Voll und ganz aufgegangen in der neuen Rolle

Swiss nuclear idyllVoll und ganz in ihrer neu­en Rol­le als Mar­ke­ting­frau für die Atom­ener­gie auf­ge­gan­gen ist Mar­ga­re­ta Wolf, ehe­ma­li­ge hes­si­sche Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Umwelt­mi­nis­te­ri­um, und seit heu­te nicht mehr Mit­glied der Par­tei, nach­dem es eini­ge Kri­tik an ihrem neu­en Job gege­ben hat. 

Und was steht nun in ihrem Aus­tritts­schrei­ben? Unter ande­rem die­ses hier:

Die Ener­gie­fra­ge ist eine der zen­tra­len Grün­dungs­fra­gen mei­ner Par­tei gewe­sen. Dem real­po­li­ti­schen Teil mei­ner Par­tei und somit dem im eigent­li­che Sin­ne poli­ti­schen Teil der Grü­nen war immer klar, dass man nicht gleich­zei­tig die ener­ge­ti­sche Nut­zung von Koh­le und Kern­ener­gie ableh­nen kann. Das war auch immer mei­ne Meinung.

Mei­ne Par­tei hat sich in die­ser Fra­ge in eine stra­te­gi­sche Sack­gas­se manö­vriert, aus der sie nur wie­der her­aus­kommt, wenn sie zu einer sach­li­chen, nicht roman­ti­sie­ren­den Debat­te in der Fra­ge zurück­kehrt und in einen offe­nen, sach­li­chen Dia­log ein­tritt, einen Dia­log, der nicht jede Idee, die geäu­ßert wird, dif­fa­miert, son­dern sich sub­stan­ti­ell mit ihr aus­ein­an­der­setzt. Die­se Dia­log­kul­tur ist nicht erkennbar. 

Anders gesagt: noch im Par­tei­aus­tritt ver­sucht Mar­ga­re­ta Wolf es so dar­zu­stel­len, dass sie – ganz auf der Linie des neu­en Arbeit­ge­bers – recht hat damit, Wer­bung für Kern­ener­gie zu machen, dass schon immer so gese­hen hat (auch als Staats­se­kre­tä­rin? das wür­de eini­ges erklä­ren) und ver­leug­net die durch und durch real­po­li­ti­schen Stu­di­en der Bun­des­tags­frak­ti­on etc., die zei­gen, dass ein Aus­stieg aus Koh­le und Atom zugleich mög­lich ist. 

Ich fin­de es rich­tig, dass Mar­ga­re­ta Wolf aus­tritt, und den­ke, dass mei­ne Par­tei sich nicht ins Bock­horn jagen lässt (und ich bin zudem über­zeugt davon, dass das der­zei­ti­ge Medi­en­hoch für den Wie­der­ein­stieg in die Atom­ener­gie viel mit der Bay­ern­wahl zu tun hat). Beson­ders inter­es­sant an dem Aus­tritts­schrei­ben und dem gan­zen Drum­her­um (bis hin zu der Tat­sa­che, dass hier vor­nehm­lich über die Welt kom­mu­ni­ziert wird), fin­de ich aber tat­säch­lich die Poli­tik­tech­nik, die Tat­sa­che, wie bis zuletzt an der Kon­sens­rea­li­tät zurecht­ge­rückt wird, kurz: wie hier „gespon­nen“ wird. Es bedarf schon eini­ger Frech­heit und rhe­to­ri­scher Kunst­fer­tig­keit, mit einem Satz den lin­ken Grü­nen die Poli­tik­fä­hig­keit abzu­spre­chen und zugleich den „Rea­los“ eine Posi­ti­on unter­zu­schie­ben, die auch dort noch nie ernst­haft ver­tre­ten wur­de. Da kann so man­cher Tex­ter noch was von lernen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Art und Wei­se des Aus­tre­tens in die­sem Fall sehr erwäh­nens­wert finde.

