Im Kommentarbereich meines letzten Beitrags zur Kommunalwahl gab es ein paar Kommentare, die mir einen grundsätzlicheren Kommentar wert sind.
Die Sachlage: WordPress fragt ja – aus Spamschutzgründen – bei der Eingabe eines Kommentars verpflichtend nach der eMail-Adresse. Diese wird nicht angezeigt, ist mir aber – z.B. beim Freischalten des Kommentars – sichtbar. Als Blogbetreiber weiss ich deswegen manchmal ein bißchen mehr als die LeserInnen des Blogs. Auch Kommentare unter Pseudonym sind also nur begrenzt anonym. Wer wirklich anonym bleiben will, muss eine nicht existierende eMail-Adresse eingeben. (Es gäbe natürlich auch noch den Fall, dass bewusst eine eMail-Adresse verwendet wird, die nicht zu der kommentierenden Person gehört, worauf ich im Moment erstmal nicht eingehen will).
In diesem Fall war klar, dass ein Kommentar im Stile eines „ich habe in der Zeitung gelesen, dass die GAF dies und das tut, und deswegen ist sie nicht wählbar“ tatsächlich von einem grünen Stadtrat kam. Das hat mich ziemlich geärgert, weil ich das als unlauter ansehe. Nicht ganz so krass wie dieser Fall, aber doch ärgerlich. Deswegen habe ich gestern abend – halb im Affekt ;-) – diese Tatsache öffentlich gemacht. Nicht den Namen des Stadtrats, aber die Tatsache, dass dieser Kommentar der eMail-Adresse nach von einem grünen Stadtrat kam.
Wenn ich etwas länger drüber nachgedacht hätte, hätte ich den Kommentar vielleicht etwas anders formuliert. Mir ging es nicht darum, eine konkrete Person bloßzustellen. Mit der Zuordnung „grüner Stadtrat“ und Freiburger Themen könnten sich hinter dem Pseudonym ja immer noch ungefähr 11 Personen verbergen. Nach Schlaf drüber hätte ich aber vielleicht eher eine Formulierung „ein Politiker“ o.ä. gewählt – weil’s mir eben nicht um die Person geht, und auch nicht um ein Outing von irgendwem, sondern um den schlechten Stil, sich als PolitikerIn und damit als Person des öffentlichen Lebens hinter einem Pseudonym zu verstecken.
Ich könnte jetzt lang zur Realname-Debatte im Netz ausholen. Das will ich hier nicht tun, sondern ganz kurz fünf Überlegungen beschreiben.
1. Pseudonymität / Anonymität hat im Netz eine lange Tradition. „No one knows you are a dog“. Gerade im Kontext von Geschlechtsidentitäten gibt es dazu auch viel Literatur. Ein Vorteil pseudonymer Kommunikation kann es sein, dass vorurteilsfreier kommuniziert wird. Im Idealfall zählt nur die Kraft der Argumente – ohne Blick auf die Person. Das stimmt allerdings insofern nicht, als auch bei längerern Kommunikationsketten mit einem Pseudonym bei den anderen Beteiligten dieser netzbasierten Interaktion sich ein bestimmtes Bild einer Person aufbaut. Dieses kann nun – und das war ein beliebter Topos in den Anfangstagen des Netzes – durchaus auch ein Bild einer Person sein, die mit der „Offline-Person“ wenig zu tun hat. Das Netz als Spiel, mit fluider Identitätskonstruktion. Heute ist – neben Rollenspielen und „Spaß-Foren“ – vielleicht Second Life noch am ehesten ein Ort, auf den derartige Überlegungen zutreffen.
2. These: der Erfolg von Facebook, Twitter & Co. beruht auch darauf, dass hier überwiegend „echte Personen“ auftauchen, und keine gespielten Identitäten.
