Auch wenn es ein tiefsitzender Reflex ist, der nicht zuletzt meiner Sozialisation in der Jugendumweltbewegung zu verdanken ist, Konzerne anhand der Kategorien „gut“ und „böse“ zu beurteilen (McDonalds: böse, Google: gut, Microsoft: böse usw.), zeigt Nokias Werksverlagerung von Bochum nach Jucu einmal mehr, dass es ganz so einfach nicht ist. Ich habe inzwischen mein drittes Nokia-Handy, und bin von der Qualität der Nokia-Produkte nach wie vor überzeugt. Wenn jetzt Seehofer und Struck ihre Handys wegwerfen wollen, dann zeigt das erstens, dass Nokia brauchbare Produkte herstellt (warum sonst haben die Telefone dieser Marke) – und zweitens, dass die Aufrechterhaltung eines moralisch hochwertigen Markenimages so einfach nicht ist.
Wer versucht, nachhaltig zu konsumieren, weiss das bereits – auch jenseits der aktuellen Aufregung. Auch Nokia-Handys haben relativ hohe SAR-Werte, auch Nokia-Handys werden zu einem großen Teil aus Komponenten hergestellt, die irgendwo gefertigt werden (wo es halt gerade am billigsten ist); und auch Nokia-Handys landen nach zwei Jahren auf dem Müll. Ich jedenfalls werde mein Nokia-Handy behalten – und verstärkt über den Stellenwert von Konsum, Marken und politischen Symbolhandlungen nachdenken.
Bleibt die empirisch offene Frage: kann ein Konzern überhaupt erfolgreich im Sinne kapitalistischer Werte sein und trotzdem „gut“ (sprich: irgendwie freundlich, sympathisch, mit guten Arbeitsbedingungen, nachhaltig, …) bleiben? Und woran wäre das festzumachen?
Warum blogge ich das? Vielleicht vor allem deshalb, weil ich es etwas scheinheilig finde, wenn PolitikerInnen jetzt großes Getöse veranstalten, zugleich aber „Standortwettbewerb“ für ein sinnvolles und zu subventionierendes Konzept halten.
Update: Julia und Dennis sehen das wohl auch so ähnlich. Und Henning weist darauf hin, dass die Subventionen das Problem sind. Große (jung-)grüne Einigkeit über die Realitäten des globalen Kapitalismus?
Update 2: (24.01.2008) Ganz vernünftig klingt die Argumentation der Attac-Kampagne zu Nokia, die den Fall zum Anlass nehmen, ganz generell gegen Subventionswettstreit, für europaweite Mindestlöhne und ähnliche Formen der Kontrolle „des Kapitals“ zu streiten. Gefunden wiederum bei Julia.
Du hast meine volle Zustimmung. Wobei ich, nach wie vor ein handyloses Dasein fristend, um diese konkrete Fragestellung des Boykotts einer bestimmten Handymarke natürlich herumkomme… ;)
Hier ein abstimmungs Thread zu dem Nokia Boykott!
http://www.moviez.to/board/index.php?page=Thread&postID=37693#post37693
[Edit: Link repariert, T.W.]