Ein Versuch über die Technikfeindlichkeit

Journey of waiting XXXIX: old technology

Mein im Novem­ber 2010 ein­ge­reich­ter Auf­satz „Tech­nik­feind­lich­keit. Ein Ver­such über eine deut­sche Debat­te“* ist jetzt in der Revue d’Allemagne et des Pays de lan­gue alle­man­de** erschie­nen – in einer Aus­ga­be, die sich unter der Gasther­aus­ge­ber­schaft der Straß­bur­ger Pro­fes­so­rin Flo­rence Rudolf mit Umwelt­po­li­tik und Umwelt­so­zio­lo­gie in Deutsch­land auseinandersetzt. 

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Kann Konsum nachhaltig sein?

Hype drink mix

Ich war ges­tern und vor­ges­tern auf einer klei­nen, aber fei­nen Fach­ta­gung in Mün­chen, orga­ni­siert von Claus Tul­ly vom Deut­schen Jugend­in­sti­tut e.V. und von Mat­thi­as Groß als Spre­cher der Sek­ti­on Umwelt­so­zio­lo­gie der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie. In den Vor­trä­gen ging’s um das The­ma „Kon­sum und Nach­hal­tig­keit“ – in etwa der Hälf­te der Vor­trä­ge mit einem Bezug zu Schul­pro­jek­ten. Ich selbst habe was pra­xis­theo­re­ti­sches zu den Mög­lich­kei­ten und Gren­zen „grü­ne­ren Tele­fo­nie­rens“ vorgetragen.

Nicht zuletzt aus Zeit­grün­den will ich aber gar kei­nen Tagungs­be­richt schrei­ben, son­dern nur auf vier inter­es­san­te Ideen hinweisen:

1. Prak­ti­ken ändern, indem vor­ge­la­ger­te Ket­ten und Kon­text­be­din­gun­gen ver­än­dert wer­den. Pra­xis­theo­rie scheint ja zunächst ein­mal einen Fokus auf indi­vi­du­el­les Han­deln zu legen. Bei genaue­rer Betrach­tung rücken in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve aber schnell die „sys­tems of pro­vi­si­on“ (Sho­ve) ins Blick­feld. Ich habe – vor allem auch nach einer schö­nen Zusam­men­fas­sung der pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve in der Umwelt­so­zio­lo­gie durch Karl-Wer­ner Brand – den Ein­druck, dass Inter­ven­tio­nen in Rich­tung „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ erfolg­rei­cher sind, wenn sie gar nicht an den (Konsum-)Praktiken anset­zen, son­dern vor­her, also an den Ket­ten und Kon­tex­ten. Auch dazu müs­sen „win­dows of oppor­tu­ni­ty“ da sein und genutzt wer­den. Ein Bei­spiel ist die BSE-Kri­se: die hat zwar auch dazu geführt, dass ein paar Mona­te lang weni­ger Rind­fleisch ver­zehrt wur­de – sie hat aber vor allem dazu geführt, dass das „sys­tem of pro­vi­si­on“ der Land­wirt­schaft so umge­baut wur­de, dass eine über die vor­he­ri­ge klei­ne Nische hin­aus­ge­hen­de Bio­pro­duk­ti­on mög­lich wur­de (also die Kün­ast-Agrar­wen­de-Poli­tik). Kon­sum­prak­ti­ken haben sich dann an die­se neue Situa­ti­on ange­passt (weil wir das mit unse­ren Prak­ti­ken immer machen) – und das in einer sta­bi­le­ren Form.

