Willkommen an Bord, Piraten!

City beach

„Will­kom­men an Bord“ – so kom­men­tier­te Clau­dia Roth das Ber­li­ner Wahl­er­geb­nis. Und in der Tat: in die­sem an Über­ra­schun­gen rei­chen Wahl­jahr ist den Pira­ten und den Ber­li­ner Wäh­le­rIn­nen eine wei­te­re Über­ra­schung gelun­gen. Nach den ers­ten Hoch­rech­nun­gen liegt die Pira­ten­par­tei zwi­schen 8 und 9 Pro­zent, und ist damit so deut­lich ins Abge­ord­ne­ten­haus ein­ge­zo­gen, dass mög­li­cher­wei­se die 15 Sit­ze, die die Pira­ten in Ber­lin auf­ge­stellt haben, nicht aus­rei­chen und Man­da­te leer blei­ben. Also ein groß­ar­ti­ger Ein­stieg in die Welt der Lan­des­par­la­men­te – und damit der „gro­ßen“ Politik.

Wenn ich es wagen wür­de, hier aus dem fer­nen Süd­wes­ten eine Ver­mu­tung dar­über abzu­ge­ben, war­um den Pira­ten die­ser Erfolg gelun­gen ist, dann wür­de ich sagen, dass es drei Fak­to­ren waren:

1. Ber­lin
2. Rena­te Kün­ast, oder die Schwä­che der Grünen
3. Kla­re Protestalternative

Zu 1.: Ber­lin ist unbe­strit­ten die Stadt der Digi­tal­sze­ne in Deutsch­land. Und auch wenn sämt­li­che ande­re Par­tei­en wich­ti­ge For­de­run­gen die­ses Milieus auf­ge­nom­men haben, ist hier der Reso­nanz­bo­den für eine neue, netz­po­li­tisch fokus­sier­te Bewe­gung (und Par­tei) grö­ßer als anders­wo. Ber­lin ist Stadt (und kein Flä­chen­land), Ber­lin ist arm (d.h. auch: Bür­ger­en­ga­ge­ment bedeu­tet hier was ande­res), Ber­lin ist inno­va­tiv – so unge­fähr könn­ten die Stich­wor­te lau­ten, die dazu die­nen, die­ses Bild festzustecken.

Zu 2.: Ich ken­ne noch kei­ne Wäh­ler­wan­de­rungs­ana­ly­sen, gehe aber davon aus, dass ein nicht klei­ner Teil der Pira­ten­wäh­le­rIn­nen vor eini­gen Mona­ten noch mit dem Gedan­ken gespielt hat, grün zu wäh­len. Die Grü­nen lie­gen in den ers­ten Hoch­rech­nun­gen bei etwa 18 bis 19 Pro­zent und auf Platz 3. Vor einem Jahr wäre das noch ein sen­sa­tio­nel­les Ergeb­nis gewe­sen, heu­te ist es fast schon eine gefühlt ver­lo­re­ne Wahl. Rena­te Kün­ast und der Ber­li­ner Wahl­kampf der Grü­nen schei­nen es nicht geschafft zu haben, Reso­nan­zen zum Vibe die­ser Stadt her­zu­stel­len – jeden­falls nicht in dem Maß, das z.B. für grün-rot not­wen­dig gewe­sen wäre. Viel­leicht ist vie­len – ganz ande­res als in Baden-Würt­tem­berg – auch ein­fach nicht klar genug gewor­den, was eine grü­ne Regie­ren­de Bür­ger­meis­te­rin an grund­sätz­lich Ande­rem mög­lich gemacht hätte. 

Rech­ne­risch besteht jetzt für Klaus Wowe­reit die Mög­lich­keit, Rot-grün oder Rot-schwarz als Koali­ti­on anzu­ge­hen – oder in Rich­tung eines Drei­er­bünd­nis­ses inkl. Pira­ten­par­tei zu schil­len. Letz­te­res hal­te ich für unwahr­schein­lich. Rot-grün erscheint mir per­sön­lich als die kla­re­re und poli­tisch sinn­vol­le­re Alter­na­ti­ve – dann muss aber in den nächs­ten Jah­ren klar wer­den, wo die grü­ne Linie steckt.

Kurz und knapp: Der Erfolg der Pira­ten hat auch etwas damit zu tun, dass vie­le poten­zi­el­le Wäh­le­rIn­nen letzt­lich den Pira­ten eher als uns Grü­nen den Hoff­nungs­schim­mer des neu­en und ande­rern zuge­traut haben. Da fehl­te es Rena­te Kün­ast schlicht und ein­fach an Aura und Charisma.

