Demokratie heißt auch, dass das politische Personal ausgetauscht werden kann. Dies geschieht im Wahlsystem der Bundesrepublik in doppelter Hinsicht: durch die Aufstellung der Bundestagslisten durch die Parteien, und durch die Direktwahl von Abgeordneten. Trotzdem ist die Gestaltung des Personalwechsels sicherlich eine der schwierigsten Stellschrauben politischer Systeme. Wer, wie Uschi Eid auf der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) der Grünen in Baden-Württemberg kürzlich, seinen bzw. ihren bisherigen sicheren Listenplatz verliert, verliert auch sicher das Mandat und die entsprechenden Zahlungen, das Büro, die Mitarbeiter/innen, den innerparteilichen Einfluss. Das kann hart sein, aber es gehört zum Risiko, auf das sich diejenigen, die ein politisches Mandat auskleiden, einlassen.
Eine Möglichkeit, diese Härte abzufedern, besteht darin, den Wechsel zu institutionalisieren. Manche Landesverbände der Grünen haben das gemacht, etwa mit „Neuenquoten“ (jeder dritte Platz muss durch eine neue Person besetzt sein) oder Quoren für mehr als zweimalige Wiederkandidaturen (vgl. auch die US-Präsidentschaft – mehr als acht Jahre George W. Bush sind verfassungsmäßig nicht möglich – hat was für sich). Und natürlich gab es bei den Grünen mal den Versuch der institutionalisierten Rotation, der auch etwas mit dieser Stellschraube zu tun hat.
Dann gibt es die Variante, dieses Problem durch Sozialvertrauen zu lösen: wer gut beraten ist, weiss vor der Kandidatur, ob es schwierig werden wird, ob es Konkurrenz aus dem eigenen Lager gibt – und kann sich dann entscheiden, es eben nicht noch einmal zu versuchen, als elder statesman oder elder stateswoman den vernünftigen Abgang zu wagen. Vielleicht auch quer – vom Bundestag ins Europaparlament, vom Europaparlament in den Bundesvorsitz. Oder so. Auch das ist eine Möglichkeit.
Dem Hörensagen lösen andere Parteien das Problem, in dem dort nicht einfach jede/r kandidieren kann, sondern eine Auswahlkommission oder der Vorstand Vorschläge macht. Nicht meine Vorstellung von Demokratie.
Wie dem auch sei: irgendwie gibt es immer mal wieder Menschen, die nicht gewählt werden. Als Anhänger des linken Flügels der Grünen kenne ich dieses Gefühl aus den letzten Jahren sehr gut. (Und ich selbst bin auch schon für Ämter angetreten, in die ich dann nicht gewählt wurde, wenn auch mit ungleich kleinerer Fallhöhe). Und wenn es wirklich um etwas geht, kann die Nichtwahl auch zur persönlichen Katastrophe werden – was nur begrenzt verhinderbar ist.
Zurück zur Landesdelegiertenkonferenz in Baden-Württemberg. Eine, die es nicht geschafft hat, noch einmal auf die Liste zu kommen, ist die langjährige Bundestagsabgeordnete Uschi Eid. Die ist jetzt erklärtermaßen sauer. Das kann ich nachvollziehen, ich kann auch nachvollziehen, dass sie in so einer Situation ihre Wahlkreiskandidatur zurückzieht (die eben vor allem Arbeit bedeutet, ohne Gewinn). Besser fände ich es, wenn sie sagen würde, als kleine Rückzahlung an die Partei gibt es jetzt eben – nach ein paar Tagen Verarbeitung der Situation – Unterstützung der gewählten Liste durch einen engagierten Wahlkampf der örtlichen Prominenten. Und danach dann das Leben nach dem Bundestag. Aber gut, muss nicht sein.
Was ich allerdings überhaupt nicht verstehen kann, ist die Tatsache, dass Uschi Eid aus ihrer persönlichen Niederlage bei der Listen-LDK in einem Brief an die Partei einen Rückfall in alte Zeiten, einfache Erklärungen und simple Weltbilder macht. Das klingt für mich sehr irrational, es klingt danach, dass da eine der Partei schon lange nicht mehr über den Weg traut (und erst recht nicht glaubt, dass irgendwer in dieser Partei der ehemaligen Afrikabeauftragten des Kanzlers das Wasser reichen könnte).
Und es ist schlichtweg falsch – allein schon deswegen, weil es letztlich ungefähr 20 Stimmen (d.h. 10 % der Delegierten) waren, die den Ausschlag zwischen angeblichem „Linksruck“ und „Weiter wie bisher“ gegeben haben. Kurz gesagt: wer jetzt versucht, die Ergebnisse der baden-württembergischen LDK als „Refundamentalisierung“ zu erklären, tut das entweder als Racheakt oder aus kognitiver Dissonanz heraus, als einzige Möglichkeit, sich selbst die Wahrnehmung des Scheiterns zu erklären. Bedauerlich ist beides.
Warum blogge ich das? Weil sich gerade zeigt, wie eng der Horizont mancher Parteifreunde ist.