2. Lie­ber Kon­sum als Nach­hal­tig­keit? Kai-Uwe Hell­mann war ein­ge­la­den, um eine pro­vo­kan­te Key­note zu hal­ten, und hat das im Sinn der „Ver­un­si­che­rungs­wis­sen­schaft“ auch gut hin­ge­kriegt. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on war so etwa: „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ schaut ers­tens immer nur auf die dunk­le Sei­te des Kon­sums und geht zwei­tens von einem Ver­brau­cher aus, der von Infor­ma­tio­nen etc. völ­lig über­for­dert wird. Statt des­sen sei es not­wen­dig, unvor­ein­ge­nom­me­ne Kon­sum­so­zio­lo­gie zu betrei­ben und Kon­sum als akti­ve, mit Sinn­stif­tung etc. ver­bun­de­ne Leis­tung anzu­er­ken­nen – egal, ob jetzt nach­hal­tig oder nicht. Und „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ sei letzt­lich auch nur als über Mar­ken (wie das Bio­sie­gel) kom­ple­xi­täts­re­du­zier­te Lebens­stil-Ent­schei­dung denk­bar. Da ist eini­ges wah­res dran, trotz­dem habe ich mich dar­über auch ein biss­chen geärgt – mein Ein­druck ist der, dass die deut­sche Umwelt­so­zio­lo­gie deut­lich wei­ter ist (also längst nicht mehr das Pro­gramm hat, alle Welt zu mora­li­schen Ver­brau­che­rIn­nen umzu­er­zie­hen). Trotz­dem ein anre­gen­der Außen­blick auf den Stand einer Dis­zi­plin. – Eben­falls einen Außen­blick auf „Nach­hal­ti­gen Kon­sum“ lie­fer­te Jens Häl­ter­lein von der Uni Jena, der den Weg vom Wirt­schafts­wun­der über mora­li­sche Ver­zichts­ap­pel­le (und eine anti­ka­pi­ta­lis­tisch-risi­ko­mi­ni­mie­rungs­ori­en­tier­te Umwelt­be­we­gung) bis zum Öko­ka­pi­ta­lis­mus und den LOHAS nach­zeich­ne­te. „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist dabei ein Ver­such, einen Kom­pro­miss zu fin­den zwi­schen der Markt­lo­gik und der Nach­hal­tig­keits­lo­gik. Schön dar­an der exter­ne Blick auf den Dis­kurs um Nach­hal­tig­keit, der – das kam auch bei Brand vor – noch ein­mal deut­lich macht, dass die Fra­ge, was „Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung“ ist und was „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist, immer wie­der neu aus­ge­han­delt wird und in einem hef­tig umstrit­te­nen Dis­kurs­feld posi­tio­niert ist.

3. Die Öko­bi­lanz der Groß­kü­che: Die Wis­sen­schafts­jour­na­lis­tin Johan­na Bay­er stell­te eine gan­ze Rei­he von The­sen und wiss. Ergeb­nis­sen zum The­ma Ess­ver­hal­ten und Ernäh­rung vor. Letzt­lich ging es ihr vor allem dar­um, zu zei­gen, dass die Ernäh­rungs­emp­feh­lun­gen etwa der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rungs­wis­sen­schaft oft über­holt und unsin­nig sind. Zudem woll­te sie dar­auf hin­wei­sen, dass „gesun­de Ernäh­rung“ und „Nach­hal­tig­keit“ viel­fach gegen­läu­fig sind – so soll bei­spiels­wei­se viel Fisch geges­sen wer­den, gleich­zei­tig lei­den die Mee­re jetzt schon an Über­fi­schung. Über ein biss­chen mehr (Ernährungs-)Soziologie hät­te ich mich gefreut. Nichts­des­to­trotz span­nend fand ich einen Gedan­ken, den sie wohl von Ines Wel­ler über­nom­men hat:* Dass nach­hal­ti­ge Ernäh­rung eigent­lich idea­ler­wei­se (weil die meis­ten Berufs­tä­ti­gen aus­wärts essen, weil die Öko­bi­lanz von Sel­ber-Kochen gar nicht so ein­deu­tig ist, und vor allem, weil es sowas wie öko­lo­gi­sche Ska­len­ef­fek­te gibt) zu einem gro­ßen Teil in „Nach­hal­ti­gen Kan­ti­nen“ (oder … Volks­kü­chen?) statt­fin­den müss­te. Eine Marktlücke?

