Zeit des Virus, Update X

Summer, rain style

Im Mai hat­te ich geschrie­ben, wie schwie­rig es ist, an eine Imp­fung zu kom­men. Letzt­lich ist es mir dann doch gelun­gen, mich mit Astra­Ze­ne­ca imp­fen zu las­sen. Mor­gen steht dann die zwei­te Imp­fung an – nicht mit Astra­Ze­ne­ca, son­dern mit dem Impf­stoff von Biontech. Das soll, so die aktu­el­le Emp­feh­lung, bes­ser hel­fen gegen die inzwi­schen domi­nie­ren­de Del­ta-Vari­an­te. Auch mei­ne Teen­ager-Kin­der haben – ent­ge­gen der Sti­ko-Emp­feh­lung – inzwi­schen ihre ers­te Imp­fung hin­ter sich; ins­ge­samt habe ich den Ein­druck, dass es zumin­dest hier in der Gegend inzwi­schen kein Pro­blem ist, an einen Impf­ter­min zu kom­men. Im Gegen­teil: das Impf­zen­trum macht gera­de sehr offen­siv Wer­bung, geht in ein­zel­ne Stadt­tei­le usw., um auch die­je­ni­gen zu errei­chen, die nicht von sich aus den Stress der Ter­min­or­ga­ni­sa­ti­on auf sich genom­men haben oder nicht von ihrem Haus­arzt oder ihrer Haus­ärz­tin geimpft werden.

Vor zwei, drei Wochen sah es fast so aus, als wäre die Pan­de­mie dann mal zu Ende. Schnell sin­ken­de Infek­ti­ons­zah­len, Inzi­den­zen deut­lich unter 10, in eini­gen Land­krei­sen kei­ne neu­en Fäl­le mehr. Der Schul­be­trieb fin­det wie­der in Prä­senz und im Klas­sen­zim­mer ohne Mas­ken statt, pri­va­te Tref­fen wur­den erlaubt, Kul­tur­be­trie­be konn­ten wie­der auf­ma­chen. End­lich wie­der sowas wie Normalität!

Seit ein paar Tagen hat sich der Trend jedoch umge­kehrt. Der R‑Wert liegt über 1, die Neu­in­fek­ti­ons­zah­len wach­sen. Nicht ganz so schnell wie in den Nie­der­lan­den, wo die Öff­nung von Clubs eine Ver­zehn­fa­chung der Infek­tio­nen nach sich zog, aber doch schnell genug, um wie­der in eine expo­nen­ti­el­le Kur­ve zu kom­men. Gleich­zei­tig nimmt die Zahl der Imp­fun­gen nicht mehr so schnell zu. Ich habe Angst, dass wir die­sen Wett­lauf gegen die Del­ta-Vari­an­te ver­lie­ren. Und auch wenn die Imp­fung dann Schutz gegen schwers­te Ver­läu­fe bie­tet, sind wir mit der Pan­de­mie wohl lei­der noch ganz und gar nicht am Ende.

In Baden-Würt­tem­berg begin­nen in gut zwei Wochen die Som­mer­fe­ri­en. Wir sind spät dran und kön­nen gucken, wel­che Feh­ler in ande­ren Bun­des­län­dern gemacht wer­den. Hef­tig dis­ku­tiert wird über Luft­fil­ter­ge­rä­te, wobei sich als Kon­sens inzwi­schen her­aus­schält, dass die­se zwar hel­fen, aber nur ein Bau­stein sein kön­nen und ande­re Bau­stei­ne einer Stra­te­gie – Abstän­de, Mas­ken, Lüf­ten, Qua­ran­tä­ne – nicht erset­zen. Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann hat bereits ange­kün­digt, zumin­dest in den zwei Wochen direkt nach den Som­mer­fe­ri­en unab­hän­gig von Inzi­den­zen wei­ter auf regel­mä­ßi­ge Tests der Schul­kin­der und auf Mas­ken zu set­zen; auch, um Infek­tio­nen von Rei­se­rück­keh­ren­den zu identifizieren. 

