Nach der Mega-BDK: Grün geht weiter

BDK 2023

Ich hat­te ja auf­ge­schrie­ben, dass ich durch­aus mit Sor­ge auf den grü­nen Bun­des­par­tei­tag schaue. Nach vier Par­tei­tags­ta­gen (bei mir: drei im Stream, einer vor Ort) stel­le ich fest, dass wir Grü­ne leben­di­ger sind, als man­che das ger­ne hät­ten. Ich wür­de mich freu­en, wenn ein biss­chen von dem – zuwei­len auch trot­zi­gen – Auf­bruchs­geist und Mut, den die­se vier Tage aus­ge­strahlt haben, in die nächs­ten Wochen und Mona­te hin­ein­wir­ken wür­de. Denn Koor­di­na­ti­on und Zusam­men­halt, gemein­sa­mes Strei­ten um die Sache und gemein­sa­mes Hin­ste­hen für das Erreich­te, das bleibt drin­gend angesagt.

Die ganz gro­ßen Über­ra­schun­gen sind aus­ge­blie­ben. Die Bun­des­vor­sit­zen­den und der (bis auf den Schatz­meis­ter) gleich geblie­be­ne Bun­des­vor­stand wur­den mit guten bis sehr guten Ergeb­nis­sen bestä­tigt, die Euro­pa­lis­te mit Spit­zen­kan­di­da­tin Ter­ry Reint­ke ist jün­ger, weib­li­cher und lin­ker gewor­den. Was lei­der nicht gut gelun­gen ist: Leu­te mit fach­li­cher Exper­ti­se, aber ohne inten­si­ve Par­tei-Ein­bin­dung auf die Lis­te zu brin­gen. Das war mal eine grü­ne Stär­ke, inzwi­schen kopie­ren es ande­re, und bei uns sieht es dies­be­züg­lich eher mau aus. Gleich­wohl: auf der jetzt gewähl­ten Lis­te sind sehr star­ke Kandidat*innen, und es ist immer wie­der erfreu­lich, zu sehen, wie viel­fäl­tig und her­aus­ra­gend unse­re Leu­te sind.

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Vor der Mega-BDK: Neuerfindung oder Weiterwursteln?

Rasmus' painting II

Ab heu­te Don­ners­tag, am spä­ten Nach­mit­tag, 17 Uhr, beginnt in Karls­ru­he die 49. Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) von Bünd­nis 90/Die Grü­nen. Das ers­te Mal, dass die­ser Par­tei­tag mit rund 800 Dele­gier­ten für vier Tage zusam­men­kommt – und es steht auch eini­ges auf der Tages­ord­nung: der Bun­des­vor­stand und der Par­tei­rat wer­den neu gewählt, das Wahl­pro­gramm für die Euro­pa­wahl 2024 und die Lis­te dazu – für die 40 Plät­ze, die gewählt wer­den sol­len, bewer­ben sich rund 65 Per­so­nen – sol­len beschlos­sen wer­den, und zudem gibt es eine gan­ze Rei­he von Dring­lich­keits­an­trä­gen, u.a. zur Hal­tung zu Isra­el und zur Migra­ti­ons­po­li­tik. Alles gut? Ich mache mir Sorgen.

Karls­ru­he, weil dort vor im Janu­ar 1980 die dama­li­gen DIE GRÜNEN gegrün­det wur­den, und coro­nabe­dingt erst jetzt das 40-jäh­ri­ge Jubi­lä­um gefei­ert wer­den kann. So rich­tig viel Par­ty­stim­mung sehe ich jedoch im Vor­feld der BDK nicht. Zwar ste­hen wir Grü­ne mit rund 15 Pro­zent in den bun­des­wei­ten Umfra­gen unge­fähr da, wo wir bei der Bun­des­tags­wahl 2021 lagen. Aber die Per­for­manz der Ampel, die all­ge­mei­nen Kri­sen (bis hin zu den Wahl­er­geb­nis­sen in Bay­ern und Hes­sen vor ein paar Wochen und dem Rechts­ruck in den Nie­der­lan­den heu­te), und jetzt noch das Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des Kli­ma- und Trans­for­ma­ti­ons­fonds – das alles lädt nicht zum Jubeln ein. 

Die Dring­lich­keits­an­trä­ge sind hef­tig umstrit­ten. Der Bun­des­vor­stand (der kom­plett noch ein­mal kan­di­diert) steht im Wind­schat­ten der grü­nen Minister*innen und wird, so mein Ein­druck, als wenig tat­kräf­tig wahr­ge­nom­men. Der Par­tei­rat ver­liert an poli­ti­scher Bedeu­tung. Und bei er Euro­pa­lis­te wird es spä­tes­tens ab Platz 2 ein Hau­en und Ste­chen geben, weil fast alle bis­he­ri­gen Abge­ord­ne­ten wie­der ins Euro­pa­par­la­ment wol­len, aber alle Pro­gno­sen davon aus­ge­hen, dass das Rekord­ergeb­nis von 2019 nicht gehal­ten wer­den kann.

Viel­leicht, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, zeigt sich ein Kon­struk­ti­ons­pro­blem in Regie­rungs­zei­ten. Robert Habeck macht sei­ne Sache als Kli­ma- und Trans­for­ma­ti­ons­mi­nis­ter so gut, wie das in die­sen Zei­ten eben geht. Er ist als Vize­kanz­ler zugleich für die Koor­di­na­ti­on der grü­nen Regie­rungs­sei­te ins­ge­samt zustän­dig. Da wird es mit dem geschlos­se­nen und abge­stimm­ten Auf­tre­ten schon schwie­ri­ger. Und beim Blick auf die Par­tei zeigt sich so etwas wie ein Führungsvakuum. 

Omid Nou­ri­pour und Ricar­da Lang haben zwi­schen den wider­stre­ben­den Inter­es­sen der Regie­rungs­po­li­tik und einer eigent­lich recht selbst­be­wuss­ten Par­tei wenig Bein­frei­heit. 2018 bis 2021 war eine Zeit des mas­si­ven Mit­glie­der­wachs­tums, getra­gen von der Unter­stüt­zung der Öffent­lich­keit für grü­ne The­men. Erfol­ge wer­den ger­ne zusam­men gefei­ert. Die­ser Wind hat sich nun gedreht. Und die Fra­ge danach, wie eine Par­tei mit dem Anspruch, die gesam­te Gesell­schaft zu ver­tre­ten und zu moder­ni­sie­ren, in einer Zeit hef­ti­gen Gegen­winds agie­ren soll, bleibt ungeklärt. 

Das ist der Ele­fant im Par­tei­tags­raum. Wenn alles gut läuft, dann ist die­se Mega-BDK der Punkt, an dem die Par­tei sich wie­der ein­mal neu erfin­det und damit auch zu neu­er Geschlos­sen­heit fin­det. Wenn nicht, dann blei­ben die nächs­ten Mona­te schwierig. 

P.S.: Ich wer­de mir die BDK heu­te und mor­gen im Stream anschau­en und bin vmtl. Sams­tag vor Ort.

Kurz: Schön ist das nicht

Nach­dem der Kanz­ler „Über­ra­schun­gen“ ver­spro­chen hat­te, wur­den ges­tern die Ergeb­nis­se des seit Sonn­tag tagen­den Koali­ti­ons­aus­schus­ses von Lars Kling­beil (SPD), Ricar­da Lang (Grü­ne) und Chris­ti­an Lind­ner (FDP) der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt. Eini­ge gro­ße Streit­punk­te – etwa die Finan­zie­rung der Kin­der­grund­si­che­rung – waren wohl gar nicht The­ma, viel­mehr ging es „nur“ um Kli­ma­schutz, Ver­kehr und Wär­me­wen­de. Das State­ment von Kling­beil blieb vage-wohl­klin­gend. Lind­ner und Lang wur­den sehr viel kon­kre­ter, und stell­ten jeweils drei Punk­te als Ergeb­nis der „schwie­ri­gen Gesprä­che“ heraus. 

