Science Fiction und Fantasy im August 2025

Night photography III

Ich fan­ge mit einem Buch an, das eigent­lich eher ein Sach­buch ist – Mark McCau­gh­re­ans „Rei­se­füh­rer“ 111 places in space that you must not miss (2023). Der Titel beschreibt eigent­lich auch schon ganz gut, was es mit die­sem Buch auf sich hat, das wohl tat­säch­lich in einer Rei­he erschie­nen ist, die auch jeweils 111 „ber­eis­ba­re“ Zie­le anders­wo zusam­men­bringt. Die 111 Orte im Welt­raum sind in drei Abtei­lun­gen unter­teilt, die sich mit dem Son­nen­sys­tem, der Milch­stras­se und dem Rest des Uni­ver­sums befas­sen. Etwas irri­tiert hat­te mich zuerst, dass die Objek­te, die jeweils mit einer Sei­te Text und einem Foto vor­ge­stellt wer­den, inner­halb die­ser drei Abtei­lun­gen alpha­be­tisch sor­tiert sind. Ich hät­te eine Sor­tie­rung nach Ent­fer­nung zur Erde erwar­tet. McCau­gh­re­an beschreibt mit einer leicht iro­ni­schen Note die unter­schied­li­chen Objek­te, die von Mond und ISS bis zu Deep-Field-Auf­nah­men und der kos­mi­schen Hin­ter­grund­strah­lung rei­chen. Inter­es­san­ter­wei­se hat die­ser Rei­se­füh­rer auf mich eher den Effekt, noch ein­mal deut­lich zu machen, wie groß und lebens­feind­lich das Welt­all ist … das wird nicht nur in den Rei­se­zei­ten sicht­bar, die bei den wei­ter ent­fern­ten Objek­ten ger­ne mal bei „Mil­lio­nen Jah­re mit Licht­ge­schwin­dig­keit“ lie­gen, aber selbst im Son­nen­sys­tem wird deut­lich, dass neben dem Mond, Hub­ble und ISS (und bei einer Rei­se­zeit von min­de­tens 9 Mona­ten: dem Mars) selbst z.B. die Jupi­ter­mon­de wohl für ent­spre­chend lan­ge flie­gen­de Son­den, aber eben nicht für mit Men­schen besetz­te Raum­schif­fe erreich­bar sind. Und dass es, dort ein­mal ange­kom­men, ganz schnell zu Pro­ble­men mit Strah­lung kom­men wür­de. Und auch zum Mars schreibt der Autor „will kill you“. Inso­fern: ein gutes Sach­buch über den Stand unse­res Wis­sens über das Son­nen­sys­tem, die Milch­stra­ße und unse­re loka­len Super­struk­tu­ren, aber auch ein Buch, das komi­sche Dimen­sio­nen ver­deut­lich und klar macht, dass die Prä­mis­sen selbst „har­ter“ SF-Seri­en wie The Expan­se weit jen­seits der Rea­li­tät lie­gen. Von Warp-irgend­was gar nicht zu sprechen.

Und wo ich gera­de bei Sach­bü­chern bin: als Ergän­zung zu mei­ner Rei­se nach Kopen­ha­gen habe ich das Buch The Sto­ry of Scan­di­na­via (2023) des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Stein Rin­gen gele­sen. Rin­gen fängt bei den Wikinger*innen an und endet – nach inten­si­ver Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ent­ste­hung der König­rei­che und spä­ter einer luthe­ria­nisch ein­ge­färb­ten Sozi­al­de­mo­kra­tie – in den 2020er Jah­ren. Ich fand das Buch auf­schluss­reich für ein Ver­ständ­nis, wie Däne­mark, Nor­we­gen und Schwe­den sich ent­wi­ckelt haben, und wie die drei Län­dern in wech­seln­den Kon­stel­la­tio­nen zusam­men und gegen­ein­an­der gewirkt haben. Im Kon­text SF und Fan­ta­sy rele­vant: Rin­gen macht u.a. deut­lich, dass wir uns die Wikinger*innen wohl am ehes­tens als War­lords vor­stel­len müs­sen, die Bru­ta­li­tät zu einem Mar­ken­zei­chen mach­ten, dass dann euro­pa­weit bekannt und gefürch­tet wur­de (und die nicht zuletzt Skla­ven­han­del betrie­ben). Aus den War­lords wur­den dann ab etwa dem 10. Jahr­hun­dert, Köni­ge (u.a. Harald Blau­zahn und Knud der Gro­ße), die aber – so Rin­gen – nichts blei­ben­des hin­ter­lie­ßen. Und die Beschrei­bun­gen der Intri­gen der unter­schied­li­chen hoch­mit­tel­al­ter­li­chen Herrscher*innen erin­ner­te doch stark an „Game of Thro­nes“ – bis hin Bru­der­mor­den und zu Ein­la­dun­gen aller Wich­ti­gen zu Fest­mäh­lern, die im Blut­bad enden. (Eigent­li­cher Kern des Buchs ist die Fra­ge, wie aus die­sem Cha­os Demo­kra­tien und nach dem 2. Welt­krieg der skan­di­na­vi­sche Wohl­fahrts­staat ent­ste­hen konn­ten – auch das durch­aus inter­es­sant; inter­es­sant auch der Blick auf das Han­deln Däne­marks (weit­ge­hend akzep­tier­te Beset­zung, Kol­la­bo­ra­ti­on), des als Natio­nal­staat jun­gen Nor­we­gens (Beset­zung mit Wider­stand und einer flie­hen­den Exil­re­gie­rung) und Schwe­dens (Neu­tra­li­tät und Waf­fen­ver­käu­fe) in der Nazizeit.) 