Kurz: G8-Protest weiterhin kein Terror

Anläss­lich des G8-Gip­fels in Tokio hat sich die tages­schau noch­mal ange­schaut, was aus den Vor­wür­fen „Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung“ bezüg­lich der Pro­tes­te zum G8-Tref­fen in Hei­li­gen­damm gewor­den ist – und stellt (hier zu eini­gen Brand­stif­tungs­vor­wür­fen) fest: 

Der Beschluss des Land­ge­richts Flens­burg vom Juni 2008 ist deut­lich. Dort heißt es zu einem Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen meh­re­re lin­ke Akti­vis­ten: „Ein Anfangs­ver­dacht nach §129a StGB war von vorn­her­ein nicht gegeben.“

[…]

Die Vor­aus­set­zung „der beson­de­ren Bedeu­tung des Fal­les“ lag nicht vor, „weder wur­den Men­schen gefähr­det, noch ist es zu einer merk­li­chen Beein­träch­ti­gung des Sicher­heits­ge­fühls der Bevöl­ke­rung durch die­se Taten gekommen“. 

Bereits im Janu­ar hat­te der Bun­des­ge­richts­hof ent­spre­chen­de Über­wa­chungs­maß­nah­men kassiert. 

Gut so. Ich hof­fe, die Gene­ral­bun­des­an­wäl­tin hat was dar­aus gelernt.

Mann kriegt Kind, taz ekelt sich

Tho­mas Bea­tie, als Frau gebo­ren, als Mann lebend, hat vor ein paar Tagen eine klei­ne Toch­ter zur Welt gebracht. Für mich klingt das ein biß­chen nach Sci­ence Fic­tion (genau­er gesagt, nach eini­gen Geschich­ten aus Iain M. Banks Cul­tu­re-Uni­ver­sum, in denen wil­lent­lich das Geschlecht wech­seln­de Schwan­ge­re vor­kom­men), für Arno Frank von der taz nach einem Anlass, ver­schwim­melt die „natür­li­che Geschlecht­er­ord­nung“ zu loben, jeg­li­che Aner­ken­nungs­be­mü­hun­gen für que­e­re Lebens­ent­wür­fe, Trans­gen­der und Trans­se­xua­li­tät, die ja nicht zuletzt in der taz ein Forum gefun­den haben, zurück­zu­wei­sen, und sei­nen Mei­nungs­bei­trag zum The­ma mit fol­gen­den Wor­ten zu beenden:

Tho­mas Bea­tie ist kein Mann, son­dern eine schreck­lich ver­stüm­mel­te Frau – und gott­lob nicht ver­stüm­melt genug, um kei­ne Kin­der gebä­ren zu kön­nen. Wün­schen wir also allen Betei­lig­ten das Beste.

Das hat nicht nur mich ziem­lich geär­gert, son­dern z.B. auch Kat­ja Husen und eine gan­ze Rei­he Leser­brief-Schrei­be­rIn­nen. Mei­nen Leser­brief hat die taz heu­te auch abgedruckt:

Viel­leicht ist’s in der for­mat­be­ding­ten Zuspit­zung begrün­det; trotz­dem ist das, was Arno Frank schreibt, eine Zumu­tung. Anschei­nend ist er nicht bereit, anzu­er­ken­nen, dass es so etwas wie „Trans­gen­der“ tat­säch­lich gibt. Statt­des­sen flüch­tet Frank sich in die Rei­hen des bio­lo­gis­ti­schen Back­lashs und haut mal mit auf die Gen­der­stu­dies drauf; dann lässt sich alles, was über die „nor­ma­le“ Geschlech­ter­ma­trix hin­aus­geht, bequem als modi­sche Abwei­chung, als – in sei­nen Wor­ten – „Quatsch“ beschrei­ben. Der­ar­ti­ge Feind­se­lig­keit in der taz zu fin­den, irri­tiert. Ein biss­chen Erwar­tungs­ent­täu­schung ist ja schön und gut, aber hin­ter dem Schild bio­lo­gi­scher Kör­per­lich­keit que­e­re Lebens­ent­wür­fe prin­zi­pi­ell in Fra­ge zu stel­len, statt gegen Dis­kri­mi­nie­rung zu arbei­ten: das ist der taz nicht würdig. 

