Vor einigen Tagen sorgte die Veröffentlichung einer empirischen Studie zum Linksextremismus – begleitet von einigen Presseartikeln – für Furore. Mir liegt bisher nur die Pressemitteilung (hier die recht ausführliche Langfassung) der FU Berlin zu der Studie von Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder vor; die Studie selbst ist als Buch für rund 30 Euro erhältlich. Ich nutze sie als Einstieg für eine Debatte über Ideale, Zivilgesellschaft und Parlamente.
Kurz: … und Verantwortung
Zum Dranrumknabbern die Frage, was der richtige Ort der Grenzen der grundgesetzlich garantierten Freiheiten wäre. Moralisch oder so betrachtet wäre das die Freiheit der Anderen – aber wie viel davon lässt sich staatlich (und damit politisch) festlegen, und wie viel kann sinnvollerweise nur auf so eine Art vagen zivilgesellschaftlichen Konsens bezogen werden, der sich letztlich auf individuell zuzurechnende Eigenschaften – Tugenden? – wie Achtung, Aufmerksamkeit, Respekt, Höflichkeit oder eben Verantwortung reduzieren lässt, aber kaum gesetzlich regulierbar ist? Diese Frage taucht bei Eingriffen in die Freiheit der Wissenschaft (da gibt es dann noch so etwas wie die imaginäre Gemeinschaft der WissenschaftlerInnen, die in Kollektivsubjekten wie den Mitgliedern einer Universität eine konkrete Form annimmt) ebenso auf wie bei der Debatte um Meinungs- und Pressefreiheit. Anders gesagt: Mit Freiheiten kommt Verantwortung im Hinblick auf Konsequenzen, die aber – und das ist der knifflige Punkt – individuell gefüllt und nicht vom Staat übernommen und entschieden werden kann. Damit meine ich nicht, dass der Staat individuelle Freiheiten nicht schützen muss. Das ist definitiv eine staatliche Aufgabe. Vielmehr meine ich, dass es falsch wäre, von Staat und Politik einzufordern, den verantwortlichen, respektvollen, … Umgang mit individuellen Freiheiten einzufordern. Das hieße, zu Ende gedacht, Zensur bestimmter Handlungen und Äußerungen bzw. Kataloge erlaubter bzw. verbotener Füllungen für individuelle Freiheiten. Oder, schlimmer noch, Willkür und damit eine völlige Entleerung der Freiheiten.
So weit, so gut – was aber tun mit denen, die unhöflich, respektlos, unverantwortlich ihre Freiheiten nutzen? Braucht es da doch staatlich durchsetzbarer Schranken (Beleidigung, üble Nachrede, Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Verwendung nationalsozialistischer Symbole, …) – oder ist hier eine starke Zivilgesellschaft gefragt, die gegebenenfalls widerspricht, erklärt, isoliert und subtil Standards des Umgangs durchsetzt, möglicherweise auch in Form gewisser Institutionalisierungen (Presserat, Ethikkommissionen, …)? Und wenn ja – welche Rolle spielen Bildung sowie die Gewähr medialer wie öffentlicher Räume dafür, dass dieses Vorhaben klappt? (Und was passiert, wenn neue Kommunikationsformen etablierte Standards in Frage stellen?)
Faktisch leben wir in einer heterogenen Welt, in der gesetzliche und gesellschaftlich-diskursive Schranken der individuellen Freiheiten wild durcheinandergehen und sich noch dazu ständig neu ordnen. Den leeren Tisch, auf dem die Frage nach Freiheit und Verantwortung ordentlich sortiert werden kann, gibt es nicht. Und trotzdem bleibt ein Unbehagen sowohl mit Versuchen der staatlichen Einschränkung als auch mit der Wahrnehmung (neuer?) zivilgesellschaftlicher Leerstellen, wo es um einen verantwortlichen Umgang miteinander geht.
Zivilgesellschaft, transformative Wissenschaft, und was die Netzgemeinde damit zu tun hat
Das Bild, dass ich von der re:publica 14 habe, ist sicherlich verzerrt, nehme ich sie doch nur durch den Filter der sozialen Medien wahr, in denen Menschen aus meinem weiteren Umfeld das eine oder andere darüber schreiben. Aus dieser verzerrten, vermittelten Wahrnehmung heraus gewinne ich den Eindruck, dass doch vieles ähnlich ist wie 2013, und dass meine Entscheidung, dieses Jahr nicht zum „Klassentreffen des Internets“ – zum Treffen der digitalen Klasse? – zu fahren, daher so falsch nicht war.
Ich war dennoch heute in Berlin, allerdings ganz woanders, nämlich bei einer Tagung der ForschungsWende, bei der es um mögliche neue Allianzen zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft ging. Ich will jetzt gar keinen Tagungsbericht abliefern, aber vielleicht sind ein paar Worte zum Kontext notwendig: