Kontrovers: Auf dem Weg zur Volkspartei der vorderen Mitte? (Update)

Nicht nur die SPD, nein, auch wir Grü­ne dis­ku­tie­ren über unse­ren zukünf­ti­gen Kurs (vgl. u.a. SpOn). Ich habe dazu vor unge­fähr einer Stun­de mal einen klei­nen Twt­Poll gestar­tet: „Wohin soll’s mit den Grü­nen gehen?“. Der stößt auf eini­ge Reso­nanz. Unter den Ant­wort­vor­ga­ben am belieb­tes­ten ist bis dato (N=61) die „Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te“ (34% Zustim­mung, wie es sich für eine Volks­par­tei gehört). Nach links wol­len 23%, so blei­ben, wie sie sind eben­falls 23%, und 18% wol­len mehr oder weni­ger stär­ker ins bür­ger­li­che Lager.

Mehr­fach ange­merkt wur­de dabei die Unklar­heit dar­über, was eine Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te eigent­lich aus­zeich­net. Und wo die vor­de­re Mit­te über­haupt liegt. Die­se Fra­gen kann ich auch nicht beant­wor­ten, son­dern will sie lie­ber hier stel­len: was ver­steht ihr unter der so anzie­hen­den Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te? Wodurch zeich­net sie sich aus?

Update: Na, so rich­tig dis­ku­tie­ren will das hier wohl keineR? 

Wohin soll's mit den Grünen gehen? (N=97)

Span­nend fin­de ich, dass auch bei N=97 wei­ter­hin ein gutes Drit­tel die „Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te“ will (Abb.). Weil’s gut klingt, weil was sinn­vol­les dahin­ter ver­mu­tet wird – oder als Notlösung?

10 Antworten auf „Kontrovers: Auf dem Weg zur Volkspartei der vorderen Mitte? (Update)“

  1. Als Olle Her­bert einst sag­te: „Die Grü­nen sind weder links noch rechts, son­dern vor­ne wo die Zukunft ist“, hat mich das ange­spro­chen. Zwi­schen „Fun­dis“ und „Rea­los“ war ich weil die Zen­tral­os kein Flü­gel waren eher reformorientiert.

    Heu­te bin ich über­zeugt, dass wir unse­re Basis ver­brei­tern müs­sen, nicht ver­en­gen, von The­re­sa und Big­gi bis zu Robert und Maik, von Win­ne bis Julia, von Tobi­as bis Den­nis, viel­leicht sogar von Eike bis Mat­thi­as. Und mit die­sen Leu­ten dann nicht nach links oder in die soge­nann­te Mit­te gehen, son­dern nach vorn. 

    Nicht mit einem belie­bi­gen, son­dern einem enga­giert Grü­nen (und immer euro­päi­schen) Programm.

  2. Fin­de es gut, dass Du die Umfra­ge machst. Das The­ma ist in der Tat hochspannend.

    Ich habe auch auf „Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te“ geklickt, wobei ich nicht so ganz den Unter­schied sehe zu „Bleibt wie ihr seid“. ;-)

    Ansons­ten habe ich mei­ne Mei­nung dazu beim Böll Wahl-Blog geschrie­ben. Ist ja komisch, dass dort so wenig kom­men­tiert wird, liest das kei­ner? Habe heu­te abend noch einen wei­te­ren Kom­men­tar dort geschrie­ben, der aber noch auf Frei­schal­tung war­tet. Ist echt ner­vig, dass das immer erst frei­ge­schal­tet wer­den muss, das bremst Dis­kus­sio­nen total aus.

  3. Ich habe die Ant­wort­op­ti­on ange­klickt, die am inter­es­san­tes­ten klang, und das war die „volks­par­tei“ Antieta­tis­ti­sche, eman­zi­pa­to­ri­sche lin­ke gabs lei­der nicht. und klar­nach links hört sich für mich nach der kon­ser­va­ti­ven opti­on rot-rot-grün an.

