Gestern hatten die Grünen eine Podiumsdiskussion zu den in Freiburg doch heftig umstrittenen Alkoholverboten. Ich selbst konnte umzugsvorbereitungsbedingt leider nicht hin, laut BZ war die Veranstaltung mit 100 Leuten gut besucht. Kontrovers genug dazu war sie ohne Zweifel. Eine ausführliche Einschätzung gibt es bei Thorsten – der nicht mit vorsichtiger Kritik an der grünen Fraktion spart.
Auf dem Weg zur Law-and-order-Burg?
Eigentlich habe ich gerade überhaupt keine Zeit für diesen Blogeintrag (wiederhole ich mich?), aber – ohne Verlinkung und auf die Schnelle – ich wollte doch kurz was zum aktuellen Freiburger Thema Alkoholverbot in der Innenstadt sagen. Alleine und für sich genommen wäre das ein etwas verfehlter Versuch des Streetworkings (da sind SozialarbeiterInnen aber eigentlich deutlich besser zu geeignet als PolizistInnen). Ein bißchen geht’s mir bei dem Thema wie beim Rauchverbot in Kneipen: mir selbst ist es eher egal (ich rauche nicht und trinke auch keinen Alkohol), aber aus prinzipiellen Erwägungen heraus finde ich es schwierig. Wie gesagt – für sich genommen wäre das mit dem Versuch, randalierende Jugendliche dadurch davon abzuhalten, dass der Verzehr von Alkohol im öffentlichen Raum in der Innenstadt verboten wird, ein bißchen seltsam (nicht zuletzt, weil das Weinfest auf dem Münsterplatz davon sicher nicht betroffen sein wird). Aber es steht halt nicht alleine da, sondern in einer Reihe mit dem rabiaten Vorgehen gegen das wilde Fahrradparken, mit dem Ess- und Trinkverbot in den Straßenbahnen, mit dem härteren Umgang mit spontanen Demos und der linksalternativen Szene, mit einem entsprechenden Polizeichef usw. Von einem grünen Oberbürgermeister und einer grünen Fraktion mit einer relativen Mehrheit hätte ich da – selbst in einer de facto schwarz-grünen Koalition, wie hier in Freiburg – dann doch ein bißchen was anderes erwartet. Bürgerrechtspartei, ein gewisses Bewusstsein dafür, dass Verbote meistens nur dazu führen, dass das Verbotene verlagert wird (die alkoholisierten Jugendlichen werden dann halt in Zähringen oder in Weingarten die harten Sachen trinken, bevor sie in die Straßenbahn steigen oder in der Innenstadt ankommen – macht die Sache nicht besser).
Warum blogge ich das? Weil ich bisher davon ausgegangen bin, dass OB Salomon mal wiedergewählt werden will. Aktuell sieht’s nicht so danach aus.
Neu: jetzt mit Klimafaktor
Die Nachrichtenlage der letzten paar Tage ist verwirrend. Ich meine damit Schlagzeilen wie die folgenden:
- Klimaschutz-Debatte: Reiseverband fordert „3‑Liter-Flugzeug“ (Spiegel online)
- Klimaschutz: Politiker für Urlaub in Deutschland (N24)
- Klimaschutz startet zu Hause (Ruhr Nachrichten)
- Merkel will EU zu Klimaschutz verpflichten (Tagesschau)
- China will mehr für den Klimaschutz tun (SWR)
- Klimaschutz: CSU will Verbrennungsmotoren verbieten (DIE ZEIT)
- Deutsche Bank fordert Enteignung der Stromkonzerne (Spiegel online)
Oder anders gesagt: zur Zeit ist Klimaschutz so „in“, dass selbst die CSU, die Deutsche Bank, die Bundesregierung und so gut wie jedes Nachrichtenmedium nichts besseres zu tun hat, als Dinge zu fordern, für die die Grünen vor einigen Jahren noch Wahlen (Tempolimit, Autofahren muss teurer werden) oder Posten (Fernreiseverbote!) verloren haben. Und jetzt überschlagen sich die einzelnen Akteure mit Vorschlägen, was noch alles getan werden könnte (Glühbirnen verbieten, …)? Und das alles „nur“, weil der IPCC-Bericht feststellt, dass der menschengemachte Klimawandel erstens hochwahrscheinlich und zweitens nicht mehr komplett aufzuhalten sein wird? Oder, weil irgendwelche Stars schon seit einem halben Jahr lieber Hybrid als SUV fahren und das auch bei der Oscar-Verleihung verkünden? Ich möchte ja gerne glauben, dass die CSU, die Deutsche Bank, die Bundesregierung und überhaupt alle jetzt von der Notwendigkeit sofortigen Handelns für die Rettung des Klimas überzeugt sind (die Kompetenz dafür wird übrigens weiterhin eher den Grünen zugeschrieben). Aber so ganz überzeugt bin ich noch nicht. So ein bißchen zu schnell war das Umschalten auf grüne Parolen doch, ein bißchen zu sehr erinnert das ganze an die ganzen anderen medialen Katastrophen der letzten Zeit, die von null auf hundert in aller Munde waren. Und eine Woche später vergessen. Ich bin also gespannt, ob den vielen Ankündigungen und Vorschlägen jetzt tatsächlich Taten folgen – und was davon in ein, zwei Monaten doch wieder ganz anders aussieht.