4. Alles nur eine Fra­ge des Gel­des? Roland Bogun schließ­lich hat ver­sucht, Daten dazu zu krie­gen, wie ein­kom­mens- und ver­mö­gens­ab­hän­gig die tat­säch­li­che Pro-Kopf-Umwelt­be­las­tung ist. Dazu gibt es wenig belast­ba­res Mate­ri­al, sein Ein­druck ist aber grob gesagt der, dass Ein­kom­men und auch Ver­mö­gen sehr viel mehr Ein­fluss auf den Pro-Kopf-Umwelt­ver­brauch haben als alle ande­ren Fak­to­ren – wer reich ist, ver­braucht durch grö­ße­re ohn­flä­che, mehr Kon­sum, mehr Flü­ge und auch durch Geld­an­la­gen deut­lich mehr Umwelt als jemand, der arm ist. Bogun sprach von einer Spann­brei­te von 10 bis 100 Ton­nen CO2-Äq./Jahr/Kopf. Beson­ders inter­es­sant ist dabei der Punkt Geld­an­la­gen – die letzt­lich (etwa bei Akti­en) ja mas­siv mit dem CO2-Aus­stoss der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on zu tun haben. Nicht völ­lig klar ist, ob es auch Invest­ment­for­men mit nega­ti­vem Umwelt­ver­brauch gibt.

War­um blog­ge ich das? Dem­nächst wird’s wohl auch noch eine Sei­te mit den Vor­trä­gen geben – aber die­se Gedan­ken woll­te ich doch auch so schon mal brei­ter zugäng­lich machen als nur der klei­nen Grup­pe, die in den letz­ten bei­den Tagen in Mün­chen war.

* Ich habe jetzt noch­mal nach­ge­fragt: Sie bezog sich dabei auf drei Quel­len: Dag­mar Vinz (2005), „Nach­hal­ti­ger Kon­sum und Ernäh­rung“. PROKLA 138; auf Ines Wel­ler (2002): Zusam­men­fas­sung BMBF-Son­die­rungs­stu­die „Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, nach­hal­ti­ge Kon­sum­mus­ter und Umwelt­be­las­tun­gen“ (dürf­te die­se Unter­su­chung sein) sowie auf einen Vor­trag von Karl-Micha­el Brun­ner im Novem­ber 2010 an der PH Wien.

Nochmal nachhaltige Mobiltelefonnutzung

Phone

Im Rah­men mei­ner Diss. inter­es­siert mich der „nach­hal­ti­ge“ Umgang mit Mobil­te­le­fo­nen (am Frei­tag hat­te ich dazu schon ganz kurz gebloggt). 

Auf der EASST 2010 in Tren­to habe ich dazu anhand von Inter­views, die ich vor ein paar Jah­ren durch­ge­führt habe, und in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Rah­mung etwas über die Schwie­rig­kei­ten, ein Mobil­te­le­fon nach­hal­tig zu nut­zen. Am Don­ners­tag wer­de ich im Rah­men der Tagung „Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“ der Nach­wuchs­grup­pe eben­falls noch ein­mal etwas zu die­sem The­ma vor­tra­gen, mit etwas ande­rer Akzen­tu­ie­rung. Ein wich­ti­ger Aspekt sind für mich die sozio­tech­ni­schen „Zwän­ge“ gegen­über den Spiel­räu­men für eine nach­hal­ti­ge Nut­zung. Gra­de eben habe ich bei Twit­ter schon mal rum­ge­fragt; die Ant­wor­ten pas­sen ganz gut zu dem, was mir momen­tan so vorschwebt. 

Zum einen sind das unter­schied­li­che For­men der „nach­hal­ti­gen Nut­zung“ (in der „1. Welt“ – die Debat­te um die das Mobil­te­le­fon als Ent­wick­lungs­mo­tor in Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­dern ist noch­mal ein ganz ande­res The­ma). Wer die Lis­te – die kei­ne Aus­sa­ge über die tat­säch­li­che Umwelt­wir­kung der auf­ge­lis­te­ten Prak­ti­ken sein soll, son­dern ein­fach erst­mal eine Samm­lung, was Men­schen unter nach­hal­ti­ger Nut­zung ver­ste­hen – unten kom­men­tie­ren oder ergän­zen möch­te, ist herz­lich dazu eingeladen.

