Zeit des Virus, Update XVI

Opfinger See - panorama

Mein letz­tes Update zur Coro­na-Lage hat­te ich im März geschrie­ben. Und ich hat­te irgend­wie die Hoff­nung, dass das dann viel­leicht auch das letz­te Update sein könn­te, dass Coro­na tat­säch­lich irgend­wann vor­bei ist.

„Über­ra­schen­der­wei­se“ ist das nicht so. Im süd­afri­ka­ni­schen Som­mer lie­fen dort die Zah­len für die Omi­kron-Vari­an­ten BA.4 und BA.5 hoch. Das wur­de mit irgend­wel­chen Beson­der­hei­ten der dor­ti­gen Demo­gra­fie weg­er­klärt. Vor eini­gen Wochen, in die­sem sehr hei­ßen Nord­halb­ku­gel-Som­mer, ging‘s dann in Por­tu­gal steil nach oben. Wäh­rend­des­sen dreh­te sich unse­re poli­ti­sche Dis­kus­si­on nach dem Aus­lau­fen der fünf­ten (oder sechs­ten?) Wel­le vor allem dar­um, auf den Herbst und den Win­ter vor­be­rei­tet zu sein. Schließ­lich wis­sen wir ja, dass Coro­na im Som­mer pausiert.

Seit ein paar Tagen stei­gen jetzt auch die Inzi­den­zen in Deutsch­land wie­der mas­siv an, ver­mut­lich ist die Dun­kel­zif­fer noch deut­lich höher, weil PCR-Tests kaum zu krie­gen sind. Und auch „har­te“ Indi­ka­to­ren wie die Hos­pi­ta­li­sie­rung schei­nen wie­der nach oben zu gehen.

In den sequen­zier­ten Labor­pro­ben steigt der BA.4/BA.5‑Anteil von Woche zu Woche an, genau­er gesagt: er ver­dop­pelt sich wöchentlich.

Anders gesagt: die „Som­mer­wel­le“ ist zur gro­ßen Über­ra­schung ins­be­son­de­re der Bun­des­po­li­tik – und hier ins­be­son­de­re der FDP – längst da. 

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Zeit des Virus, Update XV

Sunset trees

Eigent­lich bin ich ja davon aus­ge­gan­gen, dass jetzt, Anfang März, die Situa­ti­on eine ganz ande­re sein wird als sie es noch im Janu­ar war. Für ein paar Tage hat der Ukrai­ne-Krieg Coro­na etwas in den Hin­ter­grund gedrängt. Aber nach über zwei Jah­ren ist Coro­na noch immer nicht vor­bei, und es wird immer deut­li­cher, dass es die­ses Vor­bei­sein viel­leicht gar nicht geben wird. 

Und ich hat­te ver­mu­tet, dass die fünf­te Wel­le jetzt rapi­de zurück­geht, aber dem ist nicht so. Ob es an der Omi­kron-Sub­va­ri­an­te BA.2 liegt, an den zwi­schen­zeit­lich vor­ge­nom­me­nen Locke­run­gen, an Fasching und Kar­ne­val oder an zuneh­men­den Zah­len von Reinfek­tio­nen: gera­de geht die Inzi­denz in Baden-Würt­tem­berg wie­der steil nach oben. Und die Zahl der Infek­tio­nen im nähe­ren oder wei­te­ren Umfeld, von denen man so hört, nimmt eben­falls rapi­de zu. Die fünf­te Wel­le wird also ent­we­der zu einem Hoch­pla­teau oder wir krie­gen in Kür­ze eine sechs­te Wel­le und immer wei­te­re Aus­brü­che bis in den Som­mer hin­ein. Ein Rück­gang der Inzi­denz, inzwi­schen deut­lich über 1500, zeich­net sich jeden­falls nicht ab. Wie es dann im Win­ter aus­se­hen wird? Kei­ne Ahnung. Mich macht das ratlos.

Und ja, eigent­lich will jetzt nie­mand mehr etwas von Coro­na hören. Wer sich imp­fen las­sen woll­te, ist geimpft (gut drei Vier­tel) und geboos­tert (etwa die Hälf­te) – auch mit Nova­vax als eher klas­si­schem Impf­stoff ist die Zahl der neu­en Imp­fun­gen nahe­zu zum Erlie­gen gekom­men. An der Geschich­te, dass eini­ge zusätz­li­che Impf­lin­ge dazu kom­men wür­den, wenn es denn erst einen Impf­stoff gibt, der nicht auf mRNA und Pro­te­in­schnipp­seln basiert, war wohl nicht so viel dran.