3. In politischen Kontexten hat Anonymität dann eine sinnvolle Funktion, wenn es um „whistleblowing“ geht. Wenn nicht-öffentliche Dokumente öffentlich gemacht werden, wenn Interna berichtet werden – ohne dass die berichtende Person aufgedeckt wird. In der Zeitung heißt das Pseudonym dann „aus Kreisen“. Schon allein deswegen, weil es nach meinem Kenntnisstand durchaus möglich wäre, die Herausgabe der eMail-Adresse z.B. des Kommentators eines strafrechtlich relevanten Kommentars gerichtlich zu erzwingen, würde ich hier allerdings nicht darauf vertrauen, dass die eMail-Adresse vom Blogbetreiber schon nicht weitergegeben wird, sondern dazu raten, dann richtig anonym aufzutreten. (Ebenso, wenn es um Kommunikation in Diktaturen geht).
4. In politischen Kontexten hat Anonymität bzw. die Annahme falscher Identitäten natürlich auch dann eine Tradition, wenn es darum geht, bewusst Gerüchte in die Welt zu setzen oder „dem Gegner“ zu schaden. Diese Traditionslinie halte ich allerdings für verwerflich.
5. Weil (4) bekannt ist, halte ich – trotz der Netztradition (1) – wenig davon, in politischen Debatten pseudonym aufzutreten. Oder positiver formuliert: das Gewicht von Argumenten gewinnt an Bedeutung, wenn ich es einer tatsächlichen politisch handelnden Person zurechnen kann, und mir nicht nur mit einer konstruierten Spielidentität einen rhetorischen Kampf liefere. Politische Online-Kommunikation, die an realweltliche Kontexte angebunden ist – beispielsweise eine Wahlentscheidung oder Berichte über politische Themen in einer Stadt – findet unter „Wirklichkeitsverdacht“ (so hatte ich das in meiner Magisterarbeit genannt) statt. Deswegen erwarte ich von Personen des öffentlichen Lebens – zumindest solchen, denen ich politische Ehrlichkeit unterstelle – sich in politischen Debatten nicht hinter einer Maske zu verstecken. Sondern Interessen auf den Tisch zu legen.
Und deswegen das „Teilouting“.
Warum blogge ich das? Weil mir diese Überlegungen für einen Kommentar im Kommentarfeld dann doch etwas zu wichtig sind – und jetzt bitte wählen gehen!
Schöner Beitrag, Till. Wir sind uns vollkommen d’accord, dass im Rahmen kommunalpolitischer Diskurse Anonymität vollkommen fehl am Platze ist und anonymes Rumpöpeln gegen andere daneben ist (und damit natürlich auch unsererseits ein Fremdschämen für den/die entsprechende ParteifreundIn angebracht ist).
Das Teilouting ist aber trotzdem nicht durch diesen Beitrag als ein „deswegen“ zu rechtfertigen. Ich lese beim Kommentieren, dass meine e‑mail nicht angezeigt wird. Ich erwarte dann auch, dass nicht durch Adminherrlichkeit meine Anonymität doch eingeschränkt wird, teilgeoutet wird. Auch wenns unlauter ist, auch wenn Du Dich ärgerst, auch wenn Anonymität in diesem Fall – wie du sehr gut begründest – nicht ehrlich und nicht angebracht ist: Du hast mE trotzdem nicht das Recht selbstherrlich jemandes selbstgewählte Anonymität teilaufzuheben.
Falls Du das anderst siehst, solltest Du beim e‑mail-feld der Kommentarfuktion statt „wird nicht angezeigt“ schreiben „Falls der Blogbetreiber der Meinung ist, dass der Kommentator keine guten Gründe hat – und über die befinde ich als Blogbetreiber – können Informationen aus der e‑mail-Adresse genutzt werden, um die RL-Identität des Kommentators in diesem Blog zu benennen oder den Personenkreis aus dem der Kommentator kommt, stark einzugrenzen.“.
Das mag jetzt kleinlich erscheinen – aber bei allem verständlichen Ärger über die Beiträge des Minnesängers: Sind wir Grünen nicht die Guten, die den Menschen die Entscheidungsfreiheit lassen wollen, was mit ihren Daten geschieht? Auch in diesem Blog?