Nachtrag: Die Telepolis von heute hat einen Artikel, der in eine ganz ähnliche Richtung geht, wie ich gerade sehe: Thorsten Stegemann: Strategiespiele mit grüner Tarnfarbe.
Warum blogge ich das? Dass beim Klimaschutz (und der Anpassung an den Klimawandel) was passieren muss, finde ich politisch notwendig. Die Diskurssituation finde ich dagegen eher umweltsoziologisch spannend.
Logokritik
Bündnis 90/Die Grünen haben ab sofort ein neues Logo (warum auch immer). Erster Baucheindruck: verbesserungsbedürftig, nicht wirklich überzeugend.
So sieht’s aus:
Mein Eindruck: Ziemlich eckig und statisch für eine organische und dynamische Partei. Die Kästchenaufteilung heißt auch, dass sich die Sonnenblume einfach abknipsen lässt ((wobei das laut Designlayoutfaden strengstens verboten ist)). Die Schrift sieht aus, als wären die „e„s angeknabbert. Der Farbverlauf im linken Kasten von gelb zu grün sieht nach „PraktikantIn hat mit Effekten rumgespielt aus“.
Aus meiner Sicht war das größte Problem mit dem alten Logo die Unhandlichkeit – im Vergleich zu „SPD“, „CDU“ oder „FDP“ nahm es einfach immer viel Raum ein, was z.B. bei Fernsehgrafiken oder Wahlumfragenbebilderungen ein Problem dargestellt hat. Ansonsten war das alte Logo klar, einprägsam und eingeführt und hat durch die typischen Farben viel zur Wiedererkennbarkeit und zum Transport der Kernbotschaft „Umweltkompetenz“ beigetragen.
Das größte Problem mit dem neuen Logo: es ändert am größten Problem mit dem alten Logo nichts. Immer noch handelt es sich um eine ausufernde Logolandschaft, nicht um ein kurzes, eindeutiges Symbol. Vor der Fusion Grüne – Bündnis 90 hat die Sonnenblume alleine gereicht. Ein gutes Logo würde diesen Grad von Einprägsamkeit erreichen. Also: das neue ist nicht knapper, reduzierter, einfacher, sondern einfach nur anders kompliziert, und sieht noch dazu nicht schön aus. Und was ich mir noch überhaupt nicht vorstellen kann: wie soll das ganze in Anwendungen aussehen, bei denen nur rein einfarbig gedruckt werden kann, ohne Graustufen oder Farbabstufungen – z.B. auf Luftballons? Kasten Kasten Strich?
Nebeneffekte: sämtliches altes Wahlkampfmaterial kann (a) weggeworfen werden oder (b) trotz andersweitiger Bitten wiederverwendet werden, und führt dann zu neuer Unübersichtlichkeit.
Offiziell wird das neue Logo übrigens wie folgt begründet:
Es drückt symbolhaft die Weiterentwicklung der Grünen Partei auch in der Frage des Erscheinungsbildes aus. Dabei wurden die traditionellen und jüngeren Elemente von Bündnis 90/Die Grünen noch besser miteinander vereint und modernisiert.
Die wichtigsten Charkateristika des neuen Logos:
* Aufgeräumt: Das Logo besteht aus drei klar gegliederten Bereichen: Sonnenblume, Parteiname und Fundament, die immer gemeinsam abgebildet werden. Durch die Zwischenräume wird das Logo immer eingebettet in seinen Hintergrund und damit Teil dessen.
