Der hier bereits andiskutierten Frage nach der Nachfolge von Horst Köhler möchte ich mich in diesem Beitrag noch einmal widmen – in etwas ernsthafterer Form. Der aktuelle Stand der KandidatInnensuche „aus Kreisen“ scheint sich ja auf Ursula von der Leyen einzuschießen – die aus einer ganzen Reihe von Gründen keine sehr gute Kandidatin für dieses Amt ist. Vor allem wäre sie eine Kandidatin der Regierung.
Und wenn dem Amt der BundespräsidentIn überhaupt ein Sinn zukommt, dann kann es nicht der sein, als erweiterter Arm (oder gar als „Leuchtrakete“, wie es Prantl in der SZ heute schrieb) einer Regierung zu dienen. Ob wir überhaupt einen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin brauchen – auch das erscheint mir immer noch eher unsicher. Wenn, müsste vielleicht doch noch einmal über den Zuschnitt und das Wirkungsfeld dieser „ErsatzkönigIn“ nachgedacht werden.
Aber ich schweife ab. Ursula von der Leyen, aber auch Norbert Lammert – das wären KandidatInnen, die ganz klar die Botschaft „von Merkels Gnaden“ mit sich tragen würden. Nun sieht es auf den ersten Blick so aus, als sei in der Bundesversammlung eine klare schwarz-gelbe Mehrheit von 22 bis 24 Stimmen gegeben. Die gibt es, keine Frage:
Auf den zweiten Blick – und ich bin überzeugt davon, dass in diesen Zeiten ein solcher zweiter Blick notwendig ist – bieten die Verhältnisse in der Bundesversammlung auch andere, vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinende Kombinationsmöglichkeiten; einmal abgesehen davon, dass es bisher oft so war, dass die aus den Ländern entsandten Fraktionen eben nicht aus FraktionärInnen bestanden, sondern aus – durchaus eigenständig handelnden – Prominenten oder aus Personen mit Symbolfunktion. Die Delegierten für die Bundesversammlung aus den Ländern werden in den nächsten Wochen gewählt. Dann wird sich zeigen, ob es diesmal anders ist, und in der besonderen Situation, in kurzer Zeit eine Bundesversammlung zu beschicken, der Parteidisziplin ein höherer Stellenwert eingeräumt wird.
Gehen wir einmal davon aus, dass die „Blöcke“ tatsächlich geschlossen abstimmen werden. Aber was sind das für Blöcke? Ist es legitim, von einem schwarz-gelben und einem rot-grün(-roten) Block zu sprechen? Wenn wir die „Bauklötzchen“ einmal anders stapeln, ergeben sich Kombinationsmöglichkeiten, die ungewöhnlich sind – aber das Potenzial mit sich bringen, eine Bundespräsidentin oder einen Bundespräsidenten zu finden, die oder der weder dem (scheinbaren) Quereinsteiger Köhler entspricht, noch dem einer linientreuen Vollblutpolitikerin.
Ein Beispiel für eine solche ungewöhnliche Kombination wäre die Ampel. Was spricht dagegen, mit einer Mehrheit aus FDP, Grünen und SPD (gerade auch mit Blick auf NRW …) und etwa 20 Delegierten aus entweder der CDU/CSU oder der LINKEN Sabine Leutheuser-Schnarrenberger zur Präsidentin zu küren?* Politisch erfahren, moralisch integer – eine Kandidatin, die in diesem Amt nicht in der Abhängigkeit von der Bundesregierung stände, sondern Spielräume nutzen kann. Und natürlich gäbe es noch ein paar weitere Personen, für die eine solche Mehrheit eine Grundlage bieten könnte. Es käme auf den Versuch an.
Und wer es partout anders haben will: auch schwarz-grün hätte in der Bundesversammlung eine Mehrheit – um zum Beispiel Klaus Töpfer oder Joschka Fischer ins Amt zu hieven. Oder, wenn’s denn wirklich sein muss: mit dem Stimmen einer großen Koalition eine ehemalige BundesverfassungsgerichtspräsidentIn o.ä. zu wählen.
Warum blogge ich das? Weil ich es schade fände, wenn die Chance, die in dieser Krise steckt, vertan würde.
* Alternativ: mit relativer Mehrheit im dritten Wahlgang – eine GegenkandidatIn müsste, um vorher erfolgreich zu sein, die Stimmen der CDU/CSU, der LINKEN, der Freien Wähler und der NPD auf sich vereinen.