@Tim: Wie gesagt – ich habe keinen Namen genannt und werde auch keinen Namen nennen. Mir erscheint auch mit dem „Teilouting“ der Kreis potenzieller AutorInnen groß genug. Und mit etwas mehr Nachdenken vor dem Posten meines Kommentars hätte ich auch einen noch etwas größeren Kreis gewählt (das war blöd, ist aber nicht rückgängig zu machen und insofern halt mein Fehler).
Der ausführliche Kommentar über dem eMail-Feld müsste also lauten: „Die EMail-Adresse ist dem Admin bekannt, sie wird nicht veröffentlicht, die Person auch nicht, wenn aber EMail-Adresse plus Inhalt der Mail neue Erkenntnisse ergeben, wird möglicherweise darauf hingewiesen werden.“
Mein Fazit (neben dem, was oben steht): in Zukunft tatsächlich noch etwas vorsichtiger mit Daten umgehen (ich bin ja schon ganz stolz, dass ich Google Analytics nicht einsetze) – und vielleicht bei Gelegenheit am Kommentar-Feld eine Notiz anbringen, dass es höchst erwünscht ist, hier auch zu seinen Aussagen zu stehen.
Gutes Fazit, Till. Ich selbst schäme mich dann mal noch ein paar Minuten über den betreffenden Parteifreund fremd :-(
Hi Till, da hat vielleicht Jemand der die Grünen vergraulen will, des Stadtrates E‑Mail-Adresse genutzt – und du bist darauf hereingefallen.
Es wird bei wordpress auch die IP-Adresse angegeben – nun weiß ich nicht ob man einfach den ISP fragen könnte, ob zumindest die IP-Adresse auf den selben Namen wie die Email-Adresse registriert ist.
^^
ich habe unabhängig von der Diskussion hier und bei JörgR/sciensblog die Piratenpartei heute gewählt UND wählte noch nie die SPD – aber schon andere Parteien (Frauenpartei, Grauen, …), da einfach mit den Grünen nichts zu machen ist ;) :
die schröpfen sich auch gegenseitig heftigst ab – von Einkommensabhängigkeit beim Mitgliedsbeitrag zB: 3% v.MonatsNetto – statt der nicht finanzierbaren Größe des Festbetrages (habe diesbezüglich allerdings nur eine mündliche Aussage eines hier örtlichen Ex-Stimmen-Fängers für diese Partei, der sich die Mitgliedschaft nicht mehr leisten konnte).
^^
mache sehr viel, nicht um geliebt zu werden, dennoch nicht anonym:
http://mister33.wordpress.com
ist nicht sonderlich angenehm zu lesen – ist die Wahrheit – kann nichts dafür. Aber kann gegen die Lügengesellschaft schreiben – bis man mich wegsperrt oder mir ein Stopschild in meine Flatrate einbaut (so von der Lain-mäßig).
Schade finde ich, dass Herr Norbert Denef nicht kurzerhand mal einige Millionen (zumindest 100’000 in nur wenigen Tagen) UnterstützungsEmailUnterschriften erhält.
http://norbert.denef.com
er ist nun versehentlich begeistert von der (zumindest in NRW nicht mehr gemeinnützigen) Deutschen Kinderhilfe – die tuen allerdings nichts für ihn, denn sonst hätten nun mehr Leute die
http://norbert.denef.com/petition unterzeichnet!!!
eine kürzere URL zur Petition http://to.vg/c_ !!!
^^
des weiteren unterstütze ich zZ http://www.ethecon.org wobei ich es dennoch kritisiere, dass sie ein GLS-Konto benutzen.
GLS hat die Ökobank gefressen.
GLS ist Anthroposophie – wenn deren Mitarbeiter dies nicht wissen :( sonderbar! g‑eben, L‑eihen, s‑chenken – - aber nicht jedem!
eine weitere Kritik an ethecon: dass „wie“ sie meinen, es müsse der 11.Sept.2001 aufgeklärt werden.
weiteres siehe JörgR/sciensblog und meinBlog.
