Meine siebenjährige Tochter wollte – ich weiß gar nicht, wie wir darauf gekommen sind – von mir heute wissen, warum ich eigentlich nicht „gehochzeitet“ habe. Also, warum ich mit meiner Expartnerin nicht verheiratet gewesen bin. Das lässt sich durchaus erklären, und letztlich läuft es darauf hinaus, dass ich der Meinung bin, dass es Staaten nichts angeht, wer mit wem eine Partnerschaft eingeht. Insofern nervt mich manchmal auch das konservative Element, dass mit der (begrüßenswerten, und eigentlich selbstverständlichen) Öffnung der Ehe für homosexuelle Beziehungen eingeht.
Interessant an der Frage fand ich eher, dass es mir vor dem Kontext „nicht verheiratet gewesen, Kinder, inzwischen getrennt“ ziemlich schwerfällt, meiner Tochter kindgerecht zu erklären, um was es bei Heiraten, Ehe und Hochzeiten eigentlich geht. Sie meinte, heiraten hätte etwas mit verliebt sein zu tun. Waren wir, haben trotzdem nicht geheiratet. Mein Erklärversuch: „Ein Fest, damit auch andere das mitkriegen, das zwei zusammen sind, und dann wird das noch (vom Staat) aufgeschrieben, damit es alle wissen.“ Ist das die Essenz von Heiraten heute – oder wie würdet ihr einem Kind erklären, was Ehe ausmacht und wozu es diese gibt?*
* Um das ganze etwas zu erschweren, gibt es dabei einige nicht erlaubte Erkläransätze. Zu kompliziert darf es nicht sein, über das Thema Steuerersparnis durch Ehegattensplitting bei asymmetrischen Einkommensverhältnissen aufgrund von geschlechterstereotypen Arbeitsplätzen kann ich mit einer Siebenjährigen schlecht reden. Und alles, was unsere Lebensumstände de-normalisiert, geht natürlich auch nicht (also sowas wie „Eine Ehe ist, wenn zwei Menschen ihr Leben zusammen verbringen wollen.“ – galt auch für uns, geht prinzipiell, ohne zu heiraten, oder „Ein Mann und eine Frau heiraten, um Kinder zu bekommen.“ – nö!).
Die juristisch angehauchte Sicht: Die Ehe als eine Art „vorformulierte“ Verabredung, die Zukunft miteinander verbringen zu wollen – mit entsprechende Folgen für alle Lebenslagen. Z.B. die Pflicht, füreinander da zu sein, wenn es einem Partner mal nicht so gut geht. Das Geld zu teilen, das man erhält (wenn man keine Gütertrennung vereinbart). Und dafür auch bestimmte besondere Vorteile zu bekommen – zB dem Staat gegenüber gerade nichts offenbaren zu müssen, was die/den Ehepartner_in betrifft (Zeugnisverweigerungsrechte).
Insofern würde ich Dir, Till, auch dahingehend widersprechen, dass die Ehe etwas ist, das man vor allem dem Staat gegenüber eingeht. Man könnte die Ehe vielleicht eher mit „Partnerschafts-AGB“ vergleichen, die der Staat vorgibt – und die alles in allem auch gar nicht so unvernünftig sind. Natürlich kann man das auch ganz autonom vereinbaren – wenn man denn im Vorhinein dran denkt und das nicht alles viel zu „unromantisch“ findet… ;)
Die Sicht finde ich ja nicht so blöd. Und mit meinem „Staat geht es nichts an“ meinte ich auch nicht, dass die Ehe eine Relation zum Staat ist, sondern dass der Staat ein ganz bestimmtes Subset möglicher intimer Partnerschaften rechtlich anerkennt, andere aber nicht.
So: Und jetzt bitte nochmal für Siebenjährige.