In die­ser Situa­ti­on stel­len heu­te die Minis­ter Busch­mann (FDP) und Lau­ter­bach (SPD) ihren Kom­pro­miss dazu vor, wie der Werk­zeug­kof­fer für wei­te­re Schutz­maß­nah­men für die Län­der ab dem 20. März aus­se­hen wird. Die FDP hat längst einen „Free­dom Day“ aus­ge­ru­fen, nur irgend­wie ver­ges­sen, dass auch dem Virus mit­zu­tei­len. Aber sie hält stur dar­an fest, dass so gut wie alle Maß­nah­men ab dem 20. März ent­fal­len und unmög­lich gemacht wer­den sol­len. Egal, wie groß die Pro­tes­te – bei­spiels­wei­se von Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann aus der Coro­na-Iso­la­ti­on – sind. Und Lau­ter­bach ver­kün­det das als guten Kom­pro­miss, mit dem „wir“ bis zum Herbst – dann läuft der näm­lich aus – arbei­ten können.

Soweit ich das ver­ste­he, ent­zieht die­ser „Kom­pro­miss“ de Län­dern die Mög­lich­keit, Abstands­ge­bo­te und Mas­ken­pflich­ten vor­zu­schrei­ben, aus­ge­nom­men ist der ÖPNV. Eine Grund­la­ge für Mas­ken als effek­tivs­tes Mit­tel des Anste­ckungs­schut­zes gibt es dann weder in Super­märk­ten noch in Schu­len. Immer­hin „darf“ in Schu­len wei­ter getes­tet wer­den – was das brin­gen soll, wenn dafür Schnell­tests ein­ge­setzt wer­den, die für Omi­kron nicht wirk­lich sen­si­tiv sind, und wenn damit nur nach­voll­zieh­bar wird, dass es zu Anste­ckun­gen kommt, ist mir nicht so ganz klar. 

Die klei­ne Hin­ter­tür (oder aus Lau­ter­bachs Sicht wohl der Grund, war­um er zustim­men kann) ist eine Hot­spot­re­ge­lung vor­ge­se­hen, d.h. bei beson­ders hohen Wer­ten (unklar, wel­che) oder beson­ders star­ken Belas­tun­gen der Kran­ken­häu­ser darf regio­nal abge­grenzt zu schär­fe­ren Mit­teln gegrif­fen wer­den. Ich ken­ne kei­ne Details, aber das gan­ze wirkt recht kom­pli­ziert. Und ich befürch­te, dass es auch hier Fuß­no­ten und Fuß­an­geln gibt, die den effek­ti­ven Infek­ti­ons­schutz durch den Ein­satz der Hot­spot­re­ge­lung erschweren.

Das gan­ze ist der Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung, der noch nicht mit den Frak­tio­nen der Ampel und auch nicht mit den Län­dern abge­stimmt ist. Inso­fern gibt es noch den Hauch einer Chan­ce, dass hier doch eine etwas ver­nünf­ti­ge­re Lösung her­aus­kommt, die nicht dar­aus besteht, sich die Hän­de auf den Rücken zu bin­den (bzw. den Län­dern die Hän­de auf den Rücken zu bin­den), und ein Virus durch­rau­schen zu las­sen, das wohl doch in einem nicht ganz klei­nen Teil der Fäl­le zu Spät­fol­gen, „Long Covid“ und kogni­ti­ven Beein­träch­ti­gun­gen führt. 

Soviel zur Zeit des Virus, oder dem jetzt in sein drit­tes Jahr gehen­den März 2020. 

Zeit des Virus, Update XIV

FreiVac, 15.01.2022

Die Omi­kron-Wel­le, die sich im Dezem­ber andeu­te­te, ist jetzt auch bei uns ange­kom­men. Die Inzi­denz für Frei­burg liegt inzwi­schen bei 700, auch die bun­des­wei­ten Wer­te stei­gen schnell an. Gleich­zei­tig macht sich eine gewis­se Wurs­tig­keit breit, auch des­we­gen, weil Omi­kron wohl tat­säch­lich ten­den­zi­ell zu weni­ger Kran­ken­haus­ein­wei­sun­gen und Todes­fäl­len – in einer mitt­ler­wei­len recht gut geimpf­ten und teil­wei­se auch geboos­ter­ten Bevöl­ke­rung – führt. Es geht jetzt eher dar­um, wie Exit-Optio­nen aus der Pan­de­mie­be­kämp­fung aus­se­hen, und an wel­cher Stel­le die­se ein­set­zen sollen.

