Wie treuen LeserInnen des Blogs bereits bekannt, diskutieren Bündnis 90/Die Grünen LV Baden-Württemberg seit einigen Monaten über Grundeinkommen und Grundsicherung oder ganz andere Modelle. Als erster Zwischenschritt liegen inzwischen nicht nur diverse Modelle, sondern auch ein (relativ vages) Eckpunktepapier vor, das auf dem nächsten Landesausschuss am 30.6. in Pforzheim beschlossen werden soll. Die grüne Debatte um die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme wird auch von einigen Beiträgen in der Mitgliederzeitschrift Grüne Blätter begleitet – u.a. wurde auch ich gebeten, in einem Statement zu erläutern, warum ich mich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetze. Und weil der Artikel so kurz ist (so ist das mit gedruckten Dingen …), dokumentiere ich ihn hier in voller Gänze:
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Drei Gründe für das Grundeinkommen
Drei starke Argumente sprechen für ein existenzsicherndes und zugleich bedingungslos gewährtes Grundeinkommen:
Erstens: Zumindest für uns selbst, aber doch auch als Leitlinie grüner Politik gehen wir vom Bild mündiger BürgerInnen aus. Ein solches freiheitliches Menschenbild muss nicht auf Solidarität verzichten. Der kontrollierende Blick des Staates in die jeweils eigenen Angelegenheiten verträgt sich damit aber ebenso wenig wie mit der Tatsache, dass Menschen in Not als weitgehend unmündig behandelt werden, indem sie „aktiviert“ oder anderweitig zu ihrem Glück gezwungen werden. Ein bedingungslos gewährtes Grundeinkommen gibt dagegen allen Menschen Handlungsfähigkeit und stellt so eine aktuelle Form gesellschaftlicher Solidarität dar. Unsozial und wenig grün wäre es allerdings, dann alle weiteren Angebote der Hilfe und der Förderung zu streichen.
Zweitens entspricht das Grundeinkommen den Bedingungen einer Risikogesellschaft, in der sichere, lebenslange (männliche) Erwerbsverläufe durch Unsicherheit, Flexibilitätsanforderungen und biographische Patchworks für beide Geschlechter ersetzt werden. Ein Grundeinkommen kann die existenzielle Unsicherheit zwischen den Patch-work-Flicken überbrücken und Zeiten des Lernens oder auch der Familienarbeit (für Männer wie Frauen) absichern. Zudem stellt es die Grundlage dafür dar, selbstständig tätig werden zu können, ohne sich ganz den Risiken einer „Existenzgründung“ unterwerfen zu müssen.
Der dritte Grund mag als Träumerei abgetan werden, ist in Zeiten des Klimawandels aber bitterer Ernst: Die Kopplung zwischen Wachstum, Erwerbsarbeit und einem sinnerfüllten Leben ist schlicht nicht nachhaltig. Ein Grundeinkommen kann den dringend notwendigen Weg zu anderen Lebensstilen ebnen. Dabei geht es zu einen um direkte Effekte wie Grundeinkommen als Grundlage für Lebensformen, die mit Markt und Wachstum nur bedingt kompatibel sind; zum anderen um indirekte Effekte, die sich ergeben, wenn zur Finanzierung des Grundeinkommens auf eine stärkere Ressourcenbesteuerung zurückgegriffen wird. So werden Anreize gesetzt, sich für – dann auch ökologisch – günstigere Produkte und Dienstleistungen zu entscheiden.
Für jeden dieser drei Punkte sehe ich keine echte Alternative. Die tatsächlichen Effekte bleiben jedoch schwer abschätzbar. Fatal wäre es, das Grundeinkommen als Ersatz für politisches Handeln wahrzunehmen. Ich plädiere daher dafür, das Grundeinkommen zu unserem Leitbild zu machen und ansonsten genau hinzuschauen, welche Modelle und Instrumente sinnvoll sind: Etwas Besseres als Hartz IV finden wir allemal!
Erschienen in Grüne Blätter, Mitgliederzeitschrift von Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Baden-Württemberg, 06/2007, S. 3.
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Warum blogge ich das? Weil sich vielleicht auch Nicht-Grüne o.ä. dafür interessieren, und das hier eher als in den Grünen Blättern finden