Jugendverbandsnostalgie

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Heu­te abend fei­ert die Grü­ne Jugend ihren 20. Geburts­tag. Ein wenig weh­mü­tig lese ich die Tweets aus Ber­lin – mit­ten unter der Woche war mir der Weg aus dem Süd­wes­ten dann doch zu weit. 

Aber, ihr ahnt es schon: Ich bin einer von denen, die dazu bei­getra­gen haben, dass es seit 20 Jah­ren einen bun­des­wei­ten grü­nen Jugend­ver­band gibt. In eini­gen Län­dern schon län­ger. In Baden-Würt­tem­berg war ich 1991 mit dabei, als die „Grün-Alter­na­ti­ve Jugend“ ins Leben geru­fen wur­de (in Bie­tig­heim-Bis­sin­gen, wenn ich mich rich­tig erin­ne­re), und auch im Janu­ar 1994 in Han­no­ver war mei­ne Stim­me eine, die mit über Pro­gramm, Logo und Name („Rosa-Luxem­burg-Jugend“, anyo­ne?) ent­schie­den hat. (Ich mei­ne, es gab auch davor schon mal ein Vor­tref­fen in der dama­li­gen Bon­ner Par­tei­vil­la – da erin­ne­re ich mich jeden­falls auch noch dun­kel dran …)

HOEHNTRDamals, zu die­sen lan­ge zurück­lie­gen­den Zei­ten, hieß das gan­ze natür­lich nicht schnö­de „Grü­ne Jugend“ und war natür­lich auch kei­ne Teil­or­ga­ni­sa­ti­on der Par­tei. Nein, stolz auf unse­re Unab­hän­gig­keit nann­ten wir uns letzt­lich Grün-Alter­na­ti­ves Jugend­bünd­nis. Und seit damals gibt es Alt­grüns und Jung­grü­ne, einen Ort, um meist etwas lin­ke­re (und manch­mal etwas kon­ser­va­ti­ve­re) Posi­tio­nen als der Rest der Par­tei zu ver­tre­ten, einen Ort, um sich ken­nen­zu­ler­nen, Bezie­hun­gen zu star­ten und wie­der zer­bre­chen zu sehen, und ja, auch das, was unse­re Eltern damals befürch­te­ten (nein, ich rede jetzt nicht vom Dro­gen­kon­sum auf den Kon­gress­sen, und auch nicht vom Schwel­gen in Uto­pien und Radi­ka­li­tä­ten): Für eini­ge wur­de die GAJB zum wun­der­ba­ren Kar­rie­re­sprung­brett in Land­ta­ge, Bun­des­ta­ge und ins Euro­pa­par­la­ment. Spon­tan fal­len mir bei­spiels­wei­se min­des­tens zwei vier grü­ne Lan­des­mi­nis­ter ein, die ihre Kar­rie­re im Grün-Alter­na­ti­ven Jugend­bünd­nis gestar­tet haben.

Sommercamp 1999

Aber das GAJB war eben immer auch mehr als der Ein­stieg in die Och­sen­tour und das Außen­la­ger fürs Radi­ka­le, und nach allem, was ich, längst von der Bio­klip­pe gesprun­gen, heu­te noch so von der Grü­nen Jugend mit­krie­ge, hat sich das gar nicht mal unbe­dingt so groß­ar­tig geän­dert: Mir fal­len spon­tan auch ziem­lich vie­le Leu­te ein, die beim GAJB mit­ge­macht haben, mal in die Poli­tik rein­ge­schnup­pert haben, dann aber nicht den gro­ßen Kar­rie­re­weg gestar­tet haben, son­dern ganz woan­ders gelan­det sind. 