@Anselm: Nur kurz zu der Aussage „die schröpfen sich auch gegenseitig heftigst ab“ – der Mitgliedsbeitrag bei Grünen orientiert sich an 1% des Netto-Einkommens; faktisch sind das z.B. bei uns 11 Euro im Monat „Normalbeitrag“, gibt aber auch einen ermäßigten Beitragssatz. Was daran gegenseitiges Abschröpfen sein soll, verstehe ich nicht. Und warum jemand Kleinstparteien wählt, wenn es eine 5%-Prozent-Hürde gibt, ist mir auch nicht so ganz klar.
Nachdem beides – ebenso wie die von dir geposteten Links – mit der Debatte um pseudonyme PolitikerInnen nichts zu tun hat, will ich da jetzt auch gar nicht weiter drauf eingehen.
Auf unserer Webseite gibts noch mehr zum Thema Whistleblowing!
Und zur Abschaffung der 5% Hürde läuft gerade meine E‑Petition http://tinyurl.com/EuWahlPetition
@Till: Die Kommentarfahne wird absurd, nachdem sie gut war, weil heikel.
Da zum wesentlichen Thema (Pseudo- & Anonymität im Netz) nix mehr kommt und zu erwarten ist: Kannst Du die Kommentare hier blocken und lieber – nochmal – 1 Grundsatzdiskussion anstoßen? Danke!
@Andreas: ich stimme deiner Einschätzung zu, was den Gehalt der letzten paar Kommentare angeht. Trotzdem glaube ich nicht, dass es notwendig ist, deswegen jetzt eine neue Debatte aufzumachen. Seltsame Kommentare gehören zu den Gefahren des Internets dazu. Insofern würde ich dich bitten, die betreffenden Wortmeldungen zu ignorieren und – wenn du Bedarf dafür siehst – hier in die eigentliche Debatte einzusteigen.
Auf einer Webseite, auf der die Grundregeln nicht beachtet werden, konkret: die Vertraulichkeit nicht respektiert wird, werde ich mich fortan nicht mehr beteiligen.
Pseudonyme dienen in den Diskussionen im Netz dazu, dass die Leserinnen und Leser auf die Kraft des Argumentes achten und nicht auf die Person des Autors oder der Autorin.
Auf Nimmerwiedersehen!
Nun dürfen wir alle rätseln, ob diese engagierten Abschiedsworte von „Minnesänger“ oder von jemand kommen, der oder die „Minnesänger“ impersoniert. Ich weiss, wie es ist, werde es aber nicht verraten.
Zum Inhaltlichen:
Ich dachte, oben deutlich gemacht zu haben, warum dieses auf den ersten Blick naheliegende Argument nicht sticht – zumindest dann nicht, wenn’s um konkrete Politik geht, die von konkreten Personen gemacht wird.
@Minnesänger
Nun hat es ja zu den Grundregeln eine engagierte Diskussion gegeben, in der Till sich ja im wesentlichen meiner Position angeschlossen hat. Insofern wurde die Vertraulichkeit in einem Falle nicht respektiert, es ist aber deutlich geworden, dass dies eine – überhastet und im Zustand des Verärgertseins vorgenommene – Ausnahme war. Sich nach dieser klärenden Diskussion zu verabschieden, naja, das erinnert mich an so manche BürgerIn am Infostand, die mir partout nicht glauben wollte, dass wir die Stadtbau künftig nicht verkaufen werden, weil wir das ja schon einmal wollten…
Im wirklichen Leben hängen Diskussionen auch nicht nur von der Kraft des Arguments ab, sondern in hohem Maße auch davon ab, ob Personen das Argument glaubwürdig vertreten können. Im Netz ist das – gerade in Situationen, in denen der „Wirklichkeitsverdacht“ gilt (toller Begriff @till) – ähnlich. BTW: Ob nun ausgerechnet deine Beiträge im Ton und in der Aussage Glanzlichter sachlicher Argumentation darstellen, sei mal dahingestellt…
Z.K. Ich habe gerade eine Seite mit Spielregeln für das Blog hier zusammengestellt.
Dieses Thema wurde bereits von Herrn Niggemeier abgehandelt:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/schoener-kommentieren-mit-datenschutz/