An SF gele­sen habe ich die ers­ten bei­den Bän­de der „Kin­dom Tri­lo­gy“ von Betha­ny Jacobs, The­se Bur­ning Stars (2023) und On Vicious Worlds (2024); der drit­te Band wird noch in die­sem Jahr erschei­nen. Die Bücher ver­bin­den Aspek­te aus bei­den Sach­bü­chern: sie spie­len in einem sich über meh­re­re Son­nen­sys­te­me erstre­cken­den Impe­ri­um („The Treb­le“); und stel­len­wei­se wird es sehr blu­tig und bru­tal mit Blick auf Nach­fol­ge­kämp­fe und Rache­ak­te. Ins­be­son­de­re inner­halb und zwi­schen den „First Fami­lies“ und den drei Säu­len des „Kin­dom“ (Priester*innen der poly­the­is­ti­schen Reli­gi­on; Ver­wal­tung und Jus­tiz; und die „bru­tal hand“ mit ihren Killer*innnen). Zusam­men­ge­hal­ten wird „The Treb­le“ von einem ener­gie­rei­chen Mine­ral (Jevi­te bzw. in der syn­the­ti­schen Form Sevi­te), das u.a. Sprün­ge durch „Gates“ erlaubt. Inter­es­san­ter als die diver­sen Kämp­fe (sag­te ich schon, dass es sehr blu­tig und bru­tal wird?) sind die von Jacobs skiz­zier­ten Inter­es­sen­la­gen und orga­ni­sa­to­ri­schen Ver­krus­tun­gen – bei­spiel­wei­se hat die Fami­lie einer der Haupt­per­so­nen das Mono­pol auf die­sen Mine­ral; die in der Ver­ar­bei­tung von Sevi­te beschäf­tig­ten Über­le­ben­den eines Geno­zids – die Jeve­ni – sind mit ihrer Lage nicht zufrie­den usw. Und ziem­lich viel ist anders, als es am Anfang scheint. Gut gefal­len hat mir an die­ser Space Ope­ra auch, dass eini­ge der Trau­ma­ta und sozia­len Ängs­te eini­ger Haupt­per­so­nen klar the­ma­ti­siert wer­den. Egal, wie sehr sie die Held*innen die­ser Geschich­te sind. Ich bin auf den drit­ten Band gespannt – der zwei­te ende­te ziem­lich abrupt mit einer fie­sen Enthüllung.

Auch Space Ope­ra, aber kom­plett anders, ist die online ver­öf­fent­lich­te Novel­le The Epi­pha­ny of Glie­se 581 von Fer­nan­do Bor­ret­ti (2022), die ein biss­chen an Greg Egan erin­nert. Viel spielt hier in dia­mant­ba­sier­ten Com­pu­ter­sub­tra­ten, und Menschen/transhumane Wesen, die sich selbst down­loa­den und per Mate­rie­druck repro­du­zie­ren kön­nen, tun sich ein biss­chen ein­fa­cher damit, ferns­te Son­nen­sys­te­me zu erfor­schen – oder wie hier: auf­zu­klä­ren, wie eine voll­endes trans­hu­ma­ne „Gott­heit“, die den namens­ge­ben­den Stern Glie­se 581 nach eige­nem Bild gestal­tet hat, zu Tode kam. 

Gele­sen habe ich und sehr emp­feh­len kann ich dann noch das gera­de erschie­ne­ne Auto­ma­tic Nood­le (2025) von Anna­lee Newitz. Wäh­rend ich mit ihren Ter­ra­for­mern nicht so viel anfan­gen konn­te, hat mir die­se eher cozy Geschich­te gut gefal­len: im Kern geht es um vier sehr unter­schied­li­che Robo­ter (und einen Men­schen), die übrig blei­ben, als eine Möch­te­gern-Fast­food-Ket­te ihr Geschäft auf­gibt. Das gan­ze spielt in San Fran­cis­co, in einem Kali­for­ni­en, das sich gera­de in einem blu­ti­gen Krieg von Ame­ri­ka abge­spal­tet hat, und das – anders als die Rest-USA – unter bestimm­ten Bedin­gun­gen men­schen­ähn­li­che Robo­ter mit Rech­ten aus­stat­tet – was ande­re nicht davon abhält, Vor­ur­tei­le zu äußern. Mit viel Lie­be zum Detail erzählt Nee­witz, wie aus dem Fast­food-Shop ein auf Biang-Biang-Nudeln spe­zia­li­sier­tes Restau­rant wird (da erin­ner­te mich das eine oder ande­re an Sourdough) – und wie dabei die ganz unter­schied­li­chen Robo­ter-Per­sön­lich­kei­ten mit ihren Stär­ken (und Schwä­chen und Trau­ma­ta) zusam­men­fin­den. (Lesens­wer­tes Inter­view mit Newitz dazu.)

In gewis­ser Wei­se gut dazu gepasst hat der Film Chap­pie (2015, lief auf Net­flix), den ich eher zufäl­lig aus­ge­wählt habe. Hier geht es um auto­no­me Poli­zei­ro­bo­ter in Johan­nis­burg und was pas­siert, als eine*r davon ein Bewusst­sein bekommt und bei einer von „Die Ant­wo­ord“ gespiel­ten Gangs­ter­fa­mi­lie auf­wächst. Regis­seur Neill Blom­kamp legt an man­chen Stel­len zu dick auf, der Film kann sich manch­mal nicht ent­schei­den, ob er jetzt Thril­ler, Hip-Hop-Gangs­ter­ko­mö­die oder Robo­ter-Reflek­ti­on sein möch­te – unter­halt­sam war’s trotz­dem. Ins­be­son­de­re mit dem zum Zeit­punkt die­ses Films noch nicht abseh­ba­ren AI-Hype im Hinterkopf.

