Nach rund drei Jahren hat es mich dann auch erwischt (immerhin weiß ich jetzt, dass ich die Tests richtig verwendet habe … war da nach immer wieder negativen Tests schon irritiert). Also: Corona, vermutlich nicht aus dem maskenlosen ÖPNV oder aus einer der Versammlungen in den letzten Wochen, sondern von einem der Kinder aus der Schule mitgebracht. Verlauf ist bisher ok – Kopf- und Gliederschmerzen, rauer Hals, Husten und Geschniefe. Toi, toi, toi.
Zeit des Virus, Update XVII
Gut einen Monat nach meinem letzten Eintrag habe ich den Eindruck zweier paralleler Welten. Inzidenz und Hospitalisierung sind hoch, Lauterbach warnt, Maskenpflichten für den Herbst – warum erst da? – werden angekündigt. Gleichzeit finden Festivals, Aufführungen und Partys statt, in Bus und Bahn gilt zwar nominell noch eine Maskenpflicht, die Quote derer, die sich daran halten, sinkt aber deutlich, und an PCR-Tests zu kommen, ist schwierig. Und ja: auch ich bin zu einem Konzert (ca. 5% mit Maske) und zu Schukltheateraufführungen (dito) gegangen.
Das Bild für die aktuelle Phase: die Leute halten sich die Ohren zu und rufen laut „Ich kann dich nicht hören!“.
Auch uns hat Corona erwischt. Schulausflug des 13-jährigen mit dem ÖPNV am Freitag, am Sonntag klagte er über Kopfweh, Müdigkeit und war kurz darauf ziemlich erledigt – Fieber, Halsweh, Kopfweh, Erbrechen, Schmerzen, Angst, Brain Fog – das ganze elende Programm. Nicht schön anzuschauen, und trotzdem wohl eher mild. Schnelltest erst noch negativ, am nächsten Tag dann klar positiv. Nach ungefähr 24 Stunden war der Spuk wieder vorbei, die Tests erstmal weiter positiv. Ein paar Tage später war dann die 16-jährige dran – Halsweh, viel Schlaf, ein stoisches Ertragen … und lange zehn Tage immer wieder positive Schnelltests und das Gefühl, nicht richtig fit zu sein.
„Zumindest haben wir den richtigen Zeitpunkt erwischt“, so der Tenor der Kinder. Kurz vor den Sommerferien passiert in der Schule nicht mehr viel. Und beide konnten zu ihren Theateraufführungen, Corona/positive Tests genau dazwischen gepuzzelt.
Ich selbst rechnete nach den Leiden des Jüngeren fest damit, jetzt auch erwischt zu werden. War da nicht ein Kratzen im Hals, das Gefühl von Unkonzentriertheit und Mattigkeit? Würde das bei mir auch so heftig ausfallen?
Obwohl wir gemeinsam am Frühstückstisch und auf dem Sofa gesessen hatten, blieben die Schnelltests bei mir negativ. Später versuchten wir dann, im Haus Masken zu tragen, nicht gemeinsam zu essen und so weiter. Trotzdem irritierte mich das Ausbleiben des scheinbar unausweichlichen zunehmend. Also der Versuch, das in einer Corona-Schwerpunktpraxis abklären zu lassen – so, wie es in der FAQ des lokalen Gesundheitsamts empfohlen wird, wenn gerade kein Hausarzt greifbar ist. Nach x Versuchen erreiche ich eine der Praxis endlich: nur um zu erfahren, dass PCR-Tests auch bei Symptomen erst nach Vorliegen eines positiven Schnelltests gemacht werden können, neue Anweisung.
Letztlich bin ich dann zu einer Schnelltest-Station und habe 75 Euro für einen PCR-Test gezahlt. Zu meiner Überraschung fiel auch der negativ aus; das habe ich dann mal so akzeptiert.
Wer weniger privilegiert ist, muss auf diese Sicherheit verzichten – und geht dann möglicherweise halt trotzdem zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Party.
