwangers jugendliche Freude am Nationalsozialismus kommentiert haben, der Grund für die Sperrung waren. Weiter kann ich vermuten, dass da jemand fleißig Posts gemeldet hat (wobei ich auch dazu keine Informationen bekommen habe, was sonst der Fall ist). Oder es war ein übereifriger Bot. Und ich kenne mindestens einen zweiten Account, der gestern ebenfalls gesperrt wurde.
Vielleicht endet nach 15 Jahren oder so, genaueres müsste ich nachschauen, meine Nutzung von Twitter. Wäre ja auch nicht das schlechteste. Aber wissen, was da hinter steckt, würde ich schon gerne. Insofern bin ich gespannt, ob der Einspruch gegen die Sperre irgendetwas bewegt. All zu viel Hoffnung habe ich allerdings nicht.
Gleichzeitig legt diese Sperre auch offen, wie unbenutzbar Twitter aka X inzwischen ist – theoretisch kann ich mit der Sperre weiter lesen, was auf Twitter gepostet wurde. Praktisch kam sofort die Meldung, dass ein Häufigkeitslimit überschritten ist, und ich doch bitte ein Abo abschließen soll, um weitere Tweets zu lesen. Nee, sicher nicht.
Der Versuch, in meinem Profiltext darauf hinzuweisen, dass der Account gesperrt ist, scheiterte ebenfalls an einem HTML-Fehler (in der ios-App), und der Klick auf „Archiv herunterladen“ führte nur in eine Endlosschleife. Vielleicht ist es einfach so, dass das Ex-Twitter kaputt ist. Dann eben anderswo. Wer mit mir interagieren will: bei Mastodon unter @_tillwe_ geht das weiterhin.
P.S.: Nebeneffekt: ich merke, wie sehr ich das „mal schnell eben auf Twitter gucken“ inzwischen verinnerlicht und als Praxis automatisiert habe. Oder mit Garfinkel: erst die Krise zeigt die Regelstrukturen auf.
Projekte und die Mitte
Man kann sich auch auf Mastodon wunderbar in die Haare kriegen. Und manchmal ist das sogar produktiv. Beispielsweise ist das Ergebnis einer solchen Posting-Schlacht gestern, dass ich seitdem darüber nachdenke, wie das mit Projekten und der Mitte ist, und ob der Mainstream sich umleiten lässt.
Oberflächlich ging’s in der Debatte um soziale Netzwerke. Unabhängig davon kann ich dazu empfehlen, was Dejan Mihajlović heute morgen zu sozialen Netzwerken zwischen Demokratie und Dienstleistung geschrieben hat. Das hat allerdings nur tangential mit dem zu tun, um was es mir geht. Nämlich um die Frage, wie im weitesten Sinne „linke“ Netzwerkprojekte mit Inklusion und Exklusion umgehen. Und diese Frage geht weit über soziale Netzwerke und Open-Source-Digitalprojekte hinaus.
Mir scheint es hier zwei Herangehensweisen zu geben, die – zumindest in ihren Extremen gedacht – nicht, zumindest nur schlecht miteinander zu vereinbaren sind. Und ich bin mir nicht sicher, ob allen immer klar ist, in welchem dieser Modi sie gerade unterwegs sind. „Projekte und die Mitte“ weiterlesen
Zum Aiwanger-Flugblatt
Lange wirkte es so, als seien die Aiwanger-Freien-Wähler in Bayern nur so eine Art CSU neben der CSU. Kein Wunder, dass Markus Söder mit denen koaliert. In den letzten Monaten ist der bayrische Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger immer wieder durch weit nach rechtsaußen offene Äußerungen aufgefallen. Sei es bei Draufhauen auf Bündnis 90/Die Grünen, sei es mit Bemerkungen wie „uns unsere Demokratie wiederholen“.
Seit vorgestern gibt es nun heftige Debatten um ein extrem antisemitisches Flugblatt, dass in Aiwangers Schulzeit in den 1980er Jahren in seinem Schulranzen gefunden wurde, und von dem er jetzt behauptet, dass sein älterer Bruder es verfasst hat. Was nicht unbedingt erklärt, warum es in seinem Schulranzen war, und warum er – also der Vize-MP-Aiwanger, nicht der Waffenhandel-Aiwanger – dafür an der Schule disziplinarisch bestraft wurde. Die Süddeutsche Zeitung berichtet aber nicht nur über das Flugblatt, sondern auch über Hitler-Verehrung. Im Netz kursiert auch ein Bild, auf dem das sehr sichtbar wird.