GAJBBUVOUnd nicht nur, weil sich da bio­lo­gisch was bewegt hat, haben Bünd­nis 90/DIE GRÜNEN, hat die Alt­par­tei auch was vom GAJB und sei­ner Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on gelernt. Dass manch­mal Groß­grup­pen­mo­de­ra­ti­ons­me­tho­den auch auf Par­tei­ta­gen sinn­voll sind. Dass der hef­ti­ge Flü­gel­kampf nicht unbe­dingt mit per­sön­li­chen Feind­schaf­ten ver­knüpft wer­den muss (egal, wie sehr Anzug­trä­ger mit Sala­mi­piz­za pro­vo­ziert haben). Dass ein Hauch Radi­ka­li­tät der Par­tei gut zu Gesicht steht. Und dass Poli­tik auch eine Ange­le­gen­heit bun­ter und viel­fäl­ti­ger Aktio­nen sein kann.

Neben jeder Men­ge – teil­wei­se, auch Face­book sei dank, bis heu­te akti­ver – per­sön­li­cher Bekannt­schaf­ten mit span­nen­den Leu­ten ver­dan­ke ich der Grü­nen Jugend und dem GAJB natür­lich viel poli­ti­sche Sozia­li­sa­ti­on. Ich habe in mei­ner Zeit dort (als Ver­tre­ter für Baden-Würt­tem­berg, als Basis auf Kon­gres­sen, als Mit­glied der Grund­satz­pro­gramm­kom­mis­si­on, zeit­wei­se auch als Web­mas­ter und Lay­ou­ter) ziem­lich viel über Poli­tik, Prä­si­di­en und die Kunst der Kom­pro­miss­bil­dung gelernt. Din­ge, die bis heu­te nütz­lich sind. Ich habe die wich­tigs­ten deut­schen Städ­te ken­nen und Ram­pen­plan-Frass lie­ben gelernt. Ich bin zum Vege­ta­ri­er gewor­den, alter­na­ti­ve Lebens­sti­le ent­deckt und Spaß dran gefun­den, poli­ti­sche Tex­te zu schrei­ben. Ich weiß seit mei­ner Zeit beim GAJB, wie wich­tig es ist, bis spät in die Nacht über Din­ge zu reden, und dass Lager­feu­er­camps durch­aus nett sein kön­nen. Ich war mit dabei, als es dar­um ging, über Poli­tik, Com­pu­ter und das auf­kom­men­de Mas­sen­in­ter­net zu dis­ku­tie­ren. Und ja, dass „Gen­der“ für mich eine Rol­le spielt, auch das hat was mit dem GAJB zu tun.

FF Medien auf der Expo-Weltausstellung in HannoverKurz­um: Ein poli­ti­sche Jugend­ver­band ist eine net­te Sache, jeden­falls wenn’s einer wie die­ser ist. In die­sem Sin­ne wün­sche ich der aktu­el­len Grü­ne-Jugend-Mit­glied­schaft viel Spaß – macht wei­ter so!

War­um blog­ge ich das? Aku­te Nost­al­gie­an­fäl­le, befürch­te ich. (Und ja, 1994 waren Digi­tal­ka­me­ras und Smart­phones lei­der noch nicht so weit ver­brei­tet – die Fotos, die ich hier ein­ge­fügt habe, sind alle ein biss­chen älter – 1998 bis 2000, so etwa.)

P.S.: Das obe­re Foto zeigt den 10. GAJB-Kon­gress in Schwe­rin (1998) (sie­he S. 18 der 10-Jah­res-Chro­nik), das unte­re Grup­pen­bild dürf­te auf dem Som­mer­camp 1998 ent­stan­den sein.

3 Antworten auf „Jugendverbandsnostalgie“

  1. Oh, wie fein! Ich hat­te nicht mal Zeit den tweets zu folgen…
    Das Bild von Olli und Uwe ist super. 

    Und die größ­te Pro­vo­ka­ti­on waren nicht die Sala­mi­piz­zen der Anzug­trä­ger, son­dern die Anträ­ge Schnit­zel I und Schnit­zel II. ^^

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