Mh. Ich hatte mich eigentlich bemüht, den oberen Absatz halbwegs kindkompatibel zu schreiben…ersetze „vorformuliert“ vielleicht durch „vorgeschrieben“…? :)
Jetzt fällt mir gerade auf, dass „vorgeschrieben“ ja auch „verpflichtend“ heißen kann. Mpf. „Vorgeschlagen“ ?
Also ich glaube, dass es den Siebenjährigen, die ich so kenne, viel zu kompliziert wäre. Was ist denn eine „(vorformulierte) Verabredung“? Und wer ist dieser „Staat“?
Und dann war da noch das Kleingedruckte: Bis auf das Zeugnisverweigerungsrecht (und die Frage, was an Geld genau geteilt wird und was nicht …) entspricht das dem Geist der unehelichen Partnerschaft, in der Z. aufgewachsen ist. Das heißt, der Unterschied zwischen Verheiratet sein und dem, was meine Tochter kennt, liegt bei der Formulierung oben in der staatlichen Anerkennung (die aber zum Glück mit gemeinsamer Sorge, … immer stärker aufweicht) und in dem „vorformuliert“. Schwierig.
Na ja. Oder eben in der Tatsache, dass die „Verabredung“ als Ehe auch dann durchsetzbar ist, wenn man sich irgendwann eben nicht mehr einig ist? Das ist doch der (wahrscheinlich) entscheidende Unterschied zu einer bloßen unverbindlichen „Abmachung“. Man kann eben auch verlangen, dass sich die andere Person daran hält – und notfalls vor Gericht gehen.
Sehr polemisch zugespitzt: Heiraten tun Menschen, um sich notfalls verklagen zu können?!
Ehe hat mehrere Dimensionen: Versprechen gegenseitiger Verantwortung, Bekräftigung persönlicher Nähe, religiöser Hintergrund als heiliges Sakrament, Verantwortungs- und Versorgungsgemeinschaft in den Augen des Staates. All diese miteinander vermengten Bedeutungen sind gar nicht so einfach auseinanderzufieseln, weshalb ich mich auf das Verhältnis Ehe – Staat konzentriere. Dazu muß man aber auch Staat erklären.
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Damit wir alle zusammenleben können, gibt es Regeln. Z.B. damit niemand überfahren wird, darf man bei einer roten Ampel nicht über die Straße gehen. Daß die Farbe zum Stehen rot und zum Gehen grün ist und nicht umgekehrt, darauf haben sich die Menschen, die hier in Deutschland leben, mal drauf geeinigt. Also nicht alle, sondern ihre Vertreter [hier kannst/mußt du ggf. Gesetzgebung ausführen, je nach Bedarf]. Und damit das, worauf man sich einigt, auch eingehalten wird, gibt es den Staat. Der kontrolliert das, z.B. durch Polizisten.
Genauso haben sich die Menschen drauf geeinigt, daß sie es unterstützen wollen, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen wollen und füreinander sorgen. Denen gibt der Staat besondere Rechte: Man darf dann etwas, was andere nicht dürfen. Z.B. wenn einer aus einer solchen Verantwortungs- und Sorgegemeinschaft so krank wird, daß er nicht mehr mit den Ärzten reden kann, dürfen die anderen aus der Gemeinschaft mit dem Arzt besprechen, wie er den Kranken behandeln soll. Das darf nicht jeder.
[Hier weiß ich nun nicht genau, inwiefern auch Unverheiratete das dürfen. Kann sein, daß mir das ganze Beispiel um die Ohren fliegt. Dann mußt du dir ein neues suchen ; )]
Der Staat nimmt an, daß so eine Gemeinschaft bei nahen Verwandten wie Geschwistern oder Eltern und Kindern besteht. Die dürfen das automatisch. Aber er läßt auch andere solcher Gemeinschaften zu. Dazu muß der Staat aber wissen, wer so eine Gemeinschaft bilden will. Will man also die besonderen Rechte haben, muß man sich beim Staat melden und eintragen lassen. Der schreibt dann ein Dokument, mit dem z.B. dem Arzt beweisen kann, daß man diese besonderen Rechte hat, wenn der das einem nicht glaubt.