Wei­ter­ge­guckt habe ich außer­dem Foun­da­ti­on und Star Trek: Stran­ge New Worlds – wobei ich hier von Fol­ge 6 („The Seh­lat Who Ate Its Tail“) ins­ge­samt eher begeis­tert war, und mit den Fol­gen 7 („What Is Star­fleet?“) und 8 („Four-and-a-Half Vul­cans“) nicht so viel anfan­gen konnte. 

Begon­nen und dann gleich bin­ge­ge­watcht habe ich die ers­te Staf­fel von Silo (Apple TV, 2023), der Ver­fil­mung der Bücher Wool, Shift und Dust von Hugh How­ey. Die Serie spielt (zumin­dest in der ers­ten Staf­fel) fast aus­schließ­lich in einer rie­si­gen Unter­grund­stadt, dem titel­ge­ben­den Silo, das von selt­sa­men Regeln (Trep­pen­stei­gen zwi­schen den 144 Stock­wer­ken!, kei­ne Mikro­sko­pe!) beherrscht wird. Drau­ßen ist böse – jeden­falls ist das die mit gro­ßem Auf­wand auf­recht erhal­te­ne herr­schen­de Mei­nung. Und Arte­fak­te aus der Zeit davor sind eben­falls ver­bo­ten. Durch einen geschick­ten Kniff ver­bin­det die Serie die Gescheh­nis­se im unters­ten Level – hier küm­mern sich Mechaniker*innen dar­um, dass alles läuft – der Mit­tel­schicht und der Eli­te des Silos in den obe­ren Leveln. Die Haupt­per­so­nen und deren Che­mie unter­ein­an­der ist dann auch Grund genug, über das eine oder ande­re Plot­ho­le hin­weg zu sehen (wie kommt eine seit vie­len Jahr­zehn­ten von der Außen­welt abge­schnit­te­ne Stadt mit 10.000 Men­schen an so Din­ge wie Kaf­fee oder Lötzinn?). 

Science Fiction und Fantasy im Juli 2025

August garden: micro biom - III

Erstaun­lich, was alles an Seri­en in den letz­ten Wochen raus­ge­kom­men ist! Na gut, eigent­lich vor allem die drit­te Staf­fel von Foun­da­ti­on (Apple TV), durch­wach­sen – irgend­wie klappt es nicht so gut, Jahr­tau­sen­de in weni­ge Per­so­nen zu packen, aber das war auch schon bei Asi­mov ein Pro­blem – und die lan­ge erwar­te­te drit­te Staf­fel von Star Trek: Stran­ge New Worlds (Para­mount+). Von den fünf Fol­gen, die ich bis­her gese­hen habe, fand ich zwei­ein­halb über­zeu­gend, die ande­ren waren nicht so meins – zu sehr Hor­ror­kli­schees, zu sehr das in der Dun­kel­heit der Dimen­sio­nen ver­bor­ge­ne jahr­tau­send­al­te abso­lu­te Böse. Und ob die Idee, in jeder Fol­ge ein Gen­re zu imi­tie­ren (Hoch­zeits­ko­mö­die, Zom­bie, …) trägt? So ganz über­zeugt bin ich davon noch nicht. Inter­es­sant fand ich Fol­ge 4 – ohne all­zu­viel zu spoi­lern, wur­de es hier sehr meta­tex­tu­ell: eine klas­si­sche Mur­der-Mys­tery im Holo­deck im Rah­men einer Tech­n­obab­b­le-Geschich­te, und in der Mur­der Mys­tery im Stil der 1960er tauch­te dann eine Welt­raum­aben­teu­er­se­rie auf, die sehr an Star Trek: TOS (aus irgend­ei­nem Par­al­lel­uni­ver­sum) erin­ner­te. Wobei TOS ja nach SNW spielt. Was ins­ge­samt die Fra­ge auf­wirft: Gibt es Star Trek (die fik­ti­ve Geschich­te) in der Ver­gan­gen­heit des Star-Trek-Universums? 

Außer­dem habe ich die letz­te Doc­tor-Who-Staf­fel (Fünf­zehn­ter Dok­tor, 2. Staf­fel) ange­schaut und war dann doch sehr ange­tan davon. Ins­be­son­de­re „The Sto­ry & the Engi­ne“ fand ich in ganz ver­schie­de­ner Hin­sicht stark, auch als ein Stück Selbst­re­fle­xi­on über kolo­nia­le Aneig­nung, die Macht des Geschich­ten­er­zäh­lens etc. Und „Inter­stel­lar Song Con­test“ hat­te eben­falls etwas, wobei ich hier doch star­ke Par­al­le­len zu Cat Valen­tes Space Ope­ra gese­hen habe. Und dann noch ein Staf­fel­fi­na­le, bei dem mal wie­der alles auf dem Spiel steht. Auf­fäl­lig gewis­se Par­al­le­li­tä­ten zwi­schen SNW und die­se Doc­tor-Who-Staf­fel – „The Well“, aber eben auch die meta­tex­tu­el­le „The Sto­ry & the Engine“.

Schon lan­ge woll­te ich mal in Sever­ance (Apple TV) rein­schau­en – die ers­ten bei­den Fol­gen waren schon mal viel­ver­spre­chend, wenn auch ein wenig gewöh­nungs­be­dürf­tig. Lost für die 2020er Jahre?