  4. Ich hab mich mehr aus der Not der vor­ge­ge­be­nen Ant­wort­mög­lich­kei­ten für „Bleibt, wie ihr seid“ ent­schie­den. Die „Volks­par­tei der vor­de­ren Mit­te“ erin­nert mich zu sehr an die Debat­te „Links oder Vor­ne“ in den Acht­zi­gern, damals vor­nehm­lich auf euro­päi­scher Ebe­ne, die die Grü­nen damals ins­ge­samt eher zurück­ge­wor­fen hat.
    In Wirk­lich­keit wün­sche ich mir:
    1. Es soll­te klar gemacht wer­den, dass eine Abgren­zung von den bei­den Roten nicht bedeu­ten muss, dass man sich zur Mit­te hin bewegt. Wenn einem die Par­tei Die Lin­ke zu struk­tur­kon­ser­va­tiv ist und die SPD zu ori­en­tie­rungs­los, bedeu­tet das noch lan­ge nicht, dass das künf­ti­ge Heil bei CDU oder FDP zu fin­den ist. Für vie­le grü­ne Zie­le sind Rot und Rot lei­der kei­ne wirk­li­che Hil­fe und wir müs­sen zumin­dest auf Bun­des­ebe­ne erst­mal sel­ber sehen, wie wir zurechtkommen.
    2. Die Stra­te­gie darf nicht zu früh zu eng fest­ge­legt wer­den und schon gar nicht von oben. Was für Baden-Würt­tem­berg rich­tig ist, muss im Saar­land oder in NRW nicht genau­so gel­ten. Ganz zu schwei­gen vom Osten, wo die Aus­schlä­ge bei der Wahl wie­der ein­mal deut­lich ande­re waren als in den Alt­bun­des­län­dern. In Meck­len­burg-Vor­pom­mern haben wir, die pira­ten­lo­sen Sach­sen aus­ge­klam­mert, den stärks­ten Zuwachs der Flä­chen­län­der Ost hin­ge­legt, dabei hat­ten von sie­ben Direkt­kan­di­da­tIn­nen vier ein eher lin­kes Pro­fil (Klatt, Gajek, See­mann-Katz, Man­tse­ris), neben zwei Non­kon­for­mis­ten (Ter­pe, von Bos­se) und einem mode­rat „Bür­ger­li­chen“ (Mar­klein). Für uns war die­se Aus­rich­tung also offen­bar gut, ich bin aber weit ent­fernt davon, unse­re Ver­hält­nis­se auf ande­re Regio­nen zu übertragen.

  5. was ver­steht ihr unter der so anzie­hen­den Volks­par­tei der vor­de­ren Mitte? 
    Avant­gar­dis­mus. Vor­aus­den­ke­rIn / Vor­kämp­fe­rIn sein. Auch wei­te Wege zum fer­nen Ziel durch­den­ken. So wie bei der Grund­ein­kom­mens­de­bat­te in Baden-Würt­tem­berg. Das ist zwar kein „mit­ti­ges“ The­ma. Obwohl – für mich rück­te das The­ma Rich­tung Mit­te, weil der Gedan­ke des „bedin­gungs­lo­sen“ Grund­ein­kom­mens zu gro­ßer Pra­xis­rei­fe ent­wi­ckelt wur­de. Weil sie so weit durch­dacht war, kam mir die Grund­ein­kom­mens­idee näher, obwohl ich lin­ken Ideen gegen­über manch­mal skep­tisch bin. Für mich heißt vor­de­re Mit­te: „Vor­ne“ ist wich­ti­ger als „Mit­te“.