War­um blog­ge ich das? Weil mich die Feind­se­lig­keit und der Ekel, der aus dem Kom­men­tar von Arno Frank gespro­chen hat, ernst­haft irri­tiert hat – auch inner­halb der auf­ge­klär­ten Lin­ken scheint der Glau­be an die Voll­kom­men­heit der natür­li­chen Geschlecht­er­ord­nung sei­ne Anhän­ge­rIn­nen zu finden.

Ideen gesucht: Infostand 2.0 (Update 5)

In den letz­ten Jahr­zehn­ten gab es für Wahl­kämp­fe zwei Haupt­spiel­fel­der: die Are­na der bun­des­wei­ten Mas­sen­me­di­en – vom Talk­show­auf­tritt bis zum Bericht über den Par­tei­tag – auf der einen Sei­te, und die Stra­ße mit Pla­ka­ten, Info­stän­den, dem Ver­tei­len von Fly­ern und Haus­be­su­chen auf der ande­ren Sei­te. Irgend­wo dazwi­schen dann noch „Hin­ter­zim­mer­ver­an­stal­tun­gen“ (also die übli­chen Podi­ums­dis­kus­sio­nen und Refe­ra­te) und neue Akti­vi­täts­for­men wie Vorwahlpartys. 

All­mäh­lich ent­de­cken die Par­tei­en (nicht zuletzt ange­sichts der Kam­pa­gnen von Howard Dean 2004 und Barack Oba­ma 2008), dass mit dem Web 2.0 die Mög­lich­keit eröff­net wur­de, einen neu­en Raum für Inter­ak­tio­nen zwi­schen Par­tei­en und Öffent­lich­keit zu nut­zen. Im Sinn von „Visi­ten­kar­ten“ oder „Schau­fens­tern“, ja selbst von „vir­tu­el­len Par­tei­zen­tra­len“ (C. Bie­ber) ist die­se Ent­de­ckung schon ein paar Jah­re alt und inzwi­schen recht gut eta­bliert (R. Kuh­len spricht von der jetzt auch schon zehn Jah­re zurück­lie­gen­den Bun­des­tags­wahl 1998 als „Mond­lan­dung des Inter­net“). Neu ist die Ent­de­ckung, dass das Inter­net eben nicht nur die Mög­lich­keit bie­tet, Infor­ma­tio­nen zu sen­den, Pro­gram­me und Kan­di­da­tIn­nen zu prä­sen­tie­ren, und auch über das Eröff­nen von Foren hin­aus­geht, son­dern tat­säch­lich einen vir­tu­el­len Raum dar­stellt, in dem Men­schen sich sowohl auf­hal­ten als auch aktiv sind. 

Blogging
Live-Blog­ging bei der baden-würt­tem­ber­gi­schen Regio­nal­kon­fe­renz um Grundeinkommen/Grundsicherung

Soweit die Vor­be­mer­kung. Was bedeu­tet es nun, das „Web 2.0“ für Wahl­kämp­fe und Par­tei­kom­mu­ni­ka­ti­on zu nut­zen? Nahe­lie­gend sind dabei zwei Din­ge: zum einen der „user gene­ra­ted con­tent“, also die akti­ve Betei­li­gung von Men­schen, und zum ande­ren die sozia­le Ver­net­zung über das Inter­net. Dabei ent­ste­hen dann Din­ge wie meinespd.net oder my.fdp als gro­ße par­tei­po­li­ti­sche Web 2.0‑Plattformen bzw. Com­mu­ni­ties, und auf einem klei­ne­ren Level par­tei­po­li­ti­sche Blogs, Pod­casts (a la Mer­kel …) und Wiki-Expe­ri­men­te (pdf).