  • Ver­zicht auf ein Mobiltelefon
  • Nut­zung eines „geteil­ten“ Mobil­te­le­fons, Aus­bor­gen in spe­zi­fi­schen Situationen
  • Maxi­mie­rung der Lebens­zeit: Benut­zung eines alten/gebrauchten Geräts; klei­ne­re Repa­ra­tu­ren; Ersatz eines defek­ten Akkus; Ver­zicht auf Ver­trags­ver­län­ge­rungs­neu­ge­rä­te etc.
  • Wei­ter­ga­be bzw. Recy­cling nach Ende der Gebrauchsphase
  • Erreich­bar­keit auch mit einem älte­ren Modell mög­lich, Ver­zicht auf ener­gie­in­ten­si­ve Funk­tio­nen wie WLAN, kein Smartphone
  • Aus­wahl eines Geräts mit einem gerin­gen SAR-Wert, Strahlungsarmut
  • Aus­wahl eines Geräts mit „Öko-Design“ – beson­ders robust und hoch­wer­tig; recy­cel­te Kunst­stof­fe; inte­grier­te Solarzellen
  • Mini­mie­rung der Nut­zung: nur in beson­de­ren Fäl­len im Ein­satz, nicht immer ange­schal­tet, WLAN nicht immer ange­schal­tet; bewusst Ent­schei­dung für „teu­re­re“ Tarifstruktur/Prepaid
  • (Weit­ge­hen­der) Ver­zicht auf Anru­fe, Nut­zung nur für SMS
  • Ver­wen­dung von Öko-Strom zum Aufladen
  • Nut­zung als Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um für nach­hal­ti­gen Kon­sum (vom Web­brow­ser auf dem Smart­phone zu beson­de­ren Apps wie etwa Bar­code-Rea­der mit Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen oder orts­ba­sier­te Diens­te zur Infor­ma­ti­on über Umweltfragen)

Aus der Lite­ra­tur sind dann noch zwei wei­te­re For­men „nach­hal­ti­ger Nut­zung“ bekannt, von deren Exis­tenz ich aber noch nicht so ganz über­zeugt bin. Das eine wäre sowas wie eine Erhö­hung der Nach­hal­tig­keit des eige­nen Lebens dadurch, dass das Mobil­te­le­fon ener­gie- und res­sour­cen­in­ten­si­ve­re Dienst­leis­tun­gen und Pro­duk­te ersetzt (ein Bei­spiel wäre das Mobil­te­le­fon als eBook-Rea­der vs. eigen­stän­di­ges Gerät vs. gedruck­tes Buch) bzw. die Orts- und Zeit­fle­xi­bi­li­tät, die mit dem Gerät ver­bun­den ist, Mobi­li­tät ver­mei­den lässt (viel­leicht geht die Abfra­ge von Online­fahr­plä­nen via Han­dy in die­se Richtung). 

Das ande­re Modell, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, wäre das Smart­phone als öko­lo­gi­sche „Opti­mie­rungs­zen­tra­le“, sowas wie eine lau­fen­de Berech­nung der eige­nen Öko­bi­lanz als Ent­schei­dungs­grund­la­ge. Also die Nut­zung ent­spre­chen­der Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le nicht in Aus­nah­me­fäl­len, son­dern ein­ge­baut in all­täg­li­che Routinen.

Neben die­sen nach­hal­ti­gen Nut­zungs­for­men, die mehr oder weni­ger die Spiel­räu­me umrei­ßen, ste­hen die „Zwän­ge“. Auch dafür eine (sicher­lich) unvoll­stän­di­ge und eher unsor­tier­te Liste.

