Vielleicht gehört zum professionellen Politikmachen ein gewisser Zweckoptimismus. Zugleich verstehe ich, dass die in den letzten Jahren neu aufflammenden Kriege, die demokratiefeindliche Situation in Russland, den USA und China, und nicht zuletzt die sich weiter zuspitzende Klimakrise (von Artensterben und Pandemien gar nicht zu reden) den Eindruck hervorrufen können, dass das Ende der Menschheit, zumindest das Ende einer Geschichte von Fortschritt, Befreiung und der progressiven Ausweitung demokratischer Rechte nun nahe sei. Hierzulande trägt der rechtslastige Zeitgeist genauso wie der tief durchgedrückte Rückwärtsgang der Merz-CDU zu diesem Eindruck bei.
Trotzdem hat es mich erschreckt, wie viele Menschen – in meiner in dieser Hinsicht vermutlich überhaupt nicht aussagekräftigen Mastodon-Blase – davon überzeugt sind, dass wir kurz vor einem globalen Zusammenbruch stehen. Entweder, weil die genannten Auseinandersetzungen und Entwicklungen, kombiniert mit Folgen der Klimakrise wie Dürre, unbewohnbar werdenden Landstrichen usw. zu bürgerkriegsartigen Zuständen führen werden. Oder, auch diese Haltung fand ich in meinem Feed, weil als einziger Weg, die Klimakrise (und den rechten Backlash usw.) noch zu stoppen gesehen wird, auf einen Umsturz zu hoffen. Der dann möglicherweise zu bürgerkriegsartigen Zuständen führt.
Das nicht ganz neue Argument, dass es erst die Revolution geben müsse, bevor die Welt gerettet werden könne (bzw.: dass es erst die Revolution geben müsse, um die Welt zu retten), erschließt sich mir weiterhin nicht. Auch nicht im Klima-Mäntelchen, bzw. erst recht nicht in diesem. Etwas zynisch gesagt: bis ein solches Vorhaben erfolgreich ist, ist es zu spät. Vom CO2-Ausstoss brennender Barrikaden nicht zu reden.
Die Hoffnung, dass es anders geht, dass es möglich sein kann, im Rahmen dessen, was das politische System dafür bereithält, die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen, ist eine zarte Pflanze. Reicht es, darauf zu setzen, das über kurz oder (bitte nicht allzu) lang doch Vernunft sich durchsetzt? Reicht es, dem Markt zuzutrauen, dass er nicht so ideologiegetränkt sein kann, die klaren ökonomischen Vorteile erneuerbarer Energien und elektrischer Antriebe außen vor zu lassen? Ist Vertrauen in Klimaurteile der Höchstgerichte gerechtfertigt (und wenn ja, wie lange noch)?
Das sind in einer Lage, die sich sehr nach Abwehrkampf gegen das Zurück anfühlt, schwierige Fragen, zugegeben. Und aus zum Beispiel dem Wachstum der erneuerbaren Stromerzeugung nicht nur hier, sondern auch in Diktaturen mit einem nüchternen Eigeninteresse Hoffnung zu saugen, mag zu wenig sein.
Mehrheiten können sich ändern, der Zeitgeist schwingt, über die letzten Jahrzehnte gesehen, wild im Wind. No future gab es 1980 schon einmal, gesellschaftliche Aufbrüche 1968 und 1986 genauso wie in den 2000er Jahren und zuletzt 2018. Und an gesellschaftlichen Mehrheiten lässt sich arbeiten, Bündnisse lassen sich schmieden, das Meinungsklima lässt sich verschieben. Das und der mühselige politische Alltag mit seinem Streit um Stellplatzschlüssel, Netzumlagen und Nebensätze in Klimaschutzgesetzen bewirkt etwas. Langsamer, manchmal vergeblich. Aber eben doch.
Was wäre die Alternative? Die, die von einer Klimarevolution träumen, konnten mir bisher nicht sagen, wie der Weg dazu aussehen soll. Wo sind die Polizeitrupps, die sich auf die Seite der Letzten Generation schlagen? Wo sind die wütenden Bürger*innen, die vor Börsen und Konzernzentralen auftauchen? Und ja, auch die öffentlichen Galionsfiguren, auf die sich Aufmerksamkeit fokussiert, sehe ich aktuell kaum.
Oder geht es uns zu gut? Aber in den Krisengebieten sieht es nicht anders aus – wenn da jemand Massen hinter sich versammelt, dann sind es grosso modo rechte Populist*innen.
Was also tun? Ich bin überzeugt davon, dass der einzige erfolgsversprechende Weg der ist, weiter in Gemeinderäten und Parlamenten zu arbeiten, weiter auf Straßen und im Netz zu versuchen, guten Argumenten Nachdruck zu verleihen, weiter das Richtige im eigenen Alltag zu tun – und zu versuchen, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass das Möglichkeitsfenster, das sich beim nächsten Schwingen des Zeitgeistpendels ergibt, dann auch tatsächlich genutzt wird.