In die­sem Rah­men bewe­gen sich auch Über­le­gun­gen, wie Bünd­nis 90/Die Grü­nen, lan­ge Zeit netz­po­li­ti­sche Vor­rei­ter und wei­ter­hin eine Par­tei mit einer sehr netz­af­fi­nen Wäh­ler­schaft, bes­ser mit dem Web 2.0 klar­kom­men kön­nen. Es gibt vie­le Blogs ein­zel­ner Leu­te und Kam­pa­gnen­blogs zu Kli­ma oder Über­wa­chung, mehr oder weni­ger alle Abge­ord­ne­ten haben ihre Web­sites, auf den Bun­des- und Lan­des­ver­bands­sei­ten sind häu­fi­ger mal Pod­casts und inter­ak­ti­ve Schnipp­sel (wie der „Grün-o-mat“) zu fin­den usw. Ab und zu wird mit die­sen oder jenen Ele­men­ten des Web‑2.0‑Portfolio expe­ri­men­tiert – die­se Expe­ri­men­te (etwa BDK inter­ak­tiv oder Wikis für Pro­gramm­bau­stei­ne) ver­schwin­den aber genau so schnell wie­der, wie sie gekom­men sind. Ein ein­heit­li­ches Kon­zept fehlt weit­ge­hend, ist in der sehr auf Auto­no­mie bedach­ten Struk­tur der Par­tei wohl auch schlecht durch­setz­bar. Eben­so gibt es bis­her nichts in Rich­tung „mein grün“ für Mit­glie­der und erst recht nicht für WählerInnen. 

2009 ste­hen nun Europa‑, BaWü-Kom­mu­nal- und Bun­des­tags­wahl an. Umso drän­gen­der wird die Fra­ge, in wel­che Rich­tung sich der „green space“ ent­wi­ckeln soll. Dabei geht es um ver­schie­de­ne Ziel­grup­pen für die Web‑2.0‑Nutzung der Par­tei; mir fal­len min­des­tens vier ein: 

  1. Grü­ne Funk­tio­nä­rIn­nen bzw. grü­ne Glie­de­run­gen, die ein­fach und schnell ins Netz wol­len (z.B. mit Word­Press). Bezo­gen auf den Kom­mu­nal­wahl­kampf heißt das bei­spiels­wei­se auch: unge­fähr 500 grü­ne und grün-nahe Lis­ten und etwa zehn­mal so vie­le Kan­di­da­tIn­nen könn­ten im Netz auf­tau­chen. Aber auch außer­halb des Wahl­kampfs soll­te der vir­tu­el­le Info­stand nicht ein­ge­klappt werden.
  2. Grü­ne Mit­glie­der und Akti­ve, die sich mit Gleich­ge­sinn­ten aus­tau­schen und kurz­schlie­ßen wol­len – neben Blogs fin­det da viel heu­te in Mai­ling­lis­ten statt, so ist’s jeden­falls im lin­ken Flügel.
  3. (Poten­zi­el­le) Wäh­le­rIn­nen, die mehr wol­len, als nur eine Hoch­glanz­web­site in die Hand gedrückt zu bekom­men, wobei das „mehr“ sowohl in Rich­tung Unter­hal­tung als auch in Rich­tung tie­fer­ge­hen­de Information/Interaktion gehen kann.
  4. Bis­her poli­tisch schlecht erreich­te „Neti­zens“, die, so die Ver­mu­tung eini­ger, eigent­lich viel mit Grün anfan­gen kön­nen müss­ten, wenn sie doch bloss mal her­schau­en würden.

Mei­ne Fra­ge an alle ist jetzt schlicht: wel­che (ziel­grup­pen­spe­zi­fi­schen) Bau­stei­ne sind not­wen­dig, um – mög­lichst jen­seits der gro­ßen Lösung – wir­kungs­voll den Info­stand 2.0 und mehr im vir­tu­el­len „green space“ auf­zu­stel­len? Oder anders gesagt: wel­che Ele­men­te wer­den (von wem) sehn­lichst herbeigewünscht?