Clubs, Rei­sen, die Zuschauer:innen bei der Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft – all das sind wohl gera­de Fak­to­ren, die dazu bei­tra­gen, wie­der in stei­gen­de Infek­ti­ons­zah­len zu kom­men. Und auch wenn die Zahl der Fäl­le, die ins Kran­ken­haus müs­sen, gerin­ger als bei den ers­ten drei Wel­len ist, stimmt mich das alles nicht gera­de opti­mis­tisch. Und den Feh­ler, in stei­gen­de Zah­len hin­ein zu lockern, der wur­de jetzt mehr­fach gemacht. Statt­des­sen wäre eigent­lich jetzt die Chan­ce da, gut begrün­det prä­ven­tiv zu han­deln. Ob die Ministerpräsident:innen mit­ten im Wahl­kampf, mit­ten in den Som­mer­fe­ri­en in den meis­ten Län­dern den Mut auf­brin­gen, bleibt abzuwarten.

Zusam­men mit den star­ken Regen­fäl­len mit­ten im Som­mer, den Wald­brän­den in Kali­for­ni­en und den Hit­ze­to­ten in Kana­da wirkt der Zustand der Welt auf mich gera­de ein biss­chen wie Apo­ka­lyp­se in Zeit­lu­pe. Da hel­fen dann kei­ne Held:innen, son­dern nur vor­aus­schau­en­de und effek­ti­ve Politik. 

Zeit des Virus, Update V

Was hat sich geän­dert seit mei­nem letz­ten Update Anfang Mai? Eini­ges ist gleich geblie­ben – ich arbei­te nach wie vor im Home-Office, und die Tage sind trotz allem nach wie vor gut gefüllt. Nach wie vor gilt beim Ein­kauf und im ÖPNV eine Mas­ken­pflicht, und drau­ßen ein Abstands­ge­bot, auch wenn sich nicht alle dar­an halten. 

Mehr oder weni­ger ver­schwun­den sind die Coro­na-Demos – mög­li­cher­wei­se auch des­we­gen, weil mit bis vor kur­zem schnell sin­ken­den Infek­ti­ons­zah­len recht gro­ße Locke­rungs­schrit­te umge­setzt wur­den. Es ist wie­der mög­lich, sich mit meh­re­ren Per­so­nen zu tref­fen, Sport­ein­rich­tun­gen und Schwimm­bä­der dür­fen unter bestimm­ten Umstän­den auf­ma­chen, die ers­ten Thea­ter- und Kino­vor­füh­run­gen mit stark redu­zier­ter Sitz­zahl fin­den statt, und es ist in Aus­sicht gestellt, dass auch grö­ße­re Ver­an­stal­tun­gen bald wie­der statt­fin­den kön­nen, solan­ge es sich dabei nicht um feucht-fröh­li­che Volks­fes­te han­delt. Ach ja, und die Schu­len – aber dazu gleich. 

Ins­ge­samt hat sich die Stim­mung ver­scho­ben. Das Virus wird längst nicht mehr so ernst genom­men. Auch wenn es nicht so gut gelun­gen ist wie in Neu­see­land, so scheint Deutsch­land doch über den Berg zu sein. Es gibt zwar nach wie vor kei­nen Impf­stoff, aber aktu­ell – das ist doch fast schon wie­der ein Zustand wie vor dem Aus­bruch der Pan­de­mie. Das scheint mir jeden­falls die in vie­len Köp­fen vor­herr­schen­de Mei­nung zu sein. Dass Mas­ken dann nicht mehr so gern getra­gen wer­den, dass auf das neu gelern­te regel­mä­ßi­ge Hän­de­wa­schen schnell mal ver­zich­tet wird … das ver­wun­dert dann auch nicht. Und selbst die­je­ni­gen, die mit einer zwei­ten Wel­le rech­nen, neh­men die Zeit jetzt als Pau­se zwi­schen den Aus­brü­chen wahr.

Ein biss­chen geht es mir auch so. Wobei vie­les unge­wiss ist. Ich habe jetzt für den August eine Feri­en­woh­nung an der Nord­see gebucht – mit dem etwas flau­en Gefühl, dass es eigent­lich völ­lig unklar ist, ob im August lan­ge Zug­fahr­ten und Urlau­be mög­lich sind, oder eher nicht. Also mit einem schlech­ten Gefühl. Gleich­zei­tig war jetzt schon vie­les ausgebucht.

