Der vierte Teil meiner SF-Geschichte „Brandung“.
Brandung (4)
Wochenende. Gelegenheit, um auszuschlafen, endlich mal die Wäsche zu waschen, die sich die ganze Woche über angesammelt hat, und krampfhaft zu versuchen, nicht an das zu denken, was Dr. Maymoth plante.
Kath lag auf ihrem Bettsofa und versuchte, wieder in den Schlaf zu finden. Ein Klickern hinderte sie daran, und aufgeregte Flügelschläge. „Lass mich doch schlafen, Schmetterling!“ Es half nichts – Schmetterling hörte erst auf, um sie herum zu schwirren, nachdem sie sich aufgesetzt hatte. Sofort flatterte er Richtung Fenster. Klack, klack, klack. Sein Ebenpart, draußen auf der Fensterscheibe. Hatte Berti ihn also noch. Kath öffnete das Fenster. Dem Licht nach war es noch früh an diesem Sonntagmorgen. Verschlafen kramte Kath nach ihrem Smartphone – richtig, sechs Uhr morgens. Keine Zeit, um an einem Sonntagmorgen von Schmetterlingen geweckt zu werden. Aber wo sie jetzt schon wach war …
Ins Badezimmer. Die Schmetterlinge blieben draußen. Dann schaffte sie es, die beiden Flatterdinger so lange zu ignorieren, bis ihr Espresso in der italienischen Kanne fertig war. Erst jetzt fühlte sie sich in der Lage, mit dieser Situation klarzukommen. Dass Berti ihr seinen Schmetterling geschickt hatte, konnte vieles heißen. Die Schmetterlinge konnten Kameraaufnahmen machen und kurze Botschaften speichern und weitergeben. Wenn sie die Handfläche nach oben wendete, hieß das: „Ich bin bereit, deine Botschaft zu hören.“
Bertis Schmetterling landete elegant. Sie führte die Hand ans Ohr – Signal für den Schmetterling, seine zwanzig Sekunden Textsaufzeichnung abzuspulen. „Folge mir und bring deine Kollegin mit“ – das war Bertis Mitteilung.
Typisch Berti! So gut kannte sie Martha nun auch wieder nicht, dass sie diese an einem Sonntag noch vor sieben Uhr aus dem Bett klingeln konnte. Aber was blieb ihr übrig – wenn sie Bertis Reaktion richtig deutete, dann hielt er den Plan von Global Water für hoch gefährlich. Und Marthas Blick nach der Sitzung konnte eigentlich nur bedeuten, dass sie das ähnlich sah.
Kath schluckte. Vielleicht war die Zeit reif für tapfere Taten, um wieder gut zu machen, dass sie sich von einem Konzern hatte einkaufen lassen.
Hatte sie von Martha überhaupt eine Telefonnummer? Dunkel erinnerte sich Kath daran, dass es vor geraumer Zeit mal eine Einladung zum Grillen gab, die sie dankend abgelehnt hatte. Damals hatte sie keine Lust gehabt, spät abends noch vom Stadtrand wieder bis an den alten Hafen zu kommen. Dass Martha diese Strecke jeden Tag zweimal – und dann noch mit dem Fahrrad! – zurücklegte, konnte sie nicht so richtig nachvollziehen. Sie zückte ihr Smartphone und blätterte im Kalender zurück. Das mit dem Grillen war im letzten Sommer gewesen – und sie hatte Glück, jawohl! An der Einladung hing tatsächlich eine Visitenkarte.
Kath nahm ihren Mut zusammen und tippte die Telefonnummer an. Was sollte sie bloß sagen? „Augenblicklich kann keine Verbindung zu diesem Teilnehmer hergestellt werden. Versuchen Sie es später noch einmal.“ Hatte die ihr Telefon etwa ausgeschaltet und schlief noch? Gab es andere Wege, Martha zu erreichen? Sie studierte die Visitenkarte. IM – auch keine Reaktion. Dann war da noch eine Nummer angegeben – ein Festnetztelefon? So alt war Martha doch auch nicht … Aber vielleicht hatte sie hier mehr Glück.
Sie ließ das Telefon klingeln. Ihre Ungeduld nahm zu. „Mach doch, mach doch.“ Endlich eine Reaktion.
„Martin Beermann“, meldete sich eine verschlafene Stimme. „Wer ist da?“
Im Hintergrund konnte Kath Kinder hören.
„Kath, äh, Katharina Krombach. Entschuldigung, dass ich um die Zeit anrufe, aber kann ich Martha sprechen? Ich arbeite in der selben Firma, wissen Sie?“
„Leider nein.“
„Aber die Nummer stimmt doch, oder?“
„Die stimmt. Aber Martha ist nicht hier. Und bevor Sie fragen – ich weiß auch nicht, was da los ist. Sie geht nicht an ihr Telefon.“
„Das habe ich auch schon gemerkt. Hat sie Ihnen nichts gesagt, wo sie hin ist, oder so?“
„Nicht wirklich. Sie arbeiten auch bei Global Water, hatten Sie gesagt? Sind Sie auch in der Forschungsabteilung?“
„Äh, nein. Also, ich bin auch in der Firma, aber in einer anderen Abteilung.“
„Martha hatte mir nur gesagt, dass Sie sich jetzt doch entschieden hat, ihre Chefin noch einmal direkt anzusprechen. Ich weiß nicht, um was es geht, aber Freitag war Sie ziemlich aufgeregt. Und gestern Nachmittag hat Sie dann gesagt, Sie müsse noch einmal in die Firma. Ich fand das ungewöhnlich, sonst versucht sie, Wochenende und Arbeit streng zu trennen.“
Kath fand das auch ungewöhnlich. Martin Beermann war anzuhören, dass er sich Sorgen machte. Sie beendete das Gespräch mit ein paar hilflosen Floskeln. Wo war sie da reingeraten? Ihr blieb nichts übrig, als dem Schmetterling zu folgen – alleine.
(to be continued)