* Die Sonnenblume: Sie steht europaweit für die Grüne Bewegung, ist unverwechselbar, organisch und klar.
* Das blaue Fundament: Es bildet die grafische Basis des Logos und stützt das Gesamtwerk. Dabei greift es die Farbe blau auf, als grafisches Fundament, das für den Zusammenschluss zwischen „Bündnis 90“ und den „GRÜNEN“ steht.
* Die Schrift: Die klare und sachliche Schrift vermittelt Direkt- und Offenheit. Durch die nachträgliche Bearbeitung ist sie einzigartig und unverwechselbar.
Meine vier Spiegelstriche wären dagegen: langweilig – Sonnenblume nur noch Hintergrund – das blaue Fundament steht schief (Balken nur rechts) – 80er-Jahre-Computerprogramme wurden mit ganz ähnlichen modernen und innovativen Schriften beworben. Schade – wird Zeit, die Werbeagentur zu wechseln!
Bürgerentscheid Wohnungsverkauf
Hier in Freiburg beginnt jetzt ja allmählich die heiße Phase des Wahlkampfs um den Bürgerentscheid zum geplanten Verkauf der Stadtbau. Plakate gesehen habe ich bisher von der Linken Liste (für ein Verbot des Wohnungsverkaufs) und in einer zum Teil abgestimmten Kampagne (gegen ein Verbot des Wohnungsverkaufs) vom Jungen Freiburg (klein und seltsam) sowie von CDU und Grünen. Grafisch überzeugen mich dabei die schwarz-weiß-rot gehaltenen Plakate der Linken Liste am meisten – reduzierte Typographie + Schwarz-weiß-Foto von Betroffenen oder so. Ich selbst bin noch hin und hergerissen: prinzipiell finde ich, dass Städte nicht ohne Not auf Gestaltungsspielraum verzichten sollen. Allerdings scheinen mir beide Varianten – Stadtbauverkauf ja oder nein – darauf hinauszulaufen. Im einen Fall fällt ein wichtiges Element städtischer Wohnungspolitik weg. Und dass Private das prinzipiell besser machen, sehe ich nicht.* Die Stadtbau könnte vermutlich anders aufgestellt und besser organisiert werden** – aber ob sie als ein derzeit Gewinn abwerfender Betrieb der Stadt verkauft werden muss? Und im anderen Fall droht das städtische Finanzproblem noch größer zu werden, wenn die Argumente der VerkaufsbefürworterInnen stimmen. Beides finde ich nicht gut. Glücklicherweise sind’s noch ein paar Tage bis zur Abstimmung am 12.11. – vielleicht überzeugt mich die eine oder andere Seite dann noch.
Was ich eigentlich gerne hätte, wäre ein Verkauf nur eines relativ kleinen Teils der Stadtbau (also etwa der Hälfte der Wohnungen), um so ein bißchen Geld reinzuholen, und ansonsten einen Bürgerhaushaltsprozess (z.B. so), bei dem nicht an der Einzelfrage Wohnungsbau, sondern im abgestimmten Gesamtkonzept die BewohnerInnen der Stadt darüber entscheiden, wo gespart werden soll und wo finanzielle Prioritäten gesetzt werden müssen. Ob der Erhalt städtischer Zuschüsse an Vereine da so eine gute Idee sind (die CDU nutzt das als ein Argument auf ihren Plakaten), müsste dann zum Beispiel diskutiert werden. Warum – um bei diesem Einzelbeispiel zu bleiben – nicht hier etwas machen, was im Zusammenhang mit der Studiengebührendebatte immer wieder vorgebracht wird, da aber m.E. nicht so sinnvoll ist (weil öffentliche Bildung etwas anders ist als die Unterstützung von Sportvereinen): städtische Zuschüsse umstellen von einem institutionellen Zuschuss an Vereine auf ein an Personen (möglicherweise nur bestimmte Personengruppen wie Kinder oder Menschen mit geringem Einkommen) gekoppeltes Gutscheinsystem, das bei Vereinen (das Spektrum wäre festzulegen) eingelöst werden kann und dort finanzielle Zuschüsse der Stadt bringt. Damit wäre eine sehr viel genauere und sparsamere Mittelverwendung und ‑steuerung möglich.
* Vergleiche z.B. aktuelle Meldungen im Spiegel
** P.S.: Weiß jemand eine günstige, zwei bis drei Zimmer große Erdgeschoßwohnung für junges Paar mit Kind und Katze?