War­um blog­ge ich das? Aus prin­zi­pi­el­lem Inter­es­se, aber auch, weil ver­schie­de­ne par­tei­in­ter­ne Ver­net­zun­gen zu die­sem The­ma exis­tie­ren, und ich mit man­chen dort vor­ge­schla­ge­nen „Hype“ und/oder Mar­ke­ting-Lösun­gen nicht so viel anfan­gen kann.

Update: Weil’s so schön passt, hier noch ein Hin­weis auf die gera­de erschie­nen Kurz­stu­die zu Poli­tik im Web 2.0 von new­thin­king (dabei geht es um die Nut­zung der exis­tie­ren­den Web 2.0‑Infrastrukturen durch Par­tei­en und PolitikerInnen).

Update 2: Spree­blick geht eben­falls auf die new­thin­king-Stu­die ein und fragt sich, wer die Web 2.0‑Lücke „schlie­ßen wird. Denn im Grun­de stellt die Abwe­sen­heit pro­fes­sio­nel­ler Poli­tik­kom­mu­ni­ka­ti­on eine Chan­ce dar. Denn wenn sich Men­schen ver­net­zen, ent­ste­hen Macht und Ein­fluss. Auch in Deutschland.“

Update 3: (4.7.2008) Viel­leicht noch eine ergän­zen­de Über­le­gung: mög­li­cher­wei­se sind klei­ne­re, spe­zia­li­sier­te­re Web 2.0‑Netzwerke für die Kom­mu­ni­ka­ti­on und Dis­kus­si­on poli­ti­sche Bot­schaf­ten inter­es­san­ter (oder zumin­dest eben­so inter­es­sant) wie die gro­ßen vier oder fünf (Face­book, Stu­diVZ, XING, …). Mir fal­len dabei einer­seits the­ma­tisch ori­en­tier­te Platt­for­men ein, also z.B. utopia.de (sie­he auch hier) mit The­men­schwer­punkt „nach­hal­tig leben“ (zu dem The­ma gibt’s natür­lich auch dut­zen­de klei­ne­re Blogs und Pro­jek­te), oder kaioo als „sozia­les“ social net­work (mehr bei Hen­ning), aber auch z.B. loka­li­sier­te Com­mu­ni­ties wie z.B. das BZ-nahe fud­der für Frei­burg (Stich­wor­te dazu hier) oder stuttgart-blog.net als Ver­net­zung der loka­len Blog-Sze­ne in Stutt­gart. Zu den Akti­vi­tä­ten loka­ler Zei­tun­gen im Netz steht pas­send heu­te was bei Spie­gel Online. Es gibt sicher noch eine gan­ze Rei­he mehr an loka­len Com­mu­ni­ties, selbst in Baden-Würt­tem­berg. Bis­her weni­ger erfolg­reich schei­nen mir dage­gen Sachen wie meinestadt.de (nur als Bei­spiel für die Klas­se von Platt­for­men genannt) zu sein, die ver­su­chen, ein glo­ba­les Sys­tem für loka­le Ange­bo­te auf­zu­bau­en. Das wächst von unten her IMHO besser.

Update 4: (6.7.2008) In der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia gibt es eine lan­ge Lis­te von „social net­wor­king web­sites“. Scheint mir ganz hilfreich.

Update 5: (7.7.2008) Auch Hen­ning fragt in sei­nem Blog jetzt: „Was erwar­tet ihr von der Poli­tik im Web 2.0?“

Gedankenexperiment: zwei grüne Listen

Kurz hat­te ich ja schon dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es hier in Frei­burg durch den Aus­tritt von Coin­neach McCa­be und Moni­ka Stein aus der grü­nen Frak­ti­on gera­de tur­bu­lent her­geht. Etwas schief ange­guckt wur­de ich, weil ich die­sen Aus­tritt u.a. damit kom­men­tiert habe, dass das bes­te Ergeb­nis wohl zwei grü­ne Lis­ten wären. Was mei­ne ich damit?

After Work Party "Innovation und Arbeit" I
Einen Haken für jeden poli­ti­schen Mantel?