Last but not least zwei Fil­me, jeweils als kleins­ter gemein­sa­mer Nen­ner zwi­schen mir und den Teen­agern: K‑Pop Demon Hun­ters (2025, Net­flix), ein Ani­me-Spiel­film über den seit Jahr­tau­sen­den durch Musik­grup­pen aus­ge­tra­ge­nen Kampf Gut gegen Böse mit ein paar uner­war­te­ten Ambi­va­len­zen und Zwi­schen­tö­nen, und Army of Thie­ves (2021, Net­flix), das wir als Heist-Movie über einen Bank­be­am­ten, der zum Pan­zer­kna­cker wird, und nicht als Zom­bie­film-Pre­quel gese­hen haben – inso­fern waren die ein­ge­blen­de­ten Nach­rich­ten­se­quen­zen über den Aus­bruch einer Zom­bie­pla­ge eher über­ra­schend, aber für die Hand­lung auch nicht wei­ter wich­tig. Der Heist-Teil war ein sehr deut­scher Film (Mat­thi­as Schweig­hö­fer), auch wenn auf eng­lisch gefilmt und ange­schaut. Gut gefal­len haben mir die gen­re­par­odie­ren­den Ele­men­te – so ganz ernst nimmt sich die­ser Film nicht.

Damit zu den Büchern. Whe­re the Axe Is Buried von Ray Nay­ler (2025) fand ich beein­dru­ckend. In der nahen Zukunft bekämp­fen sich die „Fede­ra­ti­on“ (die stark an Russ­land erin­nert, nur das der Prä­si­dent hier sein Bewusst­sein in immer neue Kör­per her­un­ter­lädt) und ein zer­fal­len­der Wes­ten; es geht um Flucht und Auf­stän­de, um Spio­na­ge und Gegen­spio­na­ge und das Leben in einer düs­te­ren, orwell-arti­gen Gesell­schaft, in der Social Scores den Hand­lungs­ra­di­us bestim­men. Inter­es­sant wird die­ses Buch dadurch, dass auf meh­re­ren Ebe­nen sozio­tech­ni­sche Fra­gen dis­ku­tiert wer­den: Ver­spricht es Frei­heit, wenn der Pre­mier­mi­nis­ter durch einen Chat­bot ersetzt wird – und was tun, wenn die Ent­schei­dun­gen nicht mehr nach­voll­zieh­bar sind? Ist Wider­stand in einer tech­nisch-tota­li­tä­ren Gesell­schaft über­haupt mög­lich? Wem kann über­haupt noch ver­traut wer­den, wenn jeder erpress­bar ist? Wie viel Tech­nik ist zu viel? Auch auf­grund der The­ma­tik kei­ne ganz ein­fa­che Lek­tü­re, aber auf jeden Fall eine Emp­feh­lung – und (nach vie­len Büchern, in denen AI und künst­li­che Agen­ten irgend­wie eine Rol­le spie­len) mei­nes Wis­sens nach das ers­te, das sich im Medi­um der SF kon­kret mit Lar­ge Lan­guage Models auseinandersetzt.

Unter­halt­sa­mer und in dem Sin­ne leich­te­re Lek­tü­re – obwohl zwi­schen den Zei­len auch ein biss­chen Tief­gang mit­schwimmt – die drei Bän­de A Mar­vell­ous Light (2021), A Rest­less Truth (2022) und A Power Unbound (2023) von Freya Mar­s­ke. In einem alter­na­ti­ven edwar­dia­ni­schen Eng­land ist Magie real, auch wenn die meis­ten Men­schen davon nichts wis­sen. Wir fol­gen den Geschwis­tern Robin und Maud Bly­th, die uner­war­tet mit der magi­schen Welt in Berüh­rung kom­men. Robin ist ein Baro­net, grö­ße­re Tei­le der Bücher spie­len auf Her­ren­häu­sern (und einem Oze­an­damp­fer) sowie mit den Intri­gen von Lords und Ladys. Zum Gück gibt es als Kon­tra­punkt Alan­zo Ros­si, der sich als Kind einer ita­lie­ni­schen Ein­wan­de­rer­fa­mi­lie recht und schlecht als Jour­na­list durch­schlägt, und so etwas wie einen Klas­sen­stand­punkt in die Geschich­te bringt. Neben einer durch­aus packen­den Geschich­te, die zu den Ursprün­gen der eng­li­schen Magie zurück­führt und im drit­ten Band in einem gro­ßen Fina­le mün­det, sind die Bücher que­e­re Roman­zen. Dass Ros­si neben­her Geld damit ver­dient, unter Pseud­onym schwu­le Por­no­gra­fie zu ver­fas­sen (sor­ry, Spoi­ler zu Band 2), passt auch inso­fern, als alle drei Bän­de immer mal wie­der kon­sen­sua­le, aber sehr expli­zi­te Sex-Sze­nen ent­hal­ten. Die aller­dings durch­aus dazu bei­tra­gen, die Bezie­hun­gen zwi­schen den fünf, sechs han­deln­den Cha­rak­tern und deren Ängs­te und – in die­ser Welt meist heim­li­chen – Begeh­ren ver­ständ­lich zu machen. 

