Kurz: Kategorienfehler

In den letz­ten Tagen ist oft von Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Links und Rechts zu lesen. Das sug­ge­riert eine in Links – Mit­te – Rechts auf­ge­teil­te Gesell­schaft, mit einer Mit­te, die die­ses gan­ze Thea­ter gar nichts angeht. Das ist aber ein kras­ser Kate­go­rien­feh­ler. 80 Pro­zent der Men­schen in Deutsch­land ste­hen zum Grund­ge­setz und zu einer Wert­hal­tung, die nicht wört­lich im Grund­ge­setz steht, die aber viel mit der deut­schen Geschich­te zu tun hat. Dazu gehört eine beson­de­re welt­po­li­ti­sche Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands, dazu gehört der Wert der Soli­da­ri­tät, und dazu gehört es auch, Men­schen, die ver­folgt wer­den, Schutz zu bie­ten. Wenn der Begriff nicht so kaputt wäre, könn­te die­se Wert­hal­tung auch als Leit­kul­tur bezeich­net werden.

Eine klei­ne, radi­ka­le Min­der­heit ver­sucht, die­sen Kon­sens zu zer­stö­ren. Weil die­se klei­ne, radi­ka­le Min­der­heit dafür kei­ne Mehr­hei­ten hat, greift sie zum Bau­kas­ten der Pro­pa­gan­da. Sie sti­li­siert sich selbst als Opfer. Sie behaup­tet, für eine schwei­gen­de Mehr­heit zu spre­chen. Sie ver­sucht, ihre Posi­ti­on als nor­mal dar­zu­stel­len. Sie sucht Anläs­se, um ihre Ideo­lo­gie medi­al wirk­sam aus­brei­ten zu kön­nen. Chem­nitz ist nur ein Bei­spiel für die­ses Vor­ge­hen. Dis­kur­se, Wahr­heit, Fak­ten – das ist die­ser klei­nen, radi­ka­len Min­der­heit egal. Ihr Ziel ist der Bruch mit der his­to­ri­schen Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands. Wenn die­se klei­ne, radi­ka­le Min­der­heit vom Sys­tem­wech­sel spricht, dann greift sie damit Demo­kra­tie, Pres­se­frei­heit und Tole­ranz an.

Das fie­se an die­ser Situa­ti­on ist, dass die­se Stra­te­gie des Rechts­rucks zu ver­fan­gen scheint. Der Ver­fas­sungs­schutz wird sei­ner Auf­ga­be nicht gerecht. Der Opfer-Dis­kurs scheint für Men­schen anschluß­fä­hig zu sein, die sich selbst als Opfer der gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung sehen. Medi­en ori­en­tie­ren sich an Aus­ge­wo­gen­heit und an Neu­ig­keits­wer­ten und prä­sen­tie­ren die Posi­tio­nen die­ser klei­nen, radi­ka­len Min­der­heit als „die eine Sei­te“, der „die ande­re Sei­te“ gegen­über gesetzt wer­den muss. Sozia­le Medi­en kata­ly­sie­ren alles, was Auf­merk­sam­keit erregt, und het­zen damit die Stim­mung an. Und man­chen Propagandist*innen aus der gro­ßen Mehr­heit scheint es ganz recht zu sein, mit dem rech­ten Feu­er zu spie­len, in der Hoff­nung, selbst davon zu pro­fi­tie­ren. Wir haben ein Pro­blem. Daher mache ich mir Sor­gen um den his­to­ri­schen Kon­sens in die­sem Land – und hof­fe, dass eine Bewe­gung wie #wir­s­ind­mehr einen Bei­trag dazu leis­tet, Soli­da­ri­tät, Frei­heit, Demo­kra­tie und Ver­ant­wor­tung als unse­re Wert­hal­tung zu schützen.

2 Antworten auf „Kurz: Kategorienfehler“

  1. Deutsch­land ist nicht mehr gespal­ten als es schon vor 10 Jah­ren war. Es gibt in unse­rem Land schon immer unter­schied­lich Mei­nun­gen und Inter­es­sen. Etwas dar­über ob es ange­mes­sen ist über homo­se­xua­li­tät in der Schu­le zu spre­chen, wie man 8. Mai zu geden­ken hat, ob der Holoc­sust ein­ma­lig sei oder nicht, Deutsch­land sich an der Bom­bar­die­rung Ser­bi­ens betei­li­gen soll, die Homo­ehe gut ist oder in Stutt­gart der Bahn­hof ver­senkt wer­den soll. Das sind die Kond­lik­te die mir so beim Nach­den­ken kommen.

    Das gan­ze nor­ma­le euro­päi­sche Par­tei­en­sys­tem orga­ni­siert sich rund um Kon­flikt oder Bruch­li­ni­en wie Arbeit – Kapi­tal, Stadt – Land oder Kir­che – Staat und viel­leicht Neu­er­dings um Kos­mo­po­li­tis­mus (Grü­ne) ver­sus Abgren­zung (AfD und lei­der auch CSU und gele­gent­lich weni­ger Krass die FDP und Linke). 

    Daher ist die­se Spal­tung des Lan­des wegen Flücht­lin­ge eine eher rech­te Argu­men­ta­ti­ons­fi­gur, die mir zum ers­ten Mal bei „wir sind Deutsch­land – gemein­sam sind wir stark“ (Plau­en) mas­siv unterkam.

    1. Ich sehe einen Unter­schied zwi­schen Inter­es­sen und Bruch­li­ni­en, die ganz nor­mal vom Par­tei­en­sys­tem bear­bei­tet wer­den, und einem grund­le­gen­den Auf­kün­di­gen des Kon­sens der beson­de­ren his­to­ri­schen Ver­ant­wor­tung Deutschlands.

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