Der­zeit ist das Ver­ständ­nis der Situa­ti­on ja fol­gen­des: zwei „Abtrün­ni­ge“ tre­ten aus der Frak­ti­on aus, die letzt­lich auf die Wahl­ver­samm­lung der grü­nen Par­tei­mit­glie­der zurück­geht, und machen eine eige­ne Grup­pe im Gemein­de­rat auf, mit der Ankün­di­gung, viel­leicht auch bei den Wah­len 2009 anzu­tre­ten. Der ers­te Gedan­ke eines guten Par­tei­mit­glieds muss jetzt natür­lich sein: das geht nicht, jeden­falls nicht, solan­ge die Mit­glied bei Bünd­nis 90/Die Grü­nen blei­ben, denn dann gäbe es eine kon­kur­rie­ren­de Lis­te und damit ein par­tei­schä­di­gen­des Ver­hal­ten. Das gan­ze wäre auch inso­fern para­dox, als ja bei­spiels­wei­se alle in Frei­burg woh­nen­den grü­nen Par­tei­mit­glie­der (so sie gene­rell wahl­be­rech­tigt sind) die Kom­mu­nal­wahl­lis­te auf­stel­len. Dann könn­ten auch auf kon­kur­rie­ren­den Lis­ten antre­ten­de Par­tei­mit­glie­der mit­ent­schei­den, wer denn da gegen sie auf­ge­stellt wird. Ist schräg und zurecht durch Sat­zun­gen gedeckelt.

Das gan­ze lie­ße sich aber auch noch aus einem ganz ande­ren Blick­win­kel anschau­en. Bei der letz­ten Kom­mu­nal­wahl haben die Frei­bur­ger Grü­nen – als Volks­par­tei, die sie hier sind – 25,8 Pro­zent und damit 13 Sit­ze erhal­ten (Quel­le). Mög­li­cher­wei­se liegt das kom­mu­na­le Wäh­le­rIn­nen-Poten­zi­al für grü­ne Poli­tik im wei­te­ren Sin­ne jedoch noch deut­lich höher. Eine Volks­par­tei hat immer das Pro­blem, rela­tiv kom­pro­miss­hal­ti­ge Pro­gram­me schrei­ben und umset­zen zu müs­sen. Je stär­ker die Aus­rich­tung in eine Rich­tung (das muss jetzt nicht mal unbe­dingt das klas­si­sche Sche­ma links-rechts sein, son­dern kann auch z.B. hei­ßen Kul­tur­po­li­tik vs. Umwelt­schutz) geht, und je eher das über die tat­säch­li­che Wäh­le­rIn­nen­schaft hin­aus­ge­hen­de Poten­zi­al in die­ser Rich­tung „abge­schöpft“ wird, des­to grö­ßer ist das Risi­ko von Ver­lus­ten am ent­ge­gen­ge­setz­ten Rand des Spek­trums der Par­tei. Ent­spre­chend kommt es zu Wan­de­run­gen zu ande­ren Lis­ten oder ins Lager der NichtwählerInnen. 

Die der­zei­ti­ge Frak­ti­on in Frei­burg besteht aus den Grü­nen und aus der Lis­te Jun­ges Frei­burg, die eigen­stän­dig ange­tre­ten ist. Auch die­se Kon­stel­la­ti­on ist nicht ohne Schwie­rig­kei­ten, zuletzt gab es ja auch hier Aus­schlüs­se, Über­trit­te, und so wei­ter. Trotz­dem ist zu ver­mu­ten, dass die von zwei getrenn­ten Lis­ten „Jun­ges Frei­burg“ einer­seits und „Die Grü­nen“ ande­rer­seits erreich­te Pro­zent- und Sitz­zahl höher ist als die einer gemein­sa­men Lis­te, die sich von vor­ne­her­ein auf Kom­pro­mis­se eini­gen hät­te müs­sen. Das Wahl­sys­tem setzt dem Prin­zip „getrennt antre­ten, ver­eint schla­gen“ enge Gren­zen; auch das Aus­zäh­lungs­ver­fah­ren nach d’Hondt begüns­tigt ten­den­zi­ell grö­ße­re Listen.