  6. Ich habe links ange­klickt, weil wir für 3 Flü­gel nicht groß genug sind – und mir „vor­ne“ viel zu vage ist. Ich habe nichts dage­gen, wenn es die alten Flü­gel wei­ter­hin gibt und ich fin­de es sehr anstren­gend und auch unnö­tig, wenn man stän­dig neue Begrif­fe defi­niert – denn die Debat­te dar­über lenkt von den wich­ti­gen Din­gen ab. „Lin­ke“ und „Rea­los“ – ach nee „Refor­mer“ – rei­chen für mich völ­lig aus. Dazwi­schen gibt es ne Men­ge und wich­tig bleibt für mich am Ende nur, dass wir nach einem Beschluss die­sen auch gemein­sam umset­zen und uns hin­ter ihm ver­sam­meln – bis es Grund und Gele­gen­heit gege­ben hat, ihn neu zu defi­nie­ren, auf den Hau­fen der Geschich­te zu wer­den oder ihn anders fas­sen. Dabei muss man nicht die eige­nen mei­nung auf­ge­ben – aber fair mit­ein­an­der umge­hen – und die Mehr­heit akzep­tie­ren. Und, vor allem, wei­ter­hin ver­stärkt die Gemein­sam­kei­ten her­aus­ar­bei­ten. Dazu braucht es jedoch Men­schen, die sich zwar irgend­wo ver­or­ten, wenn sie wol­len, aber ande­rer­seits genü­gend Respekt vor „den ande­ren“ haben, um damit leben zu kön­nen, dass die auch mal die Mehr­heit haben. Nur so wer­den wir gemein­sam stär­ker, nur, wenn wir gemein­sam gehen – ob „vor­ne“, „links“ oder „rechts“.

    1. @Jörg: inter­es­san­ter Punkt an dei­ner Ant­wort­be­grün­dung – beim Erstel­len der Umfra­ge dach­te ich nicht unbe­dingt an „Wel­cher Flü­gel setzt sich durch?“ (oder: „Wel­che Flü­gel könn­te es noch alles brau­chen?“, son­dern eben tat­säch­lich: „Wohin soll es poli­tisch mit der Par­tei gehen?“. Dass ist für mich eine 1. flü­gel­über­grei­fen­de und 2. umfas­sen­de­re Fra­ge. Eine Par­tei, die des­we­gen nach Links rückt, weil die Lin­ken in der Par­tei auf wich­ti­gen Ver­samm­lun­gen 51% Zustim­mung haben (eben­so und erst recht natür­lich anders­her­um), ist für mich ein Problem.

  7. Hal­lo Till,
    nicht dass wir uns miss­ver­ste­hen: egal wie ver­or­tet Beschlüs­se sind, soll­ten sie getra­gen wer­den. Ich den­ke, das meint das­sel­be wie Du auch meinst. Ich glau­be jedoch nicht, dass wir uns wei­ter­hin im hai­fisch­be­cken „poli­ti­sche Mit­te“ tum­meln soll­ten. Neben der Öko­lo­gie müs­sen wir die Gerech­tig­keits­fra­ge beant­wor­ten, im Sin­ne der Men­schen, die sich ver­ra­ten füh­len von „denen da oben“. IMHO bedeu­tet das „links“, wbei der Begriff da natür­lich hin­der­lich sein kann. Aber die Debat­te über Eti­ket­ten ist so hilf­reich wie die der Koali­ti­ons­aus­sa­gen – real­tiv wenig. Aber wenn die Par­tei stän­dig auf Ver­samm­lun­gen Beschls­se fäll­te, die nach Defi­ni­ti­on als „links“ ange­se­hen wür­den, dann befän­de sie sich fak­tisch auf dem Weg nach links (und das wäre ja dann auch die Schlag­zei­le dafür) – eben­so wie nach ande­ren Beschlüs­sen die Par­tei ja auf dem Weg in die Mit­te war – in der bspw. Fischer uns ja wei­ter­hin sehen möch­te. Ins­ge­samt bin ich nach Dei­ner Ant­wort ein biß­chen am zwei­feln, was du tat­säch­lich wis­sen möchtest…

  8. Mein Poll ist ja letzt­lich eine Reak­ti­on auf den „Kurs der Eigen­stän­dig­keit“, der nach der Wahl von Kün­ast und Trit­tin aus­ge­ge­ben wur­de. Ein biß­chen wei­ter­ge­hend aber auch mein Mir-Gedan­ken-Machen dar­über, wie weit sowas wie ein Pro­jekt „SPD der 1960er Jah­re des 21. Jahr­hun­dert wer­den“ – also die Ziel­rich­tung ein deut­lich pro­gres­siv und nolens vol­nes auch links ver­or­te­ten Volks­par­tei, aber kei­ner dezi­diert lin­ken Par­tei – für uns Grü­ne sinn­voll und mach­bar ist.