Und dann noch­mal Eng­land und Magie – The Bright Sword (2024) von Lev Gross­man ist des­sen Aus­ein­an­der­set­zung mit der Artus-Saga. Die Haupt­per­son, Collum, kommt aus einer der äußers­ten Ecken des vor-angel­säch­si­schen Eng­lands an den hoch­mit­tel­al­ter­li­chen Hof in Came­lot – nur um zu erfah­ren, dass die Tafel­run­de in Auf­lö­sung befind­lich ist. Mit den weni­gen ver­blie­be­nen Rit­tern (und der Zau­be­rin Nimue), die Gross­man der Artus-Sage ent­nimmt, aber mit Hin­ter­grund­ge­schich­ten aus­schmückt und plau­si­bel macht, begibt Collum sich auf Ques­te, die hin und wie­der auch ins Feen­reich und an ande­re unwirk­li­che Orte führt. Gross­man erzählt das groß­ar­tig, gera­de durch die mino­ri­tä­re Per­spek­ti­ve, die mal nicht einen der klas­si­schen Hel­den in den Mit­tel­punkt stellt, und den Blick auf die Übrig­ge­blie­be­nen am Ende der Tafel­run­de. Lesens­wert auch das Nach­wort, in dem er deut­lich macht, dass die Ursprün­ge des Stoffs im 6. oder 7. Jahr­hun­dert lie­gen, ent­spre­chend vor der angel­säch­si­schen Inva­si­on, in einem nach­rö­mi­schen Bri­tan­ni­en, das von Kelt*innen besie­delt ist – die übli­chen Ver­sio­nen aber die Rit­ter in das höfi­sche Ritu­al des Hoch­mit­tel­al­ters ste­cken, und davon natür­lich auch nicht abge­wi­chen wer­den kann. Inso­fern spielt der Roman in einer so nie exis­tiert haben­den Traum­zeit – da sind dann auch Kür­bis­se in einem Gar­ten, die mich aus der Bahn gewor­fen haben, oder die eben­falls ana­chro­nis­ti­schen Blau­bee­ren ver­zeih­bar, über die Gross­man selbst im Nach­wort schreibt. Inter­es­sant fin­de ich die post-kolo­nia­len Bre­chun­gen – in der Per­spek­ti­ve des mus­li­mi­schen Rit­ters Sir Palo­mi­des, der von den Errun­gen­schaf­ten des isla­mi­schen Zivi­li­sa­ti­on schwärmt, aber auch dar­in, wie die Cha­rak­te­re des Buchs mit dem Ende der römi­schen Kolo­ni­sie­rung umgehen. 

Science Fiction und Fantasy im August und September 2023

Book The tough guide to FantasylandDen August habe ich weit­ge­hend damit zuge­bracht, die Temer­ai­re-Serie von Nao­mi Novik wei­ter­zu­le­sen – Band neun bil­det dann auch einen guten Schluss­punkt, bis dahin war’s manch­mal etwas zäh. Trotz­dem: sehr intel­li­gen­te Fan­ta­sy! Wie im Juli mit Blick auf die ers­ten vier Bän­de bereits beschrie­ben, geht es hier um eine im Duk­tus und Set­ting zeit­ge­nös­si­schen Tex­ten nach­emp­fun­de­ne Alter­na­tiv­ge­schich­te der ers­ten Hälf­te des 19. Jahrhunderts. 

Prä­mis­se in Noviks Temer­ai­re ist die Exis­tenz von Dra­chen – abge­se­hen davon ist vie­les erst ein­mal ähn­lich. Napo­le­on erobert nach und nach den Kon­ti­nent, Groß­bri­tan­ni­en ist auf sei­ne Navy und sei­ne Kolo­nien stolz, Chi­na und Japan sind weit­ge­hend abge­schot­tet usw. Im Lauf des Erzäh­lung tau­chen dann aber auch mehr und mehr Unter­schie­de auf. Zuerst nur sol­che, die sich „mili­tär­tech­nisch“ durch Dra­chen als eine Art Pro­to-Luft­waf­fe erklä­ren las­sen – spä­ter zeigt sich nach und nach immer deut­li­cher, dass Dra­chen intel­li­gen­te Lebe­we­sen sind, die kei­nes­wegs nur als Reit­tie­re behan­delt wer­den wol­len. In Chi­na erschei­nen sie als eben­bür­ti­ge Mitbürger*innen, und in Afri­ka und Süd­ame­ri­ka – auch dahin ver­schlägt es unse­re Held*innen – sind es eher die Dra­chen, die sich Men­schen hal­ten und eifer­süch­tig bewa­chen. Ent­spre­chend weicht der Erzähl­ver­lauf mehr und mehr von unse­rer rea­len Geschich­te ab. Am Schluss geht es um die Fra­ge, wer die Dra­chen aller Län­der auf sei­ne Sei­te zie­hen kann – und wie ernst gemeint die Ver­spre­chen von Bür­ger­rech­ten und Frei­heit sind. Defi­ni­tiv ein inter­es­san­tes Gedankenspiel.

Nor­ma­ler­wei­se schrei­be ich eher nichts zu Kurz­ge­schich­ten, wie sie inzwi­schen oft kos­ten­frei im Netz ver­öf­fent­licht wer­den, aber „Bet­ter Living Through Algo­rith­ms“ (Nao­mi Krit­zer, Clar­kes­world 200, May 2023) muss ich dann doch emp­feh­len. Viel ver­ra­ten kann ich aber trotz­dem nicht dazu – es geht um eine App mit Lebens­hil­fe­tipps, die Men­schen glück­lich macht – bis zu einer tat­säch­lich über­ra­schen­den Wendung. 

The Tough Gui­de to Fan­tasy­land von Dia­na Wyn­ne Jones ist alles ande­re als neu, die Aus­ga­be, die ich nach einem Hin­weis im Netz kur­zer­hand anti­qua­risch gekauft habe, ist von 2006, das Buch gab es aber auch zehn Jah­re davor schon. Bei die­sem „Tough Gui­de“ han­delt es sich um ein ziem­lich lus­ti­ges Aus­ein­an­der­neh­men all der Kli­schees und Tro­pes, die in Fan­ta­sy-Roma­nen immer und immer wie­der ver­wen­det wer­den, hier in Form eines alpha­be­tisch sor­tier­ten Rei­se­füh­rers. Neben­wir­kung dürf­te sein, dass einem danach ein Groß­teil der Sword-and-irgend­was-Fan­ta­sy belang­los und for­mel­haft vor­kom­men dürf­te. Hel­den­rei­se, auf­ein­an­der auf­bau­en­de und immer schlim­mer wer­den­de Vor­fäl­le, die bunt­ge­scheck­te Trup­pe rund um die Haupt­per­son, der Boss­kampf am Ende des Buchs, und in Band zwei die Wie­der­ho­lung, bei der es dann dar­um geht, den dunk­len Fürs­ten oder die dunk­le Fürs­tin zu besie­gen – das fin­det sich tat­säch­lich immer noch sehr oft. Inso­fern: mit Vor­sicht zu genießen ;)