Jetzt ganz hypo­the­tisch gespro­chen: was wür­de pas­sie­ren, wenn die Frei­bur­ger Grü­nen fest­stel­len, dass ein best­mög­li­ches Ange­bot für rele­van­te und poli­tisch nahe­ste­hen­de Wäh­le­rIn­nen-Ziel­grup­pen dar­in bestehen wür­de, nicht mit einer Lis­te anzu­tre­ten, son­dern mit zwei Lis­ten, die bei­de von der Par­tei Bünd­nis 90/Die Grü­nen unter­stützt und – viel­leicht pro­por­tio­nal zu einem Abstim­mungs­er­geb­nis – mit Gel­dern für den Wahl­kampf ver­se­hen wer­den? Ein­mal abge­se­hen davon, dass das ein sol­ches Vor­ge­hen mög­li­cher­wei­se recht­lich pro­ble­ma­tisch ist (Darf eine Par­tei über­haupt zwei Lis­ten ins Ren­nen schi­cken? Wer stellt dann wen auf?) könn­te ich mir vor­stel­len, dass unter der Rah­men­be­din­gung „Volks­par­tei mit gro­ßem Wäh­le­rIn­nen-Poten­zi­al“ ein Antre­ten mit zwei Lis­ten zu einem bes­se­ren Gesamt­ergeb­nis führt als eine Lis­te. Bei­de Lis­ten müss­ten dann natür­lich pro­gram­ma­tisch klar von ein­an­der abge­grenzt sein und jeweils ein eige­nes Pro­fil haben – viel­leicht einen Kern von gemein­sa­men For­de­run­gen, und dann jeweils eine dif­fe­ren­zie­ren­de Akzent­set­zung. Damit wür­den ziel­grup­pen­spe­zi­fi­sche Pro­duk­te auf den Wahl­markt gewor­fen, die – so die jewei­li­gen Ver­spre­chen dann auch gehal­ten wer­den – ins­ge­samt zu einer grö­ße­ren Akzep­tanz füh­ren könn­ten als eine gemein­sa­me Liste. 

Um es klar zu sagen: bei einem Poten­zi­al im ein­stel­li­gen Bereich bie­tet sich so ein Vor­ge­hen genau­so wenig an wie z.B. bei Bür­ger­meis­ter­wah­len, wo ja letzt­lich nur eine Per­son gewählt wer­den kann. Aber wenn es dar­um geht, mehr als ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung mit ange­mes­se­ner Poli­tik zu ver­sor­gen, könn­ten zwei pro­fi­lier­te Lis­ten eine inter­es­san­te Lösung sein.

Soweit das Gedan­ken­ex­pe­ri­ment – die recht­li­chen Mög­lich­kei­ten und die poli­ti­schen Rea­li­tä­ten sehen ver­mut­lich anders aus. Und auch die klei­ne Lösung, also eine gemein­sa­me Lis­te, aber eine kla­re Iden­ti­fi­ka­ti­on von ein­zel­nen Grup­pen auf die­ser Lis­te, um die in Baden-Würt­tem­berg vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit des Kumu­lie­rens mit Leben zu fül­len, erscheint mir lei­der recht unwahrscheinlich. 

Trotz­dem ist es viel­leicht gar nicht so falsch, eben gera­de auch ange­sichts der rela­tiv ver­fah­re­nen aktu­el­len Situa­ti­on dar­über nach­zu­den­ken, ob mit inno­va­ti­ven Stra­te­gien nicht doch letzt­lich mehr dar­aus wer­den kann als eine gro­ße Schlamm­schlacht kurz vor der Wahl. Quer­zu­den­ken (belieb­te grü­ne Fähig­keit, außer, sie wird ein­ge­setzt) kann hier viel­leicht mehr gewin­nen als der Rück­griff auf schein­bar bewähr­te Handlungsrollen.

War­um blog­ge ich das? Weil kur­ze schnip­pi­sche Kom­men­ta­re leicht miss­ver­stan­den werden.