Und wer gut aufgepasst hat, hat mitgezählt: in die offizielle Inzidenz ist von drei Personen genau ein – negativer – Test eingeflossen. Bei den Kindern sahen wir keinen Sinn darin, mit Symptomen und klar positivem Schnelltest die Kinder zur Ärztin oder zur Teststation zu schleppen. Ich vermute sehr stark, dass die offizielle Inzidenz gerade sehr weit weg von der tatsächlichen Zahl der Fälle liegt. Was nicht gut ist.
Zeit des Virus, Update XV
Eigentlich bin ich ja davon ausgegangen, dass jetzt, Anfang März, die Situation eine ganz andere sein wird als sie es noch im Januar war. Für ein paar Tage hat der Ukraine-Krieg Corona etwas in den Hintergrund gedrängt. Aber nach über zwei Jahren ist Corona noch immer nicht vorbei, und es wird immer deutlicher, dass es dieses Vorbeisein vielleicht gar nicht geben wird.
Und ich hatte vermutet, dass die fünfte Welle jetzt rapide zurückgeht, aber dem ist nicht so. Ob es an der Omikron-Subvariante BA.2 liegt, an den zwischenzeitlich vorgenommenen Lockerungen, an Fasching und Karneval oder an zunehmenden Zahlen von Reinfektionen: gerade geht die Inzidenz in Baden-Württemberg wieder steil nach oben. Und die Zahl der Infektionen im näheren oder weiteren Umfeld, von denen man so hört, nimmt ebenfalls rapide zu. Die fünfte Welle wird also entweder zu einem Hochplateau oder wir kriegen in Kürze eine sechste Welle und immer weitere Ausbrüche bis in den Sommer hinein. Ein Rückgang der Inzidenz, inzwischen deutlich über 1500, zeichnet sich jedenfalls nicht ab. Wie es dann im Winter aussehen wird? Keine Ahnung. Mich macht das ratlos.
Und ja, eigentlich will jetzt niemand mehr etwas von Corona hören. Wer sich impfen lassen wollte, ist geimpft (gut drei Viertel) und geboostert (etwa die Hälfte) – auch mit Novavax als eher klassischem Impfstoff ist die Zahl der neuen Impfungen nahezu zum Erliegen gekommen. An der Geschichte, dass einige zusätzliche Impflinge dazu kommen würden, wenn es denn erst einen Impfstoff gibt, der nicht auf mRNA und Proteinschnippseln basiert, war wohl nicht so viel dran.
In dieser Situation stellen heute die Minister Buschmann (FDP) und Lauterbach (SPD) ihren Kompromiss dazu vor, wie der Werkzeugkoffer für weitere Schutzmaßnahmen für die Länder ab dem 20. März aussehen wird. Die FDP hat längst einen „Freedom Day“ ausgerufen, nur irgendwie vergessen, dass auch dem Virus mitzuteilen. Aber sie hält stur daran fest, dass so gut wie alle Maßnahmen ab dem 20. März entfallen und unmöglich gemacht werden sollen. Egal, wie groß die Proteste – beispielsweise von Ministerpräsident Kretschmann aus der Corona-Isolation – sind. Und Lauterbach verkündet das als guten Kompromiss, mit dem „wir“ bis zum Herbst – dann läuft der nämlich aus – arbeiten können.
Soweit ich das verstehe, entzieht dieser „Kompromiss“ de Ländern die Möglichkeit, Abstandsgebote und Maskenpflichten vorzuschreiben, ausgenommen ist der ÖPNV. Eine Grundlage für Masken als effektivstes Mittel des Ansteckungsschutzes gibt es dann weder in Supermärkten noch in Schulen. Immerhin „darf“ in Schulen weiter getestet werden – was das bringen soll, wenn dafür Schnelltests eingesetzt werden, die für Omikron nicht wirklich sensitiv sind, und wenn damit nur nachvollziehbar wird, dass es zu Ansteckungen kommt, ist mir nicht so ganz klar.