Zusam­men­ge­fasst: Kli­ma­schutz bleibt ein Ziel der Koali­ti­on, aber die Wege dahin wer­den eher ver­un­klart. Auf Sek­to­ren­zie­le soll ver­zich­tet wer­den, statt des­sen gibt es einen eher unschar­fen Kon­troll­me­cha­nis­mus. Geld in die Schie­nen­in­fra­struk­tur­mo­der­ni­sie­rung soll aus einer CO2-Abga­be zusätz­lich zur LKW-Maut kom­men. Die FDP bekommt ihr Son­der­pro­gramm für E‑Fuels und den beschleu­nig­ten Aus­bau von „Eng­päs­sen“ an Auto­bah­nen. Das Natur­schutz­recht soll mit den Län­dern neu ver­han­delt wer­den. Bei der Wär­me­wen­de wird noch­mals am Ziel fest­ge­hal­ten, Hei­zun­gen auf erneu­er­ba­re Ener­gien umzu­stel­len. Aus Sicht der FDP könn­te das auch die „H2-Rea­dy-Gas­hei­zung“ sein, oder Holz­pel­lets. Nun ja. Zudem soll die Wär­me­wen­de sozi­al abge­fe­dert wer­den, aller­dings – Lind­ner beton­te das – nicht aus dem Bun­des­haus­halt, son­dern aus dem Son­der­topf Kli­ma- und Trans­for­ma­ti­ons­fonds. Ach ja: und Auto­bah­nen und Schie­nen­stre­cken sol­len von PV beglei­tet wer­den, im Detail ist da aller­dings vie­les noch unklar.

Schön ist das alles nicht. Vie­les wur­de schon im Koali­ti­ons­ver­trag bzw. im letz­ten Koali­ti­ons­aus­schuss fest­ge­legt und muss­te nun erneut – gegen erneu­te Zuge­ständ­nis­se an die FDP – ver­han­delt wer­den. Deren Bockig­keit scheint sich zumin­dest kurz­fris­tig aus­zu­zah­len. Even­tu­ell war es schon ein Erfolg, dass nicht noch mehr an Kli­ma­zie­len ein­ge­ris­sen wur­de. Die FDP jubi­liert und geht in ihren Inter­pre­ta­tio­nen weit über das hin­aus, was ver­ein­bart wur­de. Ich ver­mu­te des­we­gen, dass sie bei der nächs­ten Gele­gen­heit erneut blo­ckie­ren und nach­boh­ren wer­den, und dass es kei­ne Ver­läss­lich­keit gibt. Das Wort Lind­ners scheint nicht viel zu zäh­len. Die SPD schaut zu und lässt machen. Mein Ein­druck: Scholz will nie­mand etwas zumu­ten. Er will der Kanz­ler sein, der dafür sorgt, dass der Kli­ma­schutz nie­mand läs­tig wird, das sich nichts ver­än­dert – eine ziem­lich kon­ser­va­ti­ve Posi­ti­on für den selbst­er­nann­ten „Kli­ma­kanz­ler“ einer „Fort­schritts­ko­ali­ti­on“. Auch das: kei­ne Überraschung. 

Was machen wir jetzt damit? Ich habe eine gewis­se Rest­zu­ver­sicht­lich­keit, dass die grü­nen Minister*innen es doch schaf­fen, ein paar ent­schei­den­de Hebel zu stel­len, beim Wind­kraft­aus­bau, bei der Pho­to­vol­ta­ik, eben auch bei der Wär­me­wen­de. Dass die Ver­kehrs­po­li­tik in den Hän­den der FDP liegt, stellt sich – Koali­ti­ons­ver­trag hin oder her – als gro­ßer Feh­ler her­aus. In der Sum­me: kei­ne ver­lo­re­nen Jah­re für den Kli­ma­schutz, aber es reicht halt nicht, wenn eine von drei Par­tei­en hier vor­an­geht, und die ande­ren brem­sen, wo es nur geht. Wäre das in einer schwarz-grü­nen Koali­ti­on bes­ser? Es gibt nichts, was dar­auf hin­deu­tet. Wäre ein Auf­kün­di­gen der Koali­ti­on, der Gang in die Oppo­si­ti­on oder in unsi­che­re Neu­wah­len bes­ser: auch das sehe ich nicht.

Aber viel­leicht braucht es eine Spur mehr Här­te und Schär­fe. Nie­mand mag eine Regie­rung, die sich strei­tet. Das ist eine Bin­sen­weis­heit. Aber eine grü­ne Koali­ti­ons­part­ne­rin, die immer nur Zus­ge­ständ­nis­se macht, macht sich klei­ner, als sie ist. Wenn Blo­cka­den und Angrif­fe auf SPD und FDP not­wen­dig sind, um etwas zu errei­chen – dann muss das wohl so sein. Schön ist das nicht. Aber viel­leicht effek­tiv. Und letzt­lich kommt es, weil die Kli­ma­kri­se mit einer Wachs­tums­funk­ti­on ver­bun­den ist, dar­auf an, so schnell wie mög­lich Pflö­cke ein­zu­ram­men und wei­chen zu stel­len. Wir wis­sen jetzt, dass die FDP dazu nichts bei­trägt, und dass der „Kli­ma­kanz­ler“ lie­ber zuschaut, als zu füh­ren. Es hängt also an uns. 

