Auf dem Gipfel

Was mäch­ti­ge­res als Kanz­ler zu sein, gibt es in Deutsch­land wohl nicht. Im zwei­ten Anlauf wur­de Fried­rich Merz als Bun­des­kanz­ler gewählt und ver­ei­digt. Er ist jetzt also auf dem Gip­fel ange­kom­men – und wohl auch da, wo er immer hin wollte.

Die im ers­ten Anlauf miss­lun­ge­ne Wahl scheint mir in gewis­ser Wei­se sym­pto­ma­tisch für Merz zu sein. Viel­leicht ist sie gar nicht „absicht­lich“ gesche­hen. Ich hal­te es für gut mög­lich, dass es in jeder der drei Par­tei­en ein­zel­ne Abge­ord­ne­te gab, die noch eine Rech­nung offen hat­ten. Die des­we­gen Merz nicht gewählt haben. So wie es bei vie­len Wah­len vor­her immer auch weni­ger Stim­men gab, als eine Koali­ti­on eigent­lich hat­te. Und die dann halt einen Denk­zet­tel dar­stell­ten, aber sonst kei­ne Wir­kung hat­ten. Das war heu­te, ange­sichts der rela­tiv knap­pen Mehr­heit der Koali­ti­on, anders.

Aber das ist Spe­ku­la­ti­on. Wich­ti­ger ist mir, fest­zu­hal­ten, dass offen­sicht­lich nie­mand vor­her dar­über nach­ge­dacht hat, was ein zwei­ter Wahl­gang bedeu­tet. Gab es Pro­be­ab­stim­mun­gen? Gab es Kon­tin­genz­plä­ne? Auf mich wirk­te das nicht so – böse gesagt: stol­per­te Merz zur Kanzlerschaft.

Im Rück­blick war es ähn­lich, als er Mehr­hei­ten mit der AfD in Kauf nahm und erst danach rea­li­sier­te, was da gera­de pas­siert ist. Als er wil­de Wahl­kampf­ver­spre­chen in den Raum stell­te, wohl wis­send, die­se nicht hal­ten zu kön­nen. Oder als es einen Schuss vor den Bug brauch­te, um über das The­ma Schul­den­brem­se und Inves­ti­ti­ons­fonds ordent­lich zu verhandeln.

Pro­fes­sio­nel­les Poli­tik­ma­chen sieht anders aus – so jeden­falls mein Ein­druck. Ob es an feh­len­der Regie­rungs­er­fah­rung liegt, am Selbst­bild, oder ob das alles täuscht – auch dar­über lie­ße sich treff­lich spe­ku­lie­ren. Fest­zu­hal­ten bleibt: den Ein­druck „der kann’s“ – den lie­fert Merz nicht.

Wir haben heu­te eini­ges über den Arti­kel 63 GG und über die GO des Bun­des­tags gelernt.

Merz hat den Gip­fel der Macht erklom­men, mit Abzü­gen in der B‑Note.

Und jetzt nimmt die schwarz-rote Koali­ti­on ihre Arbeit auf. Der Koali­ti­ons­ver­trag ist weni­ger ambi­tio­niert und weni­ger kon­kret als der Ver­trag der Ampel. Sagt die Ber­tels­mann­stif­tung. Alle Ver­trags­par­tei­en haben sich jeweils auf einen „star­ken Mann“ aus­ge­rich­tet – samt der Neben­fol­ge, dass es in der Par­tei­ba­sis hör­bar murrt.

Merz wird nie wie­der so mäch­tig sein wie heu­te. Denn ab heu­te geht es um die Umset­zung. Jeder For­mel­kom­pro­miss wird ab heu­te zum Fall­strick. Und jede Mehr­heit muss orga­ni­siert wer­den. Das poli­ti­sche Geschäft ist anstren­gend und müh­sam. Es fängt jetzt erst rich­tig an. All­zu oft darf es da kei­nen zwei­ten Anlauf mehr geben. Mein Ver­trau­en in die dies­be­züg­li­chen Fähig­kei­ten des Kanz­lers ist begrenzt, muss ich lei­der sagen. Merz ist jetzt Kanz­ler. Ob er Kanz­ler kann, das muss er wei­ter­hin erst beweisen.

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