Die kleine Hintertür (oder aus Lauterbachs Sicht wohl der Grund, warum er zustimmen kann) ist eine Hotspotregelung vorgesehen, d.h. bei besonders hohen Werten (unklar, welche) oder besonders starken Belastungen der Krankenhäuser darf regional abgegrenzt zu schärferen Mitteln gegriffen werden. Ich kenne keine Details, aber das ganze wirkt recht kompliziert. Und ich befürchte, dass es auch hier Fußnoten und Fußangeln gibt, die den effektiven Infektionsschutz durch den Einsatz der Hotspotregelung erschweren.
Das ganze ist der Entwurf der Bundesregierung, der noch nicht mit den Fraktionen der Ampel und auch nicht mit den Ländern abgestimmt ist. Insofern gibt es noch den Hauch einer Chance, dass hier doch eine etwas vernünftigere Lösung herauskommt, die nicht daraus besteht, sich die Hände auf den Rücken zu binden (bzw. den Ländern die Hände auf den Rücken zu binden), und ein Virus durchrauschen zu lassen, das wohl doch in einem nicht ganz kleinen Teil der Fälle zu Spätfolgen, „Long Covid“ und kognitiven Beeinträchtigungen führt.
Soviel zur Zeit des Virus, oder dem jetzt in sein drittes Jahr gehenden März 2020.
Zeit des Virus, Update XIV
Die Omikron-Welle, die sich im Dezember andeutete, ist jetzt auch bei uns angekommen. Die Inzidenz für Freiburg liegt inzwischen bei 700, auch die bundesweiten Werte steigen schnell an. Gleichzeitig macht sich eine gewisse Wurstigkeit breit, auch deswegen, weil Omikron wohl tatsächlich tendenziell zu weniger Krankenhauseinweisungen und Todesfällen – in einer mittlerweilen recht gut geimpften und teilweise auch geboosterten Bevölkerung – führt. Es geht jetzt eher darum, wie Exit-Optionen aus der Pandemiebekämpfung aussehen, und an welcher Stelle diese einsetzen sollen.
Ich kann rational nachvollziehen, warum das so ist, und dass wir wohl tatsächlich an dem Punkt sind, an dem es um „mit dem Virus leben“ geht – und zwar so, dass schwere Erkrankungen vermieden werden, also durch Impfungen. Glücklich bin ich damit nicht, auch deswegen nicht, weil damit der Kurs, möglichst viele Infektionen zu verhindern, aufgegeben wird. Ob diese Strategie richtig ist, oder ob das drastische Vorgehen einiger asiatischer Staaten mit harten Lockdowns schon bei wenigen Fällen erfolgreicher ist, wird sich im Nachhinein zeigen.
Dass es hier einen Kurswechsel gibt, lässt sich aus den ergriffenen oder nicht ergriffenen Maßnahmen ableiten – kein Distanzunterricht, kein Lockdown, keine Quarantäne für Geboosterte. So richtig ordentlich kommuniziert wird das jedoch nicht. Wie ich überhaupt mit der aktuellen politischen Kommunikation zur Pandemie eher unzufrieden bin. Das fängt dabei an, dass zwar massenweise per Zeitungsanzeige fürs Impfen geworben wird, aber keine persönlichen Adressierung erfolgt, wie das einige andere Länder gemacht haben. Und es endet nicht beim parteipolitischen Gezerre um die mit Blick auf die Omikron-Welle viel zu späte Impfpflicht. Ich vermisse hier die angeblich bei Bundeskanzler Scholz zu bestellende Führung – ein „macht mal, wir gucken mal, und klar bin ich dafür, dass es eine Impfpflicht gibt“ hilft nicht wirklich.
Notwendig wäre eine bessere Kommunikation gerade deswegen, weil inzwischen unangemeldete Versammlungen von Corona-Leugner:innen, Neonazis und Impf-Gegner:innen nahezu täglich stattfinden, und weil diese Mischung mit Demos auf die Straße geht und versucht, die Diskurshoheit zu erringen. Eine beeindruckend langer Demozug dieser Melange zog sich am Samstag durch Freiburg – und es war für mich erschreckend, live zu sehen, wie sich hier Staatsverächter:innen, Antisemit:innen und Menschen mischten, die Herzluftballons schwenkten und optisch durchaus in ein alternatives Milieu passen würden. Nein, es geht nicht um „wir haben uns doch alle lieb“ – es geht darum, ob eine immer noch tödliche Krankheit mit sinnvollen Maßnahmen wie der Impfung bekämpft wird, oder ob das nicht passiert.