„Seid nett miteinander“

Eigent­lich hat­te ich mir fest vor­ge­nom­men, an die­ser ers­ten Prä­senz-BDK – also dem Bun­des­par­tei­tag von Bünd­nis 90/Die Grü­nen – seit einer gefühl­ten Ewig­keit vor Ort in Bonn teil­zu­neh­men. Da ich nur Ersatz­de­le­gier­ter bin, und die Debat­ten im Stream eben­so gut ver­folg­bar sind, habe ich mich dann ange­sichts der rapi­de stei­gen­den Coro­na­zah­len einer­seits und leich­ten Erkäl­tungs­sym­pto­men ande­rer­seits ent­schie­den zu Hau­se zu blei­ben. Also, nur ein Bericht vom Bild, ohne Hin­ter­grund­rau­schen aus der Hal­le, ohne Atmo­sphä­re und ohne Nebengespräche.

Trotz­dem glau­be ich, dass sich ein biss­chen was über die­se BDK sagen lässt. Mot­to „Wenn unse­re Welt in Fra­ge steht: Ant­wor­ten“. Die mul­ti­plen, sich über­lap­pen­den Kri­sen tauch­ten selbst­ver­ständ­lich immer wie­der auf – in den Reden genau­so wie in den Anträ­gen. Über­haupt: die­se BDK war ein Antrags-Par­tei­tag. Im Mit­tel­punkt stan­den nicht die Wah­len, kei­ne Lis­ten­auf­stel­lung, und auch kein Pro­gramm, viel­mehr wur­de an vier gro­ßen the­ma­ti­schen Blö­cken gear­bei­tet. Dazu kamen zehn sons­ti­ge Anträ­ge, ein sehr kurz­fris­ti­ger Dring­lich­keits­an­trag zur Sicher­heit kri­ti­scher Infra­struk­tu­ren und eini­ge Sat­zungs­än­de­rungs­an­trä­ge. Ein Antrags- und damit ein Arbeits­par­tei­tag, also.

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Kurz: Umgangsformen

Am Wochen­en­de hat­ten wir Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Donau­eschin­gen. Unter ande­rem hielt dort unse­re Bun­des­vor­sit­zen­de Ricar­da Lang eine sehr star­ke Rede zu Putin und der Ukrai­ne, zu stei­gen­den Ener­gie­prei­sen und dem Anspruch, statt eines „Win­ters der Wut“ einen „Win­ter der Soli­da­ri­tät“ erle­ben zu wollen.

Ich habe ein biss­chen dazu get­wit­tert, Ricar­da hat einen der Tweets ret­weetet – und mir damit einen Ein­blick in das Schlamm­loch gege­ben, dass Twit­ter auch sein kann. Mei­ne Time­line zeigt das, was ich sehen will – die Tweets und Ret­weets der Leu­te, denen ich fol­ge, kei­ne Emp­feh­lun­gen, kei­ne algo­rith­misch rein­ge­schleu­der­ten Tweets. Das ist meist niveau­voll und bei allen Dif­fe­ren­zen durch einen freund­li­chen Umgang mit­ein­an­der gekenn­zeich­net. Und mei­ne eige­nen Tweets erlan­gen sel­ten eine Sicht­bar­keit, die Trol­le anlockt.

Hier war das nun anders – gegen Ricar­da gerich­te­te Belei­di­gun­gen im Dut­zend, und natür­lich Vor­wür­fe aller Art gegen grü­ne Poli­tik. Letz­te­res gehört dazu, ers­te­res fin­de ich uner­träg­lich. Und ich kann mir vor­stel­len, wie übel das bei Accounts wie dem von Ricar­da Tag für Tag aussieht. 

Twit­ter ermög­licht es inzwi­schen, ein­zu­schrän­ken, wer ant­wor­ten darf. Das habe ich dann auch gemacht – und groß­zü­gig alle geblockt, denen sicht­bar nicht an Debat­te, son­dern nur an Beschimp­fung und Hass gele­gen ist. Und das ist völ­lig legitim.