Neben zwei Sachbüchern (über die ich bereits etwas geschrieben habe: Wiebicke: Zehn Regeln für Demokratie-Retter und der von Kappes, Krone und Novy herausgegebene Medienwandel kompakt), einigen Heften vom MERKUR-Stapel und audiovisuellem Krams (bei Dr Who nähere ich mich inzwischen der Gegenwart, finde trotz allmählicher Gewöhnung an Peter Capaldi Matt Smith immer noch den besseren Doktor – bemerkenswert an der BBC-Serie, nebenbei bemerkt, die Inklusion: selbstverständlich gibt es im 23. Jahrhundert eine gehörlose Chefin einer Unterwassermine, und selbstverständlich haben nicht alle Menschen im englischen Mittelalter eine weiße Hautfarbe; dann habe ich mir endlich mal den großartigen Film Interstellar angeschaut, der schon ewig in meinem Google-Play-Account rumlag, und bei der Gelegenheit kann ich auch Luc Bessons Comicverfilmung Valerian noch mal empfehlen) – also: neben all dem las ich vor allem drei Fantasy-Serien. Und zwar drei ganz unterschiedliche.
Erstens den dreibändigen Comic Angel Catbird. Was kommt heraus, wenn Margaret Atwood (ja, die Margaret Atwood!) einen Comic schreibt? Eine nett-quirksige Geschichte über einen Forscher, der mehr oder weniger zufällig zum Katzen-Eulen-Mensch-Mutant wird und in die Unterwelt der Halbkatzen gerät. Einen Superschurken gibt es auch, nebenbei wird auf die eine oder andere im Zusammenhang mit Katzen wichtige Tatsache hingewiesen (Kastrieren! Im Haus halten, wegen der Singvögel!), und vor und nach den eigentlichen Comics gibt es lesenswerte Vorworte und Skizzensammlungen.
Zweitens habe ich den ersten und den gerade neu erschienenen zweiten Band der Licanius-Trilogie von James Islington gelesen, das sind The Shadow of What Was Lost und An Echo of Things To Come. Ich kann dieses umfangreiche Epos nicht uneingeschränkt empfehlen, auch wenn die Weltenkonstruktion und deren Beschreibung gut gelungen ist, die – eine zentrale Rolle im Buch spielende – Magie mit ihren Begrenzungen plausibel wirkt, und Islington auch einiges zu Gesellschafts- und Machtstrukturen und Charakteren mit Grautönen zu sagen hat. Gleichzeitig sind beide Bücher aber auch sehr blutig, und in Caeden – einer von vier oder fünf Hauptfiguren – wird die Ambivalenz auf eine Gratwanderung geschickt (mit einem bitteren Ende ganz am Schluss des Epilogs von An Echo of Things To Come).
Anfangs wirkt The Shadow of What Was Lost wie eine typische Geschichte über den auserwählten jugendlichen Helden (ja, eine Zauberschule kommt auch vor, die erinnert aber eher an Le Guin als an Harry Potter); bald jedoch wird klar, das Islington mit diesem Klischee durchaus spielt. Dennoch ist’s mir zu viel Epos, zu viel gut und böse, zu viele moralische Fragen und zu viel göttergleiche Unsterbliche. Entsprechend bin ich noch unentschlossen, ob ich den dritten Band lesen möchte oder nicht.
Drittens habe ich, nachdem ich den ersten Band bereits vor einiger Zeit gelesen habe, die restlichen Bücher von Marie Brennans Serie der „Erinnerungen der Lady Trent“ gelesen – The Tropic of Serpents, Voyage of the Basilisk, In the Labyrinth of Drakes, Within the Sanctuary of Wings (sowie die Kurzgeschichte „From the editorial page of the Falchester Weekly Review“. Die erzählende Lady Trent blickt auf ein abenteuerliches Leben als Naturforscherin zurück, in dem sie rund um die Welt gereist ist, um die unterschiedlichen Arten von Drachen kennenzulernen.
Dabei wird der anthropologische Hintergrund Brennans sehr schön deutlich, denn – mal abgesehen von den Drachen – ist die Fantasywelt, in der diese Geschichten spielen, gar nicht so anders als unsere im 18. oder 19. Jahrhundert. Sprachen, Kulturen, Religionen und Geographie sind zur Kenntlichkeit entstellt. Es gibt Rassismus und Kolonialisierungsbemühungen, im Quasi-England, das Lady Trents Heimat ist, spielen soziale Klassen nach wie vor eine große Rolle – und selbstverständlich ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass eine Frau sich als Wissenschaftlerin behaupten will. Neben der plausibel und unterhaltsam beschriebenen Naturgeschichte der Drachen (und einer Überraschung im letzten Band, die allerdings schon etwas erahnbar ist) ist Intersektionalität, in Verfremdung sichtbar gemacht, das Thema hinter der Geschichte dieser Bücher, ohne dass das zu dick aufgetragen wird.