Die Umfragezahlen ergeben ein anderes Bild, als es diese Demonstrant:innen darstellen wollen. Drei Viertel der Befragten halten die geltenden Corona-Maßnahmen für richtig oder wollen, dass diese schärfer ausfallen. Und etwa zwei Drittel sprechen sich für eine allgemeine Impfpflicht aus – nur bei den Anhänger:innen der AfD gibt es klar keine Mehrheit dafür. Und die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen werden nur von einer deutlichen Minderheit der Bevölkerung begrüßt – bei Wähler:innen der Grünen sind es gerade einmal sieben Prozent, die diese Proteste gut finden. Auch hier: ein unheitliches Bild bei der FDP, große Zustimmung zu den Protesten bei den Fans der AfD.
Auch das unterstreicht noch einmal die Einschätzung, dass das Fenster nach rechts hier weit offen ist.
Entsprechend habe ich mich gefreut, dass sich in Freiburg ein Bündnis gebildet hat („FreiVAC“), das am Samstag ebenfalls auf die Straße gegangen ist, um für Wissenschaftlichkeit, für das Impfen und gegen Antisemitismus zu protestieren. Bei ‑1°C wurde es auf dem Platz der Alten Synagoge recht kalt, aber immerhin: der Platz war voll, und die Reden (u.a. von Chantal Kopf und Monika Stein) waren sehr gut und ein deutliches „Nein“ zum zeitgleichen Umzug der Melange der Corona-Freund:innen.
In other news: wie schon vor Weihnachten gab es in der Klasse eines meiner Kinder einen durch einen positiven PCR-Test bestätigten positiven Schnelltest (in der ersten Woche nach Schulbeginn wurde jeden Tag getestet). In der Folge also „Kohortierung“: die Klasse wird von den anderen Klassen getrennt, und der Ganztagsteil des Unterrichts entfällt, der Nachmittagsunterricht wird online erteilt bzw. es gibt Aufgaben. Die bestätigt positiven Tests häufen sich auch in anderen Klassen – ich bin gespannt, ob das nicht doch noch dazu führt, dass komplett auf Fernunterricht umgestellt wird; dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn Omikron für den Ausfall vieler Lehrkräfte sorgt. (Ähnlich gibt es inzwischen Befürchtungen zur Stabilität der kritischen Infrastruktur und des ÖPNV, wenn die Omikron-Welle zu viele Krankmeldungen verursacht – auch deswegen wohl das Ende der Quarantäne-Regelung für Geboosterte).
Ich selbst war diese Woche (abgesehen von der Teilnahme an der FreiVAC-Kundgebung mit Maske und Abstand) besonders vorsichtig – wir hatten Fraktionsklausur, als Hybridveranstaltung angelegt, abgesichert durch PCR-Tests für alle vor Ort teilnehmenden. Eigentlich hatte ich vor, nach Stuttgart zu fahren, fand das dann aber doch zu riskant* und habe insofern online teilgenommen (samt Input, Online-Workshop und dem einen oder anderen Back-Office-Kram). Geht auch, fühlt sich aber doch anders an als eine „richtige“ Klausur. (* riskant gar nicht so sehr wegen einer möglichen Ansteckung, sondern mit Blick auf die logistische Frage, was passiert, wenn in Stuttgart ein Test positiv ausschlägt, und ich direkt oder indirekt davon betroffen wäre …)
Zeit des Virus, Update XIII
In meinem letzten Update hieß die Omikron-Variante noch „Ny“. Um Missverständnisse zu vermeiden, wurde dieser Virus-Variante aber weder der Name „Ny“ noch der Name „Xi“ gegeben, sondern erst der nachfolgende Buchstabe im griechischen Alphabet, eben „Omikron“. Und inzwischen ist Omikron in aller Munde. In einigen Ländern ist die Omikron-Welle schon voll am Laufen – beispielsweise in Großbritannien, in Norwegen und in Dänemark. Und wenn die Nachrichten stimmen, dann gehen die Niederlande ab heute Abend bis Mitte Januar in einen Lockdown – also einen richtigen – und in London wurde der Krisenfall ausgerufen. Alles deutet darauf hin, dass Omikron sehr viel ansteckender ist, dass die Impfungen nur bedingt wirken (etwas besser sieht es aus, wenn eine dritte Impfung, ein „Booster“ dazukommt), und dass die Gerüchte über leichtere Verläufe sich nicht bestätigen.