  9. Ich habe unter „vor­de­re Mit­te“ eigent­lich auch eher ver­stan­den, wo sich die Grü­nen im *gesam­ten* Par­tei­en­spek­trum ver­or­ten, und nicht wel­cher Flü­gel *par­tei­in­tern* die größ­te Beto­nung erfah­ren soll.

    Nach­fol­gend als Dis­kus­si­ons­an­stoß ein paar Gedan­ken zur „vor­de­ren Mitte“:

    Mei­ne Inter­pre­ta­ti­on des Wahl­er­geb­nis­ses: Deutsch­land ist in einer Pha­se der Regres­si­on. Die Welt­wirt­schafts­kri­se hat eine Sys­tem­kri­se offen­ge­legt, die das Welt­bild kon­ser­va­ti­ver Bevöl­ke­rungs­krei­se grund­le­gend in Fra­ge stellt. Reagiert wird nicht mit dem Schritt nach vorn, mit einem Neu­ent­wurf der Gesell­schaft, son­dern mit Rück­zug, mit dem Wunsch, es möge doch alles wie­der so sein wie früher.

    Anders als etwa Frank­reich, wo geziel­te Schrit­te nach vorn getan wer­den – z.B. Rück­zug fran­zö­si­scher Ban­ken aus Steu­er­oa­sen auf Geheiß von Sar­ko­zy, För­de­rung von Elek­tro­au­tos – wird bei uns ver­sucht, den sta­tus quo ante wie­der­her­zu­stel­len. In die­sem Licht betrach­tet passt auch das Wahl­er­geb­nis ins Bild: Zurück in die Vergangenheit!

    Und dazu passt auch der Hype um den Wirt­schafts­mi­nis­ter zu Gut­ten­berg. Die kon­ser­va­ti­ve Süd­west-Pres­se leit­ar­ti­kel­te am 19.6.09 atem­los: „Mehr sol­cher Baro­ne!“ Offen­bar geht die Regres­si­on soweit, dass eini­ge Kon­ser­va­ti­ve gar mit einer Rück­kehr zur Mon­ar­chie lieb­äu­geln. Ist ja auch schön ein­fach, wenn man von oben gesagt bekommt, was zu tun ist. Nicht so kom­pli­ziert und ver­wor­ren, wie sich das Sys­tem heu­te darstellt.

    Es ist wie bei einem Jugend­li­chen an der Schwel­le zum Erwach­sen­wer­den, der sich zurück in kind­li­che Ver­hal­tens­wei­sen flüch­tet. Han­delt es sich nur um eine Pha­se, ist es nicht schlimm. Wird das Ver­hal­ten aber chro­nisch, sind Kata­stro­phen vorprogrammiert.

    Im Grun­de ist das furcht­bar: Mit­ten in der größ­ten Welt­wirt­schafts­kri­se seit 80 Jah­ren fällt Deutsch­land als Loko­mo­ti­ve aus. Ande­re Län­dern wer­den uns überholen.

    Wir Grü­nen müs­sen die fort­schritt­li­chen, gemä­ßig­ten Kräf­te bün­deln und damit ein Gegen­ge­wicht schaf­fen zu dem regres­si­ven Ver­hal­ten der Kon­ser­va­ti­ven, und zu der zuneh­men­den Pola­ri­sie­rung in lin­kes (Linke/SPD) und markt­li­be­ra­les (FDP/Union) Lager.

    Im Grun­de hat­ten wir mit dem Green New Deal genau die rich­ti­ge Ant­wort auf die Sys­tem­kri­se. Dar­auf kön­nen wir aufbauen.

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