Ich kann ratio­nal nach­voll­zie­hen, war­um das so ist, und dass wir wohl tat­säch­lich an dem Punkt sind, an dem es um „mit dem Virus leben“ geht – und zwar so, dass schwe­re Erkran­kun­gen ver­mie­den wer­den, also durch Imp­fun­gen. Glück­lich bin ich damit nicht, auch des­we­gen nicht, weil damit der Kurs, mög­lichst vie­le Infek­tio­nen zu ver­hin­dern, auf­ge­ge­ben wird. Ob die­se Stra­te­gie rich­tig ist, oder ob das dras­ti­sche Vor­ge­hen eini­ger asia­ti­scher Staa­ten mit har­ten Lock­downs schon bei weni­gen Fäl­len erfolg­rei­cher ist, wird sich im Nach­hin­ein zeigen. 

Dass es hier einen Kurs­wech­sel gibt, lässt sich aus den ergrif­fe­nen oder nicht ergrif­fe­nen Maß­nah­men ablei­ten – kein Distanz­un­ter­richt, kein Lock­down, kei­ne Qua­ran­tä­ne für Geboos­ter­te. So rich­tig ordent­lich kom­mu­ni­ziert wird das jedoch nicht. Wie ich über­haupt mit der aktu­el­len poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on zur Pan­de­mie eher unzu­frie­den bin. Das fängt dabei an, dass zwar mas­sen­wei­se per Zei­tungs­an­zei­ge fürs Imp­fen gewor­ben wird, aber kei­ne per­sön­li­chen Adres­sie­rung erfolgt, wie das eini­ge ande­re Län­der gemacht haben. Und es endet nicht beim par­tei­po­li­ti­schen Gezer­re um die mit Blick auf die Omi­kron-Wel­le viel zu spä­te Impf­pflicht. Ich ver­mis­se hier die angeb­lich bei Bun­des­kanz­ler Scholz zu bestel­len­de Füh­rung – ein „macht mal, wir gucken mal, und klar bin ich dafür, dass es eine Impf­pflicht gibt“ hilft nicht wirklich.

Not­wen­dig wäre eine bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on gera­de des­we­gen, weil inzwi­schen unan­ge­mel­de­te Ver­samm­lun­gen von Corona-Leugner:innen, Neo­na­zis und Impf-Gegner:innen nahe­zu täg­lich statt­fin­den, und weil die­se Mischung mit Demos auf die Stra­ße geht und ver­sucht, die Dis­kurs­ho­heit zu errin­gen. Eine beein­dru­ckend lan­ger Demo­zug die­ser Melan­ge zog sich am Sams­tag durch Frei­burg – und es war für mich erschre­ckend, live zu sehen, wie sich hier Staatsverächter:innen, Antisemit:innen und Men­schen misch­ten, die Herz­luft­bal­lons schwenk­ten und optisch durch­aus in ein alter­na­ti­ves Milieu pas­sen wür­den. Nein, es geht nicht um „wir haben uns doch alle lieb“ – es geht dar­um, ob eine immer noch töd­li­che Krank­heit mit sinn­vol­len Maß­nah­men wie der Imp­fung bekämpft wird, oder ob das nicht passiert. 

Die Umfra­ge­zah­len erge­ben ein ande­res Bild, als es die­se Demonstrant:innen dar­stel­len wol­len. Drei Vier­tel der Befrag­ten hal­ten die gel­ten­den Coro­na-Maß­nah­men für rich­tig oder wol­len, dass die­se schär­fer aus­fal­len. Und etwa zwei Drit­tel spre­chen sich für eine all­ge­mei­ne Impf­pflicht aus – nur bei den Anhänger:innen der AfD gibt es klar kei­ne Mehr­heit dafür. Und die Pro­tes­te gegen die Coro­na-Maß­nah­men wer­den nur von einer deut­li­chen Min­der­heit der Bevöl­ke­rung begrüßt – bei Wähler:innen der Grü­nen sind es gera­de ein­mal sie­ben Pro­zent, die die­se Pro­tes­te gut fin­den. Auch hier: ein unheit­li­ches Bild bei der FDP, gro­ße Zustim­mung zu den Pro­tes­ten bei den Fans der AfD. 