In Deutschland und auch hier in Baden-Württemberg machen die Omikron-Fälle, soweit das überhaupt erfasst wird, erst einen Bruchteil der Fälle aus. Die vierte Welle (Delta-Welle) hat ihren Höhepunkt überschritten, die Neuinfektionen etc. gehen wieder runter. Trotzdem sind die Inzidenzen noch recht hoch. Weiterhin gilt die Alarmstufe II, die beispielsweise Großveranstaltungen wie Weihnachtsmärkte untersagt und für Geschäfte jenseits des täglichen Bedarfs 2G vorsieht. In den Schulen gilt die Maskenpflicht und bei Infektionen, die bei den mehrmals in der Woche stattfindenden Tests festgestellt werden, ein Kohortierungsprotokoll.
Das „durften“ wir dann auch ausprobieren: da in der Klasse unseres Kindes ein PCR-bestätigter Fall aufgetreten war, wurde die Klasse für fünf Tage kohortiert, d.h. täglich getestet, das Mittagsband und der Nachmittagsunterricht wurde gestrichen, es gab die Empfehlung, auch privat auf Kontakte zu verzichten und die Kinder mussten die Pausen im Klassenzimmer verbringen. Und auch die Variante „rotes Signal in der CWA“ tauchte in den letzten Wochen bei uns auf, in der Folge dann ein PCR-Test (zum Glück negativ) beim anderen Kind.
Jetzt stehen die Weihnachtsferien bevor. Also, in manchen Bundesländern laufen sie schon, da wurde der Ferienbeginn vorverlegt. In Baden-Württemberg gab es die Möglichkeit, sich freiwillig in Selbstquarantäne zu begeben und die letzten drei Tage vor Weihnachten im Fernunterricht zu verbringen. Wir haben uns dazu entschieden, diese Möglichkeit zu nutzen, auch mit Blick auf Großelternbesuche zu Weihnachten. Die Schule hat dazu bei allen Kindern abgefragt, ob sie teilnehmen oder nicht. In den Klassen der Kinder sind es etwa 30–40 Prozent, die in die Selbstquarantäne gehen – und in Kauf nehmen, Klassenarbeiten nachschreiben zu müssen und die schulischen Weihnachtsfeiern zu verpassen.
Aber nicht nur Weihnachten steht vor der Tür, sondern auch die fünfte Welle, also die bereits erwähnte Omikron-Variante. Es gibt Modellierungen, nach denen bereits vor dem Jahreswechsel die Mehrzahl der Fälle hierzulande zu dieser Variante gehören könnten. „Unter der Decke“ der abflauenden Delta-Welle würde dann die fünfte Welle bereits anwachsen und uns kurz nach Weihnachten mit voller Wucht treffen. Damit wäre der Versuch, die fünfte Welle durch eine mögliche Impfpflicht zu verhindern, gescheitert.
Die Zahl der Impfungen hat in den letzten Wochen nochmals deutlich zugelegt. Es gibt aktuell sehr viele Möglichkeiten, sich impfen zu lassen. Allerdings sind das vor allem Booster-Impfungen, also Drittimpfungen derjenigen, die schon die erste und zweite Impfung hinter sich haben. Ich hatte heute einen solchen Booster-Termin im Gundelfinger Kultur- und Vereinshaus, die Impfungen haben dort die Malteser durchgeführt. Mit AstraZeneca, Biontech und Moderna habe ich jetzt alle drei großen Impfstoffe mal ausprobiert … und hoffe, dass das tatsächlich etwas bringt und die Booster-Impfung tatsächlich auch im Hinblick auf Omikron hilft.
Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist allerdings weiterhin gar nicht geimpft. Das sind viel zu viele, um das Virus an der Verbreitung zu hindern, dazu bräuchte es (bei Delta) 90 Prozent Impfquote. Im Januar soll der Bundestag darüber beraten, ob ab März eine allgemeine Impfpflicht eingeführt wird. Aus heutiger Sicht: viel zu spät. Und ob das kommt, ist auch noch nicht klar. Möglicherweise ist bis dahin der Impfstoff an die spezielle Struktur der Omikron-Variante angepasst. Oder es gibt eine vierte oder fünfte Impfung für alle. Ich bin jedenfalls bei weitem nicht der einzige, der nicht glaubt, dass es mit der dritten Impfung getan ist.
Dazu, wie weit das ungeimpfte Viertel der Bevölkerung vielleicht doch zu einer Impfung bereit wäre, gibt es unterschiedliche Bewertungen und Einschätzung. Ein Teil wird von den bisherigen Impfangeboten vermutlich schlicht nicht erreicht; vielleicht ist auch der soziale Druck nicht groß genug. Da würde eine Impfpflicht dann helfen. Ein anderer Teil besteht aus vehementen, zunehmend gewaltbereiten und verschwörungsaffinen Impfgegner*innen. Hier braut sich eine Minderheit zusammen, die das soziale Gefüge extrem belastet – und bis in Familien und Freundeskreise hinein für Spaltungen und Konflikte sorgt.
Leider ist eine Zutat in diesem Gemisch eine Impfskepsis, wie sie von schulmedizinfeindlicher Anthroposophie und von Freund*innen der Homöopathie genährt wurde. Das heißt nicht, dass es nicht auch in diesen Kreisen inzwischen Personen und Unternehmen gibt, die sich lautstark für eine Impfung einsetzen – vielleicht auch, um nicht den letzten Rest an Ruf zu verlieren. Und es ist bedauerlich zu sehen, dass es durchaus auch Kreise gibt, die mal grün-affin waren, und jetzt via „Basis“ in diesen Impfskepsissumpf reingerutscht sind. Die innergrünen Debatten rund um Homöopathie, Medizinverständnis, „alternative Medzin“ und Impfen vor einigen Jahren wirken jetzt wie eine Vorahnung dafür, dass es sich hier nicht nur um Meinungen handelt, sondern um eine Haltung, die aus Achtsamkeit für das eigene Ich heraus die Gefährdung anderer willentlich in Kauf nimmt.
Das geht bis hin zu Ärzt*innen, die behaupten zu impfen, aber nur Kochsalzlösung benutzen, und zu Pflegekräften, die sich nicht impfen lassen, Impfpässe fälschen und dann Menschen in den Einrichtungen, in denen sie arbeiten, anstecken und umbringen.
Es sind aber, das muss dazu gesagt werden, bei weitem nicht nur diese grün-affinen Kreise, die hier wirken – die AfD und andere rechte Parteien sind ebenso freudig dabei, auf den Zug der Impfskepsis aufzuspringen und eigene Verschwörungselemente beizumischen. Die harte Corona-Leugnung ist dagegen seltener zu hören, auch in den Landtagsreden der AfD hat sich die Tonlage etwas verändert. (Bei der Gelegenheit: hat jemand Bedarf für ein bis drei ostdeutsche Bundesländer, gebraucht, günstig abzugeben?)
Die Hoffnungen aus dem Sommer, dass die Pandemie bald überwunden sein könnte, haben sich jedenfalls als trügerisch erwiesen. Das zweite Weihnachten unter Pandemiebedingungen steht an. Und einiges deutet darauf hin, dass die bisherigen Kontaktbeschränkungen, Testpflichten und Teilnahmezahlbegrenzungen nur der Anfang sind und wir in eine Situation geraten, in der das öffentliche Leben noch stärker heruntergefahren werden muss. Der Blick auf das Jahr 2022 stimmt deshalb nicht besonders zuversichtlich. Der März 2020 ist noch immer nicht zu Ende.