  • Kaum Ein­fluss auf den Pro­duk­ti­ons­pro­zess, damit kaum Ein­fluss auf die wich­tigs­ten Nach­hal­tig­keits­fra­gen (Her­stel­lungs­be­din­gun­gen, …)
  • Abhän­gig­keit der Han­dy-Nut­zung von groß­tech­ni­scher Infra­struk­tur und deren Betrieb (ob der Netz­be­trei­ber für sei­ne Ser­ver Öko­strom ver­wen­det, weiss ich nicht und kann ich nicht beeinflussen)
  • Ver­trags- und Tarif­struk­tu­ren (auto­ma­tisch neue Gerä­te, auto­ma­ti­sche Vertragsverlängerung, …)
  • Bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten nur mit neue­ren Model­len; ste­ti­ger Modellwechsel
  • Schlech­te Repa­rier­bar­keit, begrenz­te Lebensdauer
  • Not­wen­dig­keit, erreich­bar zu sein (z.B. wegen fami­liä­rer Koor­di­na­ti­on, beruf­li­chen Fra­gen, poli­ti­schem Machtgewinn)
  • Kei­ne funk­tio­na­len Äqui­va­len­te für bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten, z.B. Textnachrichten
  • Ver­knüp­fung bestimm­ter Erwar­tun­gen mit dem Mobil­te­le­fon – wer eines hat, soll die­ses z.B. auch mög­lichst immer ange­schal­tet haben, weil Erreich­bar­keit zu den sozi­al durch­ge­setz­ten Eigen­schaf­ten der Mobil­te­le­fon­nut­zung gehört; macht z.B. Mini­mie­rungs­stra­te­gien oder sha­ring schwierig
  • Peer pres­su­re – z.B. Teen­ager, Mobil­te­le­fon als Objekt, an dem sich rea­le sozia­le Gemein­schaf­ten bilden
  • Mit zuneh­men­der Ver­all­täg­li­chung (inzwi­schen 80–90% der Haus­hal­te …) des Geräts wird „Mobil­te­le­fon­nut­zung“ die nicht hin­ter­frag­te gesell­schaft­li­che „Stan­dard­op­ti­on“, Ver­zicht wird mas­siv begründungsbedürftig
  • Uni­ver­sa­le Gene­ra­li­sier­bar­keit mobi­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­prak­ti­ken macht Begren­zung auf bestimm­te Sphä­ren schwierig
  • In die Geräte/Verträge ein­ge­schrie­be­ne „Sach­zwän­ge“ (wel­che wären das?)

Viel­leicht hat ja jemand Lust, mit mir dar­über nach­zu­den­ken, ob die bei­den Lis­ten – die nicht der Inhalt, aber eine Grund­la­ge mei­nes Vor­trags am Don­ners­tag sein wer­den – so sinn­voll sind. 

War­um blog­ge ich das? Zur inter­sub­jek­ti­ven Ver­mei­dung blin­der Flecken.

Wissenschaftsbloggen und die Interdisziplinarität

No. Five is alive II

C.P. Snow hat 1959 die – rhe­to­risch zuge­spit­ze – The­se auf­ge­stellt, dass es zwi­schen „sci­ence“ (mehr oder weni­ger Natur­wis­sen­schaft) und „huma­ni­ties“ (Sozial‑, Kul­tur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten) einen tie­fen Gra­ben gäbe, dass es sich um zwei Kul­tu­ren hand­le. (Neben­bei bemerkt: Wolf Lepe­nis hat 1985 in einem Buch „Die drei Kul­tu­ren“ noch eine zwei­te Trenn­li­nie gezo­gen, um die Sozi­al­wis­sen­schaft bzw. die Sozio­lo­gie geson­dert behan­deln zu kön­nen – ich muss­te ganz am Anfang mei­nes Stu­di­ums mal ein Essay dazu schreiben).

Wie dem auch sei: wenn ich die gest­ri­ge Debat­te (Syn­op­se der Tweets, rück­wärts zu lesen) bei Twit­ter mit @fischblog, @jbenno, @weitergen und @werkstatt Revue pas­sie­ren las­se, scheint der Gra­ben zwi­schen unter­schied­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Kul­tu­ren so leben­dig zu sein wie eh und je. Aus­gangs­punkt für das gan­ze war ein (eher wis­sen­schafts­phi­lo­so­phi­scher) Blog­bei­trag bei den Sci­ence­b­logs – stell­ver­tre­tend für dort immer wie­der hoch­kom­men­de Fra­gen danach, wel­cher Maß­stab denn an einen guten Wis­sen­schafts­blog-Bei­trag anzu­le­gen sei, und wie dafür zu recher­chie­ren ist.