Mehr oder weni­ger durch? Dann kam Tön­nies, dann kam Ber­lin-Neu­kölln, dann kam Göt­tin­gen – jeweils mit mehr oder weni­ger iso­lier­ten Aus­brü­chen, die aber doch zei­gen, wie schnell die Infek­ti­ons­zah­len wie­der hoch­ge­hen kön­nen. Was mich irri­tiert: eigent­lich müss­te zumin­dest im Fall Tön­nies längst die loka­le Lock­down-Rege­lung grei­fen. Die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz hat­te dazu einen Wert von 50 Infek­tio­nen / sie­ben Tage fest­ge­legt – der ist deut­lich über­schrit­ten. Und auch wenn das Infek­ti­ons­ge­sche­hen alle mei­ne Urtei­le über Schlacht­hö­fe bestä­tigt, so wür­de es mich doch extrem wun­dern, wenn die hun­der­te infi­zier­ten Beschäf­tig­ten das Virus in der Schlacht­fa­brik gelas­sen hät­ten und nicht mit nach Hau­se, in Schu­len, Ver­ei­ne und Got­tes­diens­te mit­ge­nom­men und wei­ter ver­brei­tet hät­ten. (Ich wür­de ja fast dazu raten, ein­fach mal alle Schlacht­fa­bri­ken für zwei Wochen zu schlie­ßen – wohl wis­send, dass dahin­ter agrar­in­dus­tri­el­le Wert­schöp­fungs­ket­ten ste­cken, die bis zur „Tier­pro­duk­ti­on“ reichen …)

Deut­lich macht das jeden­falls: das Wie­der­auf­flam­men des Virus kann schnell gehen. Dann wird sich zei­gen, ob die Coro­na-Warn-App (und die Digi­ta­li­sie­rung der Daten­ein­ga­be in den Gesund­heits­äm­tern) hilft, Infek­ti­ons­ket­ten schnell zu iden­ti­fi­zie­ren und ein­zu­däm­men. Bis­her bleibt die App – über zehn Mil­lio­nen Mal her­un­ter­ge­la­den – wohl auch auf­grund gerin­ger Fall­zah­len grün, aber das muss nicht so blei­ben. Apro­pos: dass die­se App Open-Source ist, auf einem daten­schutz­freund­li­chen dezen­tra­len Pro­to­koll auf­setzt, und dass es inten­si­ve Mög­lich­kei­ten zu Feed­back in der Ent­wick­lun­gen gege­ben hat, ist doch ganz beacht­lich. Viel­leicht ein Vor­bild für wei­te­re Soft­ware­pro­jek­te der öffent­li­chen Hand.

Ach ja, die Schu­len. Die brin­gen mit einer Tei­l­öff­nung Bewe­gung in den Tages­ab­lauf. Die sechs Wochen bis zu den baden-würt­tem­ber­gi­schen Som­mer­fe­ri­en fin­den im rol­lie­ren­den Prä­senz­un­ter­richt statt, d.h., um Abstands­re­geln ein­zu­hal­ten, ist jeweils die Hälf­te der Kin­der eine Woche in der Schu­le, die ande­re eine Woche zu Hau­se; bei den „Prä­senz­kin­dern“ gibt es noch dazu Früh- und Spät­schich­ten. Effek­tiv sind es dann gera­de mal vier Unter­richts­stun­den pro Tag Anwe­sen­heit in der Schu­le; der Fokus liegt auf den Haupt­fä­chern. In der Fern­un­ter­richts­wo­che gibt es dage­gen Neben­fa­ch­un­ter­richt auf Mood­le (was inso­fern ein biss­chen scha­de ist, als gera­de Fächer wie Bio­lo­gie, Phy­sik und Che­mie vom expe­ri­men­tel­len Machen leben). Ob die­ses Hin und Her zwi­schen Prä­senz und Fern­un­ter­richt letzt­lich mehr bringt als der zuneh­mend inten­si­ver betreu­te Distanz­un­ter­richt per Mood­le, bleibt abzu­war­ten. Auf jeden Fall führt er dazu, dass wir wie­der frü­her auf­ste­hen müs­sen – mei­ne Kin­der haben den Unter­richts­be­ginn um 8.00 Uhr erwischt, mit ent­spre­chen­dem Vor­lauf. Hat jetzt, in die­sen lan­gen Som­mer­ta­gen, auch posi­ti­ve Sei­ten. Und ob die Tat­sa­che, dass das eine Kind in den A‑Wochen, und das ande­re in den B‑Wochen in die Schu­le geht, eher ein Vor- oder ein Nach­teil ist, ist mir eben­falls noch nicht ganz klar. (Nach­teil: jede Woche an den Kin­der­ta­gen früh auf­ste­hen, Vor­teil: das jeweils ande­re Kind hat dann zu Hau­se wäh­rend der ver­kürz­ten Schul­zeit sei­ne Ruhe …). 