Auch das unter­streicht noch ein­mal die Ein­schät­zung, dass das Fens­ter nach rechts hier weit offen ist.

Ent­spre­chend habe ich mich gefreut, dass sich in Frei­burg ein Bünd­nis gebil­det hat („Frei­VAC“), das am Sams­tag eben­falls auf die Stra­ße gegan­gen ist, um für Wis­sen­schaft­lich­keit, für das Imp­fen und gegen Anti­se­mi­tis­mus zu pro­tes­tie­ren. Bei ‑1°C wur­de es auf dem Platz der Alten Syn­ago­ge recht kalt, aber immer­hin: der Platz war voll, und die Reden (u.a. von Chan­tal Kopf und Moni­ka Stein) waren sehr gut und ein deut­li­ches „Nein“ zum zeit­glei­chen Umzug der Melan­ge der Corona-Freund:innen.

In other news: wie schon vor Weih­nach­ten gab es in der Klas­se eines mei­ner Kin­der einen durch einen posi­ti­ven PCR-Test bestä­tig­ten posi­ti­ven Schnell­test (in der ers­ten Woche nach Schul­be­ginn wur­de jeden Tag getes­tet). In der Fol­ge also „Kohor­tie­rung“: die Klas­se wird von den ande­ren Klas­sen getrennt, und der Ganz­tags­teil des Unter­richts ent­fällt, der Nach­mit­tags­un­ter­richt wird online erteilt bzw. es gibt Auf­ga­ben. Die bestä­tigt posi­ti­ven Tests häu­fen sich auch in ande­ren Klas­sen – ich bin gespannt, ob das nicht doch noch dazu führt, dass kom­plett auf Fern­un­ter­richt umge­stellt wird; dies könn­te ins­be­son­de­re dann der Fall sein, wenn Omi­kron für den Aus­fall vie­ler Lehr­kräf­te sorgt. (Ähn­lich gibt es inzwi­schen Befürch­tun­gen zur Sta­bi­li­tät der kri­ti­schen Infra­struk­tur und des ÖPNV, wenn die Omi­kron-Wel­le zu vie­le Krank­mel­dun­gen ver­ur­sacht – auch des­we­gen wohl das Ende der Qua­ran­tä­ne-Rege­lung für Geboosterte). 

Ich selbst war die­se Woche (abge­se­hen von der Teil­nah­me an der Frei­VAC-Kund­ge­bung mit Mas­ke und Abstand) beson­ders vor­sich­tig – wir hat­ten Frak­ti­ons­klau­sur, als Hybrid­ver­an­stal­tung ange­legt, abge­si­chert durch PCR-Tests für alle vor Ort teil­neh­men­den. Eigent­lich hat­te ich vor, nach Stutt­gart zu fah­ren, fand das dann aber doch zu ris­kant* und habe inso­fern online teil­ge­nom­men (samt Input, Online-Work­shop und dem einen oder ande­ren Back-Office-Kram). Geht auch, fühlt sich aber doch anders an als eine „rich­ti­ge“ Klau­sur. (* ris­kant gar nicht so sehr wegen einer mög­li­chen Anste­ckung, son­dern mit Blick auf die logis­ti­sche Fra­ge, was pas­siert, wenn in Stutt­gart ein Test posi­tiv aus­schlägt, und ich direkt oder indi­rekt davon betrof­fen wäre …)