In der Debat­te auf Twit­ter ges­tern ging es dann mun­ter hin und her – nicht nur der bereits erwähn­te Snow kam zu Ehren, son­dern auch Chris­ti­an Huy­gens (einer der ers­ten Wis­sen­schaft­ler), Ador­no und Pop­per. Letzt­lich ging es aber doch vor allem dar­um, ob der Gül­tig­keits­an­spruch von (Natur-)Wissenschaft in Fra­ge gestellt wer­den darf, ob der der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de inhä­ren­te Skep­ti­zis­mus sich auch auf die Gene­se, Pra­xis und Gül­tig­keit der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de erstre­cken soll, ob es legi­tim ist, wenn unter­schied­li­che Wis­sen­schaf­ten unter­schied­li­che Güte­maß­stä­be ent­wi­ckeln, und ob denn der Sta­tus wis­sen­schaft­li­chen Wis­sens durch den Ver­gleich mit ande­ren Wis­sens­ar­ten – in der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Wis­sen­schafts­for­schung gang und gäbe – rela­ti­viert wer­den dür­fe, oder ob das dann doch eher in Rich­tung Häre­sie ginge.

Letzt­lich bleibt bei mir nicht unbe­dingt die Skep­sis, ob gute sozi­al- und geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Blog­bei­trä­ge mög­lich sind (da gibt es durch­aus Bei­spie­le), son­dern ers­tens, ob sol­che Blogs in einer vor­nehm­lich natur­wis­sen­schaft­lich gepräg­ten Com­mu­ni­ty wie den sci­ence­b­logs gut auf­ge­ho­ben sind, oder ob es da nicht ein­fach ande­rer Öffent­lich­kei­ten bedarf (ein Bei­spiel dafür sind die Socie­ty Pages der Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta, die ver­schie­de­ne sozio­lo­gi­sche Blogs hosten). 

Zwei­tens geht es dabei aber auch um die grö­ße­re Fra­ge danach, wel­che Anstren­gun­gen zu unter­neh­men sind, um Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät tat­säch­lich zu ermög­li­chen. Und ob das über­haupt geht. Mei­ne Erfah­rung hier, aber auch aus diver­sen For­schungs­pro­jek­ten ist jeden­falls, dass Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät nicht „von selbst“ ent­steht, son­dern dass dahin­ter har­te Arbeit liegt, dass es um einen akti­ven Ver­stän­di­gungs­pro­zess geht, nicht zuletzt dar­um, boun­da­ry objects zu defi­nie­ren, an deren Gemein­sam­kei­ten unter­schied­li­che Wis­sen­schafts­prak­ti­ken kris­tal­li­sie­ren kön­nen. Für mich steht das unter dem Begriff „Inter­dis­zi­pli­na­ri­täts­ma­nage­ment“. Das heißt auch: Eigent­lich bräuch­ten grö­ße­re inter- (oder gar trans-)disziplinäre Pro­jek­te hier eine rich­ti­ge Begleit­for­schung und „Über­set­zungs­ak­ti­vis­tIn­nen“ – fän­de ich eine inter­es­san­te Sache. 

War­um blog­ge ich das? Um doch irgend­was aus der ziem­lich hart geführ­ten Debat­te her­aus­zu­zie­hen, zusam­men­zu­brin­gen, zu inter­grie­ren und auf­zu­schrei­ben. Und weil ich mir manch­mal gar nicht so sicher bin, ob ich eigent­lich „sci­ence blog­ging“ betrei­be oder nicht.

Nach­trag: Weil das mit den Track­backs nur begrenzt klappt, hier noch von Hand der Link zum inzwi­schen im Netz ste­hen­den, aus der Debat­te ent­stan­de­nen Text von Jörg Blum­tritt mit dem schö­nen Titel „Meta­phy­sik, Spe­ku­la­ti­on und die „Drit­te Kul­tur“, wobei er mit letz­te­rem nicht wie Lepe­nis die Sozio­lo­gie meint, son­dern auf die im Netz ent­ste­hen­de wis­sen­schaft­lich­keits­na­he Öffent­lich­keit setzt, die nach Über­set­zungs­ar­beit, Erläu­te­rung und Begrün­dung ver­langt. Zuviel des Optimismus?