Nach den Som­mer­fe­ri­en soll es dann, heißt es, mög­li­cher­wei­se wie­der vol­len Prä­senz­un­ter­richt ohne Abstands­ge­bo­te geben. Ich glau­be noch nicht ganz dar­an – und hof­fe, dass die Kul­tus­bü­ro­kra­tie und die Schu­len die Som­mer­fe­ri­en auch dazu nut­zen, einen Plan B auf­zu­stel­len, der sys­te­ma­tisch und päd­ago­gisch sinn­voll 50 bis 100 Pro­zent Distanz­ler­nen auf eine klu­ge Grund­la­ge stellt. Ja, auch wenn dann nicht kon­trol­liert wer­den kann, ob Schü­le­rin X oder Schü­ler Y wirk­lich jede Test­auf­ga­be selbst gemacht hat – das wird ernst­haft als Argu­ment für den Prä­senz­un­ter­richt ange­führt; als ob es bei Schu­le vor allem dar­um gin­ge, Lern­stoff zu kontrollieren. 

Mög­li­cher­wei­se wird es mit der Prä­senz bei Kitas und Grund­schu­len anders aus­se­hen – das ist jeden­falls eine Deu­tung der „Kin­der­stu­die“ der baden-würt­tem­ber­gi­schen Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken. Die bezieht sich aber – unab­hän­gig von allen auf­grund der Situa­ti­on nicht anders mög­li­chen Ent­schei­dun­gen über das For­schungs­de­sign – nur auf Kin­der bis zehn Jah­re. Und Isra­el zeigt, dass eine Öff­nung der Schu­len durch­aus auch Pro­ble­me nach sich zieht. Inso­fern befürch­te ich, dass wir im Sep­tem­ber noch längst nicht wie­der beim stink­nor­ma­len Prä­senz­un­ter­richt lan­den wer­den – und hof­fe gleich­zei­tig, dass der not­ge­drun­ge­ne Digi­ta­li­sie­rungs­schub auch über „Coro­na“ hin­aus etwas an der Unter­richts­ge­stal­tung ändern wird.

Kurz: Ferienzeit, Kinderzeit

Die ers­ten vier­zehn Tage der Som­mer­fe­ri­en sind die Kin­der über­wie­gend bei mir – sofern sie nicht gera­de Feri­en­pass­ver­an­stal­tun­gen haben oder bei den Groß­el­tern über­nach­ten. Kei­ne Schu­le, kein Hort, kein Kin­der­gar­ten, und dazu 35°C – das kann ganz schön heiß wer­den. Unser Tages­rhyth­mus hat sich deut­lich nach hin­ten ver­scho­ben, das klei­ne­re Kind ist vom Feri­en­pro­gramm her (ges­tern „Recy­cling­hof“, heu­te „Expe­ri­men­te“; am Bag­ger­see waren wir auch schon) arg auf­ge­regt, das grö­ße­re Kind hängt dage­gen den hal­ben Tag gelang­weilt her­um, bis es end­lich ein Buch ent­deckt, das es noch nicht gele­sen hat. Feri­en halt.

(Und ein Grund, war­um ich gera­de nicht so rich­tig viel Zeit und Muße fin­de, neben Haus­halt und Essen und … noch zu blog­gen oder inten­siv (im Gegen­satz zu mal schnell neben­her) in Face­book-Debat­ten ein­zu­stei­gen. Auch wenn ich das jetzt, wo es end­lich etwas küh­ler wird und die Kin­der still im Bett lie­gen, doch ver­su­chen möchte …)

((Der neue PC ist noch nicht da …))