Dann habe ich noch drei kürz­lich erschie­ne­ne Bücher gele­sen. Star­ter Vil­lain von John Scal­zi (2023) ist schnell run­ter­ge­le­sen, humor­voll und ok, aber nichts beson­de­res. Leit­mo­tiv ist der fern­seh­be­kann­te Bond-Böse­wicht mit Kat­ze auf dem Arm. Die Haupt­per­son sieht sich nach dem Tod eines ent­frem­de­ten Onkels mir­nichts dir­nichts in die­se Rol­le rein­ver­setzt. Ein Glück, dass unser Held vor­her mal Wirt­schafts­re­por­ter war und Scams erken­nen kann. Intel­li­gen­te Kat­zen und flu­chen­de Del­fi­ne kom­men neben all den Böse­wich­tern auch vor.

Mit Span­nung erwar­tet habe ich Ann Leckies Trans­la­ti­on Sta­te (2023) – und das Buch ent­täuscht nicht. Es ist im sel­ben Uni­ver­sum wie ihre Ancil­la­ry-Jus­ti­ce-Rei­he ange­sie­delt, aber kei­ne direk­te Fort­set­zung. Auch hier gerät die Haupt­per­son unge­wollt und von heu­te auf mor­gen in eine neue Rol­le und wird von der Pfle­ge­rin ihres Haus-Ober­haupts zu einer Detek­tiv im Dienst des diplo­ma­ti­schen Ser­vices. In die­ser Funk­ti­on soll sie den Fall eines vor vie­len Jahr­zehn­ten ver­schwun­de­nen Pres­ger Trans­la­tors – einer spe­zi­ell zur Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Men­schen geschaf­fe­nen Unter­art der sagen­um­wo­be­nen kan­ni­ba­li­schen Pres­ger – fin­den, und stürzt mit­ten hin­ein in Bür­ger­krie­ge und deren Fol­gen, die lang­rei­chen­den poli­ti­schen Über­le­gun­gen der Rad­ch und die gro­ße Fra­ge, was Mensch­sein aus­macht. Gut gemacht und mit Ali­ens (und AIs), die defi­ni­tiv kei­ne Men­schen mit Latex-Mas­ken sind.

Schließ­lich Exa­de­lic von Jon Evans (2023). Mir war da ein biss­chen zu viel rein­ge­stopft – Zeit­rei­sen, Eso­te­rik, Start-ups und welt­be­herr­schen­de Tech-Kon­zer­ne, noch mehr Zeit­rei­sen, sich aus Tech-Kon­zer­nen her­aus ent­wi­ckeln­de Super­in­tel­li­gen­zen, und der gro­ße Fil­ter, der genau das ver­hin­dern möch­te. Block­chains tau­chen auch irgend­wo auf. Und eine ratio­na­lis­ti­sche Erklä­rung für Magie. Es pas­siert viel, das gan­ze Buch ist rasant und span­nend, und die etwas nai­ve Haupt­per­son Adri­an Ross kommt bei allen Zeit­sprün­gen sym­pa­thisch rüber. Dass am Schluss dann aber eine ganz klas­si­sche Lie­bes­ge­schich­te steht, bei aller Beschwö­rung des­sen, dass wir doch so viel wei­ter sind, was Bezie­hun­gen und Sexua­li­tät angeht, passt dann nur so halb dazu. Und über­haupt: die semi­trans­hu­ma­nis­ti­sche Auf­lö­sung im letz­ten Vier­tel des Buchs war auch nicht meins. Inso­fern: nur so eine hal­be Emp­feh­lung, mag ande­ren damit anders ergehen.

Und sonst? Ich habe (in Unkennt­nis des Com­pu­ter­spiels) die ers­te Staf­fel der Halo-Ver­fil­mung (2022) ange­schaut und fand das etwas gewalttätig/blutrünstig, aber ganz gut gemacht. Wenn ich Micro­soft wäre, hät­te ich mei­ne „KI“ aller­dings nicht nach Cort­a­na benannt. 

Die letz­ten Fol­gen der aktu­el­len Staf­fel von Star Trek: Stran­ge New Worlds waren teil­wei­se eben­falls hart, aber gut gemacht. Und Star Trek: Lower Decks ent­deckt die Ernst­haf­tig­keit – was der Serie gut tut.

Mit der zwei­ten Staf­fel von Good Omens konn­te ich mich nach und nach anfreun­den; die ers­ten bei­den Epi­so­den fand ich eher schwie­rig, und an die ers­te Staf­fel kommt die zwei­te nicht heran. 

Nicht anfreun­den konn­te ich mich dage­gen mit Mul­ligan, zu viel Kla­mauk macht das eigent­lich inter­es­san­te Set­ting kaputt. Sehr viel bes­ser gefal­len hat mir die letz­te Staf­fel Disen­chant­ment – mit einem rüh­ren­den und befrie­di­gen­den Schluss, der alle losen Fäden zusammenknotet.

Und auch wenn’s eher 1950er-Jah­re-Kam­mer­schau­spiel als Sci­ence Fic­tion ist – Aste­ro­id City von Wes Ander­son, ange­schaut im Frei­bur­ger Som­mer­nachts­ki­no, blieb zwar rät­sel­haft, hat­te aber doch sei­nen ganz eige­nen Reiz. 

SF- und Fantasy-Tagebuch Juli 2023

Summer night sky

Mein SF- und Fan­ta­sy-Juli war eher ein­sei­tig, zumin­dest was die Lek­tü­re angeht. Dazu gleich mehr.

