Ich hadere ja noch etwas mit der am 25. Mai anstehenden Kommunalwahl. Oder, genauer gesagt, nicht mit der Kommunalwahl selbst, sondern mit der Frage, wie ich meine 48 Stimmen verteilen soll. (Sollten hier Menschen mitlesen, die nicht aus Baden-Württemberg sind: Nein, das ist kein Tippfehler. Bei der Kommunalwahl gibt es hier soviel Stimmen wie Sitze – in einer größeren Stadt wie Freiburg eben z.B. 48, in Stuttgart sogar 60. Diese Stimmen können beliebig auf die – in Freiburg 13 – antretenden Listen verteilt werden, je KandidatIn sind bis zu drei Stimmen möglich. Kumulieren und Panaschieren nennen wir das.)
Eigentlich ist es ja ganz einfach. Ich bin zu 90 Prozent grün, und finde die Arbeit der grünen Stadtratsfraktion durchaus erfolgreich. (Übrigens: Es gibt im Freiburger Stadtrat keine 5%-Hürde und es gibt wechselnde Mehrheiten. Auch OB und Fraktion sind nicht immer einer Meinung. Weswegen es mal sehr sinnvolle Entscheidungen gibt – zum Beispiel zum Thema Wagenstellplätze, mit den Grünen -, und mal ziemlich dämliche – zum Beispiel die Einführung eines kommunalen Ordnungsdienstes, CDU und SPD gegen Grün). Insofern wird die übergroße Zahl meiner Stimmen sicherlich an die grüne Liste 1 gehen. Aber was mache ich mit den 10 Prozent, wo ich nicht grün mit den Grünen bin? Unser wunderbares Wahlsystem erweckt den Eindruck, dass ich das in meinem Wahlverhalten abbilden kann – ich könnte Stimmen an Personen auf einer der links-alternativen Listen geben. Allerdings ist das mit dem Panaschieren in der Praxis etwas komplizierter: Ich gebe meine Stimmen zwar einer Person, letztlich, kommen sie aber der jeweiligen Liste insgesamt zu Gute. Je weiter unten eine präferierte Person auf der Liste steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass mit meiner Stimme jemand anderes (nämlich Platz 1 oder 2) in den Gemeinderat wähle. Was die Sache nicht einfacher macht.
Aber selbst wenn ich mich für eine rein grüne Stimmabgabe entscheide, bleiben Fragen offen, wenn ich mich über den umfangreichen Stimmzettelblock beuge. Laut statistischem Amt der Stadt Freiburg gibt ca. ein Viertel der WählerInnen einen unveränderte Stimmzettel abgeben. Der Rest kumuliert (gewichtet also) oder schreibt Namen von anderen Listen dazu – übrigens gibt es in der städtischen Wahlanalyse auch schöne Aussagen dazu, welche Kombinationen besonders oft vorkommen. Die unveränderten Stimmzettel erhöhen die Chancen der oberen Listenplätze deutlich. Hier durch Häufeln von Stimmen selbst Schwerpunkte zu setzen, die dann etwas an der Zusammensetzung der Fraktion setzen, muss also wohl überlegt sein. Eine Woche habe ich noch dafür …
Die unveränderten Stimmzettel haben keinerlei Einfluß darauf, wer von der Liste gewählt wird. Es sind alleine die veränderten Stimmzettel, die die Chancen der oberen Listenplätze erhöhen. Stell dir z.B. jemanden vor, der Grünwähler ist, aber z.B. einen Freien Wähler aus der Kirchengemeinde und einen Linken aus der Nachbarschaft kennt. Der wählt dann letztere vielleicht mit drei Stimmen. Die restlichen Stimmen gibt er dann den Grünen, da er die aber nicht persönlich kennt, verteilt er – mehr oder weniger von oben – die Stimmen auf der Grünen Liste. Da macht auch der, der bestimmt Leute auf der Grünen Liste kennt: Denen gibt er drei Stimmen und die anderen Stimmen werden dann von oben verteilt…
Mein Gedankengang war in etwa: Ein unveränderter Stimmzettel enthält keine Information über die Gewichtung, d.h., die Reihenfolge der Liste wird relevant. (Wenn alle BewerberInnen einer Liste die gleiche Stimmenzahl bekommen, entscheidet der Listenplatz). Aber vermutlich hast du recht, dass einfach viele von oben herab wählen.
Das ist übrigens auch der Grund, weshalb der Listenplatz wichtiger wird, je größer die Gemeinde ist: Man kennt nicht mehr so viele Leute, dass man bekannte wählen würde. In sehr kleinen Gemeinden spielt der Listenplatz eine geringere Rolle, weil man sich kennt.
48 Kreuze sind ja noch harmlos ;-)
Bei der letzten Kommunalwahl in Hessen habe ich in Kassel gewählt: Dort hatte ich für die Wahl der Stadtverordnetenversammlun 71 Stimmen auf neun Listen zu verteilen (wobei nur CDU und SPD auch komplette Listen aufgestellt hatten). Der Stimmzettel war im handlichen DIN-A1-Format, wie auf diesem Foto zu erahnen.