Unabhängig davon, ob der Aiwanger Hubert das Flugblatt verfasst hat oder nicht – ganz offensichtlich war es etwas, das an seine politische Haltung als Jugendlicher anschlussfähig war. (Und mich würde ja auch interessieren, ob das im Elternhaus, am Wohnort (Rottenburg an der Laaber, knapp 9000 Ew.) bekannt, geduldet oder vielleicht sogar erwünscht war …).
Die spannende Frage ist jetzt: Gab es von den 1980ern bis heute eine Entwicklung beim bayerischen Vize-MP? Oder tickt der im Grunde immer noch so, versteckt das nur besser? Das, was er bisher dazu gesagt hat, klingt nicht nach Entwicklung, sondern nur nach eilfertigem Entschuldigungsversuch im Sinne von Krisenkommunikation. Das heißt, sofern da jetzt nicht noch mehr folgt: Wir müssen uns Hubert Aiwanger als einen Menschen vorstellen, der in seiner Jugend Hitler toll fand – und heute immer noch ganz rechtsaußen steht.
Auf den ersten Blick sieht es nun so aus, dass Markus Söder im bayerischen Wahlkampf damit ein massives Problem hat.
Er hat schon angekündigt, Aufklärung einzufordern. Reicht ihm das Schieben auf den Bruder, die halbgare Entschuldigung? Oder zieht er Konsequenzen? Letztlich müssten die heißen, die Koalition mit den Freien Wählern in Bayern aufzukündigen, und wichtiger noch: sie im Oktober nicht erneut einzugehen. Das wäre konsequent.
Wetten würde ich darauf aber nicht. Aus zwei Gründen. Erstens, weil Söder ja in seiner bisherigen politischen Laufbahn schon durch eine extreme Wendehalsfähigkeit aufgefallen ist, und auch durch die Fähigkeit, irgendwas zu fordern, zu behaupten, anzukündigen und es dann schlicht nicht zu machen.
Und zweitens: die CSU war unter Strauß die Partei, die nichts rechts von sich duldete. Möglicherweise sind sich CSU und FW ideologisch doch näher, als es auf den ersten Blick aussieht. Und wer in Bayern ganz rechts wählen möchte, muss seine Stimme nicht der AfD geben, sondern darf die Freien Wähler stärken, die dann mit der CSU weitermachen dürfen. Wie sie als maßgeblich durch Aiwanger geprägte Partei ticken, ist jetzt klar.
Insofern bin ich mir gar nicht so sicher, ob das Aufdecken dieses Flugblatts im Bayern-Wahlkampf wirklich hilft – oder ob es nicht letztlich ignoriert und wegverdampft wird (von Söder), und heimlich gewertschätzt wird (von den Wähler*innen ganz rechts) – mit der Folge, dass die jetzige Koalition am Schluss gestärkt dasteht.
Photo of the week: Museum quarter – IX
Wie letzte Woche angekündigt, hier ein erster Foto meiner Reise nach Wien (und Bratislava). Mehr Fotos – auch ein paar typischere für Wien – hier auf Flickr; Bratislava und ein paar Wien-Bilder fehlen aktuell noch.
P.S.: Ich wollte auch noch was dazu schreiben, was ich mir in Wien so angeschaut habe: ein Spaziergang über die Donauinsel, die allerdings größtenteils von einem Festival belegt war; eine „Free Walk“-Stadtführung (d.h., pay after) durch Hofburg und Innenstadt; die Ausstellung Science Fiction(s) im Weltmuseum, und wo ich schon mal da war, auch einen Teil der dortigen ethnologischen Sammlung und der Hofburg-Rüstungssammlung (Ritterrüstungen aller möglichen österreichischen Regenten). Das Architekturzentrum Wien mit einem Überblick über österreichische Architektur („Hot Questions – Cold Storage“) und einer Sonderausstellung zur pakistanischen Architektin Yasmeen Lari. Eine Ausstellung zu Austropop im kleinen feinen Theatermuseum. Das Leopold-Museum (Wien um 1900) und in Reaktion darauf dann auch den Secessions-Bau und die dortige Ausstellung von Gegenwartskunst. Natürlich ganz viel Rumspazieren und Gucken. Zentralfriedhof, einmal über den Prater – und einmal zur von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Müllverbrennungsanlage Spittelau. Open-Air-Kino im sehr schönen Augarten („Die Vermieterin“). Und ein halber Tag Bratislava (samt Zugfahrt ab der neuen und architektonisch interessanten Station Aspern-Nord) mit Burg und Altstadt.