Abwechs­lungs­rei­cher die Fil­me und Seri­en. Die Dun­ge­on-und-Dra­gons-Ver­fil­mung war nicht meins, mög­li­cher­wei­se weil ich DnD nur vom Hören­sa­gen ken­ne und selbst kei­ne Rol­len­spie­le spiele. 

Bes­ser gefal­len haben mir die neu­en Fol­gen der zwei­ten Staf­fel von Star Trek: Stran­ge New Worlds. Das Cross­over mit Lower Decks war lus­tig, die dar­auf fol­gen­de Epi­so­de „Under the cloak of war“ mit das düs­ters­te und rat­lo­ses­te, was ich bei Star Trek jemals gese­hen habe, und die „Subspace Rhap­so­dy“ schlicht und ein­fach groß­ar­tig. Zu wagen, eine gan­ze Fol­ge – in Über­län­ge – als Musi­cal lau­fen zu las­sen, und das dann auch noch so, dass es ers­tens einen (naja, weit­ge­hend plau­si­blen) Grund dafür gibt und zwei­tens in der Fol­ge selbst nicht ein­fach nur gesun­gen wird, son­dern die Cha­rak­ter­ent­wick­lung ein gan­zes Stück wei­ter­geht – wow! Inso­fern kann ich mich die­ser begeis­ter­ten Bespre­chung nur anschlie­ßen. Ich bin gespannt, wie die­se Staf­fel endet.

Die ers­ten bei­den Fol­gen der uner­war­te­ten Wie­der­auf­nah­me von Futura­ma sind ganz nett – Fol­ge 1 beschäf­tigt sich vor allem genau damit, also mit TV-Seri­en (und der selt­sa­mer­wei­se etwas alt­mo­disch aus­se­hen­den Zukunft), Fol­ge 2 schließt an die bis­he­ri­ge Sto­ry­line an. Nett, aber ob es das wirk­lich braucht? Das Matt Groe­ning wei­ter span­nen­de Sachen machen kann, zeigt Disen­chant­ment. Ob Futura­ma eine Zukunft hat? Ich bin noch nicht überzeugt. 

Dann haben wir Good Omens noch­mals ange­schaut – in Vor­be­rei­tung der jetzt ange­lau­fe­nen zwei­ten Staf­fel. Da habe ich bis­her nur die ers­ten bei­den Fol­gen gese­hen und bin nur bedingt begeis­tert. Das Stu­dio-Lon­don wirkt unrea­lis­tisch (wie­so lau­fen da so vie­le grell aus­ge­leuch­te­te Leu­te rum), die Sto­ry um den nack­ten Erz­engel an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen, und über­haupt: zu viel Pop­corn und zu wenig Sar­kas­mus. Aber viel­leicht wird’s ja noch besser. 

Bevor ich jetzt in Nega­ti­ve ver­sin­ke: was mir sehr gut gefal­len hat, war die BBC-Serie The Watch (2021), in Deutsch­land lei­der nur mit Zusatz­bu­chun­gen zu sehen. Die Serie ist erst ein­mal eine rie­si­ge Ent­täu­schung für alle, die Ter­ry Prat­chetts Disc­world mit Mit­tel­al­ter bis frü­her Indus­tria­li­sie­rung in Ver­bin­dung brin­gen und glau­ben, dass Disc­world nur so geht. Die Grund­ideen der Night­watch um Cap­tain Sam Vimes wur­den hier in Neon­far­be getunkt, und her­aus­ge­kom­men ist Disc­world in einem Set­ting irgend­wo zwi­schen quee­rer Ästhe­tik, Pun­k/­Post-Punk, Bru­ta­lis­mus und der Mad-Max-Ver­si­on der Apo­ka­lyp­se. Cher­ry wird von der*dem nonbinäre*n Schauspieler*in Jo Eaton-Kent gespielt, und auch Car­rot und Angua über­zeu­gen. Sam Vimes (Richard Dor­mer) ist her­vor­ra­gend kaputt und ver­zwei­felt, über­dreht-pira­tig – und trotz­dem einer der Guten. Ähn­lich posi­ti­ves lie­ße sich über den Rest des Casts sagen – etwa über Lord Veti­na­ri, der von der Schau­spie­le­rin Anna Chan­cell­or (mit brei­ten Schul­ter­pols­tern) ver­kör­pert wird. Die Bewer­tun­gen etwa auf Rot­ten Toma­toes für The Watch sind eher zwie­späl­tig. Trotz­dem: ich fin­de die­se Mini­se­rie sehr empfehlenswert. 

Gele­sen habe ich nur Nao­mi Noviks Temer­ai­re (2006 ff.) – genau­er gesagt, die ers­te vier Bän­de die­se weit aus­schwei­fen­den Serie. Cap­tain Wil­liam Lau­rence gerät im ers­ten Band an den neu schlüp­fen­den Dra­chen Temer­ai­re, und erlebt mit die­sem nun Aben­teu­er. Die Serie spielt zu Beginn des 19. Jahr­hun­derts, Napo­le­on Bona­par­te ist der gefürch­te­te Böse­wicht, gegen den Groß­bri­tan­ni­en und Preu­ßen kämp­fen, und auf allen Sei­ten sind ganz unter­schied­li­che Dra­chen mit dabei – als Luft­auf­klä­rung und zum Bom­ben­wer­fen, man­che kön­nen auch Feu­er oder ätzen­de Säu­re spu­cken. Dra­chen sind offen­sicht­lich intel­li­gen­te Wesen – und trotz­dem wer­den sie in Groß­bri­tan­ni­en eher wie Reit­tie­re oder Schif­fe behan­delt. Ist das Skla­ve­rei? Das ist eine der Fra­gen, die sich unter der Ober­flä­che aus his­to­ri­schem Aben­teu­er­ro­man und Rei­se­be­richt (spä­ter geht es u.a. nach Chi­na, durch die Tür­kei und ins Inne­re Afri­kas) durch die bis­her gele­se­nen vier Bän­de zieht. Und dass eini­ge Dra­chen nur weib­li­che Len­ke­rin­nen akzep­tie­ren, führt dazu, dass das Dra­chen-Corps nicht ganz so patri­ar­cha­lisch auf­ge­baut ist wie der Rest Groß­bri­tan­ni­ens zu die­sem Zeit­punkt. Dass zu akzep­tie­ren, ist für unse­re Haupt­per­son aus gutem Haus, mit Manie­ren und Anstand – und den ent­spre­chen­den Vor­stel­lun­gen von Sitt­sam­keit – nicht immer leicht zu akzeptieren. 