Eine von diesen Gemeinschaften ist die Ehe, wo sich zwei Leute sich versprechen, füreinander zu sorgen.
[Als anderes Beispiel fiele mir beispielsweise noch die vom Richter bestellten Betreuer ein, aber ich scheue mich davor, das mit der Ehe gleichzusetzen, und fürchte, es könnte zu verwirrend werden. Siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Betreuung_%28Recht%29%5D
Aber niemand muß sich eintragen lassen. Die Ehe ist freiwillig, und viele Leute kommen auch gut ohne Heirat zurecht. …
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Der erste Absatz ist sehr knapp, da mußt du vielleicht weiter ausholen, damit am Ende nicht noch die Polizisten die Ehe kontrollieren.
So weit mal meine ersten Gedanken dazu. Sind sie hilfreich?
Klingt zumindest mal verständlich, auch wenn es so auf das Verhältnis zum Staat reduziert eher nach dem französischen Pacs (eingetragene Partnerschaft, such für Heteros) klingt. Letztlich sind es die vielen vermengten Aspekte, die das Erklären erschweren.
Schade übrigens, dass die Diskussion so zerfranst – in meiner Facebook-Timeline gibt es einige lesenswerte Kommentare. Eine Definition, die ich direkt zugeschickt bekam, möchte ich euch nicht vorenthalten:
„Früher haben viele geheiratet, weil es für einen Mann und eine Frau nicht erlaubt war ohne Hochzeit zusammen zu wohnen. Heute heiraten auch viele, weil sie finden, dass es ein schöner Brauch ist, weil sie Lust haben so ein großes Fest zusammen zu machen, genau wie ihre Eltern und Großeltern.“
Ohne das jetzt detailiert historisch recherchiert zu haben war für mich gefühlt die Ehe immer ein religiöses Ritual. Und dass Menschen „nicht-kirchlich“ heiraten eher so eine Anomalie, entstanden in einer Zeit, in der viele Menschen sich von der Religion lösen wollten, aber sich nicht getraut haben, deren Rituale komplett abstreifen.
Insofern wär glaube ich meine Antwort: Heiraten tun Leute weil’s in der Bibel (respektive anderem religiösen Werk) steht. Und weil man sich so daran gewöhnt hat, tun es manche auch dann noch, wenn für die die Bibel nichts mehr bedeutet.
Da ich selbst Laie in Sachen Kindererziehung bin, aber die Frage auch spannend finde, habe ich Eltern in meinem Bekanntenkreis gefragt, deren Kinder in absehbarer Zukunft sieben werden.
Vater eins meinte, er würde tatsächlich so ehrlich sein und das damit begründen, dass durch die Ehe am Ende mehr Geld in der Haushaltskasse ist. Ein anderer Grund falle ihm selbst eben nicht ein. Details wie Steuerrecht oder Ehegattensplitting brauchte man dazu nicht zu nennen,
Mutter zwei gab an, sie würde als Grund „rechtliche Vorteile“ nennen. Auch ihr falle da nichts besseres ein und da der Vater Jurist ist, versteht der Sohn den Begriff „rechtlicher Vorteil“ mit sieben auch schon.
Beide habe ich noch gefragt, was sie denn zu der zu erwartenden Nachfrage „Und warum ist das so?“ entgegnen würden. Hier stimmten sie überein, dass man gegenüber dem eigenen Kind ja nicht rechtfertigen müsse, was man selbst nicht für sinnvoll halte.
Schön auch ein Beitrag eines weiteren Nichtvaters, der das Gespräch mitbekam und meinte, man könne Siebenjährigen ja auch die Vorteile einer GmbH schwer erklären.
Der Stellenwert der Ehe ist also zumindest in meinem Bekanntenkreis eher so mittel und vielleicht sollten wir da einfach auch nichts beschönigen.