Foto: SPD-Pressefoto
Heute entscheidet der Bundesrat darüber, ob er zum Leistungsschutzrecht den Vermittlungsausschuss anrufen soll (Antrag Schleswig-Holstein). Mit der neuen rot-grünen Mehrheit im Bundesrat wäre es mit einem solchen Einspruch möglich gewesen, das Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts für Presseverlage erheblich zu verzögern, vielleicht sogar über den Tag der Bundestagswahl hinaus. Zudem wäre es möglich gewesen, die Hürde für die Überstimmung des Einspruchs im Bundestag auf die Kanzlermehrheit zu erhöhen. Dann wären angebliche CDU/CSU/FDP-NetzpolitikerInnen gefragt gewesen, ob sie in der Frage Leistungsschutzrecht im Bundestag ihrem Gewissen oder der Kanzlerin folgen.
Aber das ist Konjunktiv – denn seit gestern sieht es so aus, dass die SPD mal wieder aus vorgeblich staatsmännischem Verhalten und realistischer vermutlich Angst vor den großen Verlagen umkippt – Kraft in NRW, Scholz in Hamburg, und Steinbrück im Bund. Die Pressemitteilung dazu ist fast schon amüsant, heißt es dort doch:
„Die SPD lehnt das Leistungsschutzgesetz der Bundesregierung ab. […] Das Gesetz ist im Bundesrat lediglich ein Einspruchsgesetz und kann daher angesichts der noch bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag jetzt nicht aufgehalten werden. Es gibt deshalb keine Aussichten auf ein erfolgreiches Vermittlungsverfahren. Die erforderliche neue Mehrheit dafür kann mit der Bundestagswahl am 22. September herbeigeführt werden. […] Ein neues, taugliches Gesetz wird zu den ersten Maßnahmen einer neuen rot-grünen Regierung gehören.“
Anders gesagt: Die SPD lehnt das Gesetz ab, tut nichts dagegen, möchte aber in einer rot-grünen Bundesregierung dann ein ähnliches, besseres Gesetz einführen. Uns Grüne hat sie dazu bisher nicht gefragt – im Entwurf zum Wahlprogramm steht eine klare Ablehnung. Ich sage: irgendwie leider typisch SPD. Und die NetzpolitikerInnen in der SPD leiden mehr oder weniger still.
P.S.: Plan B: Entschließungsantrag Hamburg und Baden-Württemberg (pdf), der Kritik äußert, einen Konsens zwischen Verlagen, UrheberInnen und digitalen VerwerterInnen finden will und vermutlich heute im Bundesrat eine Mehrheit bekommt.
P.P.S.: Nach gestern zu erwarten: die Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde nur von Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen unterstützt. Die anderen rot-grünen oder rot(-roten) Ländern waren nicht dabei, schwarz-gelb erst recht nicht. Der (aus meiner ganz persönlichen Sicht durchwachsene) Entschließungsantrag aus Hamburg und Baden-Württemberg fand eine Mehrheit. Dann also mal schauen, ob rot-grün die Bundestagswahl gewinnt, und was dann passiert … (die Wahlprogrammentwürfe beider Parteien widersprechen sich in diesem Punkt).
P.P.P.S.: Grüne Kommentare dazu: Tabea Rößner, MdB, Matti Bolte, MdL NRW, Malte Spitz, Bundesvorstand, Patrick Jedamzik, Volker Beck, MdB, PM Bundestagsfraktion …
P.P.P.P.S.: Und als letztes noch der Hinweis an alle, die jetzt gerne mehr öffentlich sichtbaren Dissens der Grünen in rot-grünen Landesregierungen gehabt hätten: Soweit ich Einblick in das Räderwerk von Regierungen habe, wird im Normalfall alles dafür getan, dass dieser Streit – den es definitiv immer wieder gibt – nicht öffentlich wird. Warum sollte das gerade beim Leistungsschutzrecht – aus Sicht der meisten PolitikerInnen eine kleine presserechtliche Regelung, wenn ich das mal so zugespitzt sagen darf – anders sein?