Durch das his­to­ri­sche Set­ting und die dar­an ange­pass­te Erzähl­wei­se sind die Temer­ai­re-Bän­de nicht ganz so mit­rei­ßend wie Noviks Gol­den Encla­ves, den­noch eine Ent­de­ckung für mich. Ob ich jetzt mit Band 5 (von 9) wei­ter­ma­che oder erst ein­mal etwas ande­res dazwi­schen schie­be, habe ich aller­dings noch nicht entschieden.

Science Fiction und Fantasy im Vorfrühling 2023 (Teil I)

Fairy lights

Die Lis­te der Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Wer­ke, die ich gele­sen bzw. ange­schaut habe, ist schon wie­der recht lang. Bevor sie noch län­ger wird, schrei­be ich mal lie­ber was dazu.

Ange­guckt habe ich mir v.a. Seri­en. Andor (Dis­ney+) spielt im Star-Wars-Uni­ver­sum, ist aber eigent­lich ein Film über prä­re­vo­lu­tio­nä­re Umstän­de und (proto-)faschistische Herr­schaft. Sehr gut gemacht und sehens­wert und ganz anders, als es das Label Star Wars ver­mu­ten hät­te las­sen. Ähn­li­ches gilt für den Ani­ma­ti­ons­film Guil­ler­mo del Toros Pinoc­chio (Net­flix), der nicht nur eine Umset­zung der Pinoc­chio-Geschich­te ist, son­dern die­se sehr detail­ge­treu ins faschis­ti­schen Ita­li­en der 1930er Jah­re ver­setzt. Auch das sehr gut gemacht.

Mehr Unter­hal­tung und weni­ger poli­ti­scher Kom­men­tar dage­gen die bei­den Star-Trek-Seri­en, die ich ange­schaut habe bzw. noch anschaue: Stran­ge New Worlds (Para­mount+ – habe sie über ein Prime-Pro­bier-Ange­bot ange­schaut, bin aber immer noch genervt davon, dass Star Trek auf ein eige­nen Strea­ming-Kanal wan­dert …) – also, Stran­ge New Worlds ist ein biss­chen Zurück zu den Wur­zeln, eine zeit­ge­mä­ße Neu­auf­la­ge von TOS, mit ähn­li­ches Ästhe­tik, abge­schlos­se­nen Geschich­ten und einem Ver­zicht auf die Düs­ter­nis­von DS9 oder Dis­co­very. Die drit­te Staf­fel von Picard (Prime) holt mehr oder weni­ger alle TNG-Stars plus Seven ins Boot, bleibt in einem Set­ting, in dem die Fede­ra­ti­on kor­rupt gewor­den ist, und setzt auf eine über­grei­fen­de Geschich­te, mys­te­riö­se Rät­sel und Ver­wick­lun­gen und einen über­aus mäch­ti­gen Gegen­spie­ler. Funk­tio­niert trotz­dem bes­ser als die zwei­te Staf­fel, wür­de ich sagen.

Ange­schaut habe ich mir auch die zwei­te Staf­fel von Shadow & Bone (Net­flix) – sie spielt in einer Welt, die unse­rer recht ähn­lich ist, irgend­wo zwi­schen frü­her Neu­zeit und Früh­mo­der­ne, nur dass es hier Magie gibt, die bekämpft, als Waf­fe ein­ge­setzt, ver­heim­licht oder ganz offen gelebt wird, je nach kul­tu­rel­lem Set­ting. Die zugrun­de­lie­gen­den Bücher von Leigh Bard­u­go lau­fen unter „Young Adult“ – und, naja, neben dem Kampf zwi­schen Gut und Böse und inter­es­san­tem Wel­ten­buil­ding usw. ist halt auf­fäl­lig, dass so gut wie alle Per­so­nen (auch, wenn sie hun­der­te Jah­re alt sind) von hüb­schen Mitt­zwan­zi­gern gespielt werden. 

Gele­sen habe ich auch eini­ges, neben SF und Fan­ta­sy auch den his­to­ri­schen Roman Mon­tai­gnes Kat­ze von Nils Mink­mar (2022) – jetzt weiß ich sehr viel mehr über Mon­tai­gne und über Frank­reich und Euro­pa in den 1580er Jah­ren, von Mink­mar leben­dig erzählt – und das Sach­buch Im Mit­tel­al­ter: Hand­buch für Zeit­rei­sen­de von Ian Mor­ti­mer (2008), das aus­führ­lich und les­bar auf All­tags­le­ben, Gebräu­che, Ernäh­rung, Klei­dung, Gewalt und Kul­tur im Eng­land des 14. Jahr­hun­derts ein­geht, und es schafft, die Fremd­heit unse­rer Ver­gan­gen­heit anschau­lich zu machen.

In Fol­gen­den geht es mir um die Fan­ta­sy-Bücher, die ich gele­sen habe – zum The­ma Sci­ence Fic­tion kom­me ich dann in einem zwei­ten Teil.

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