Zu 3.: Als drit­ten Punkt, der aus mei­ner geo­gra­phisch fer­nen Sicht den Erfolg der Pira­ten mög­lich gemacht hat, ist das brei­te Pro­gramm zu nen­nen. Die Par­tei ist nicht nur mit Netz­po­li­tik und Über­wa­chung, son­dern auch mit The­men wie Mindestlohn/Grundeinkommen, Bil­dung und quee­rer Bür­ger­rech­te in den Wahl­kampf gezo­gen – und hat sich damit als breit auf­ge­stell­te Alter­na­ti­ve prä­sen­tiert. Das scheint ange­kom­men zu sein.

Damit bleibt mir, den Pira­ten viel Erfolg im Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus zu wün­schen. Ich bin sehr neu­gie­rig dar­auf, was die Pro­fes­sio­na­li­täts- und Kon­for­mi­täts­er­war­tun­gen des poli­ti­schen Nor­mal­be­triebs mit die­ser Par­tei machen. Auch das wird ent­schei­dend dafür sein, ob es bei einem Ber­li­ner Kurio­sum bleibt, oder ob sich die Pira­ten mit dem 18.9.2011 als Start­schuss bun­des­weit auf­ma­chen, die FDP als unmo­ra­li­sche Bür­ger­rechts­par­tei abzu­lö­sen (im Gegen­satz zum bür­ger­recht­li­chen Mora­lis­mus mei­ner Partei).

War­um blog­ge ich das? Weil ich (sie­he letz­ten Blog­ein­trag) zwar mit einem Ein­zug der Pira­ten ins Abge­ord­ne­ten­haus gerech­net habe, aber nicht mit einem so ful­mi­nan­ten Einzug.

Wie geht die Berlin-Wahl aus?

Mein Tipp: SPD 31%, GRÜNE 21%, CDU 19%, LINKE 13%, PIRATEN 5,01%, FDP 4%, Sons­ti­ge Rest.

Und letzt­lich ent­schei­det sich Wowe­reit trotz­dem für die knap­pe rot-schwar­ze Mehrheit.

Was meint ihr? Und warum?

Photo of the week: Rieselfeld cloudscape II

Rieselfeld cloudscape II

 
Ich has­se es ja eigent­lich, wenn zwi­schen zwei Fotos der Woche kein neu­er Con­tent steht (ins­be­son­de­re die nächs­ten Tei­le von „Bran­dung“, die ich nur noch schrei­ben muss, deren Inhalt ich aber schon ken­ne)* – aber die­se Woche habe ich eine gute Aus­re­de. Nein, gleich zwei. Ers­tens hat­te ich letz­te Woche einen vier­stün­di­gen Zahnarzttermin. 

Und zwei­tens ändert sich gera­de mein beruf­li­cher Sta­tus, was mit eini­gem Zusatz­auf­wand ver­bun­den ist: In den letz­ten drei Mona­ten war ich ja per­sön­li­cher wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter bei Alex­an­der Salo­mon MdL. Ab Mon­tag arbei­te ich – mit ähn­li­chen The­men­schwer­punk­ten (sprich: Medi­en, Netz­po­li­tik, Kul­tur) – als par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter der Land­tags­frak­ti­on GRÜNE in Baden-Würt­tem­berg. Span­nend, und eine Auf­ga­be, auf die ich mich freue – aber auch ein Grund, war­um ich die­se Woche nicht zu viel ande­rem gekom­men bin.

Ach so, das Foto: Zeigt das zwer­gen­bun­te Frei­bur­ger Rie­sel­feld mit spät­som­mer­li­chen Wolken.

* Auch im Grün­zeug am Mitt­woch habe ich die­se Woche nichts geschrie­ben. Noch nicht mal über bw-jetzt.

Kurz: Was Kinder sehen sollen

Über „Boing­Bo­ing“ bin ich auf die Web­site thekidshouldseethis.com auf­merk­sam gewor­den. Zu deutsch: Das Kind soll’s sehen. Und was? Vor allem Video­clips, ab und zu auch ande­re Ein­trä­ge, die optisch anspre­chend sind, natur­wis­sen­schaft­li­che Zusam­men­hän­ge erklä­ren oder tech­ni­sche Rät­sel stel­len. Also Robo­ter­vö­gel, sich selbst ent­fal­ten­de Mikro­o­ri­ga­mi oder Zeit­lu­pen­auf­nah­men von Blit­zen. Aus­ge­wählt unter akti­ver Mit­wir­kung eines oder einer drei­jäh­ri­gen Ko-KuratorIn. 

Ich hab’s heu­te abend mal aus­pro­biert, und fest­ge­stellt, dass mei­ne fünf­jäh­ri­ge Toch­ter ziem­lich viel davon auch span­nend fand. Ein­zi­ger Nach­teil: Wenn es eine Sei­te wie die­se (und das da zusam­men­ge­stell­te You­tube- und Vimeo-Mate­ri­al …) auch auf deutsch gäbe, wären man­che Film­chen etwas weni­ger erklär­be­dürf­tig. Ins­ge­samt eine schö­ne Sache – macht jemand einen loka­len Able­ger davon auf?