Zeit des Virus, Update XIII

Freiburg panorama

In mei­nem letz­ten Update hieß die Omi­kron-Vari­an­te noch „Ny“. Um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den, wur­de die­ser Virus-Vari­an­te aber weder der Name „Ny“ noch der Name „Xi“ gege­ben, son­dern erst der nach­fol­gen­de Buch­sta­be im grie­chi­schen Alpha­bet, eben „Omi­kron“. Und inzwi­schen ist Omi­kron in aller Mun­de. In eini­gen Län­dern ist die Omi­kron-Wel­le schon voll am Lau­fen – bei­spiels­wei­se in Groß­bri­tan­ni­en, in Nor­we­gen und in Däne­mark. Und wenn die Nach­rich­ten stim­men, dann gehen die Nie­der­lan­de ab heu­te Abend bis Mit­te Janu­ar in einen Lock­down – also einen rich­ti­gen – und in Lon­don wur­de der Kri­sen­fall aus­ge­ru­fen. Alles deu­tet dar­auf hin, dass Omi­kron sehr viel anste­cken­der ist, dass die Imp­fun­gen nur bedingt wir­ken (etwas bes­ser sieht es aus, wenn eine drit­te Imp­fung, ein „Boos­ter“ dazu­kommt), und dass die Gerüch­te über leich­te­re Ver­läu­fe sich nicht bestätigen. 

In Deutsch­land und auch hier in Baden-Würt­tem­berg machen die Omi­kron-Fäl­le, soweit das über­haupt erfasst wird, erst einen Bruch­teil der Fäl­le aus. Die vier­te Wel­le (Del­ta-Wel­le) hat ihren Höhe­punkt über­schrit­ten, die Neu­in­fek­tio­nen etc. gehen wie­der run­ter. Trotz­dem sind die Inzi­den­zen noch recht hoch. Wei­ter­hin gilt die Alarm­stu­fe II, die bei­spiels­wei­se Groß­ver­an­stal­tun­gen wie Weih­nachts­märk­te unter­sagt und für Geschäf­te jen­seits des täg­li­chen Bedarfs 2G vor­sieht. In den Schu­len gilt die Mas­ken­pflicht und bei Infek­tio­nen, die bei den mehr­mals in der Woche statt­fin­den­den Tests fest­ge­stellt wer­den, ein Kohortierungsprotokoll. 

Das „durf­ten“ wir dann auch aus­pro­bie­ren: da in der Klas­se unse­res Kin­des ein PCR-bestä­tig­ter Fall auf­ge­tre­ten war, wur­de die Klas­se für fünf Tage kohor­tiert, d.h. täg­lich getes­tet, das Mit­tags­band und der Nach­mit­tags­un­ter­richt wur­de gestri­chen, es gab die Emp­feh­lung, auch pri­vat auf Kon­tak­te zu ver­zich­ten und die Kin­der muss­ten die Pau­sen im Klas­sen­zim­mer ver­brin­gen. Und auch die Vari­an­te „rotes Signal in der CWA“ tauch­te in den letz­ten Wochen bei uns auf, in der Fol­ge dann ein PCR-Test (zum Glück nega­tiv) beim ande­ren Kind.

Jetzt ste­hen die Weih­nachts­fe­ri­en bevor. Also, in man­chen Bun­des­län­dern lau­fen sie schon, da wur­de der Feri­en­be­ginn vor­ver­legt. In Baden-Würt­tem­berg gab es die Mög­lich­keit, sich frei­wil­lig in Selbst­qua­ran­tä­ne zu bege­ben und die letz­ten drei Tage vor Weih­nach­ten im Fern­un­ter­richt zu ver­brin­gen. Wir haben uns dazu ent­schie­den, die­se Mög­lich­keit zu nut­zen, auch mit Blick auf Groß­el­tern­be­su­che zu Weih­nach­ten. Die Schu­le hat dazu bei allen Kin­dern abge­fragt, ob sie teil­neh­men oder nicht. In den Klas­sen der Kin­der sind es etwa 30–40 Pro­zent, die in die Selbst­qua­ran­tä­ne gehen – und in Kauf neh­men, Klas­sen­ar­bei­ten nach­schrei­ben zu müs­sen und die schu­li­schen Weih­nachts­fei­ern zu verpassen.

Aber nicht nur Weih­nach­ten steht vor der Tür, son­dern auch die fünf­te Wel­le, also die bereits erwähn­te Omi­kron-Vari­an­te. Es gibt Model­lie­run­gen, nach denen bereits vor dem Jah­res­wech­sel die Mehr­zahl der Fäl­le hier­zu­lan­de zu die­ser Vari­an­te gehö­ren könn­ten. „Unter der Decke“ der abflau­en­den Del­ta-Wel­le wür­de dann die fünf­te Wel­le bereits anwach­sen und uns kurz nach Weih­nach­ten mit vol­ler Wucht tref­fen. Damit wäre der Ver­such, die fünf­te Wel­le durch eine mög­li­che Impf­pflicht zu ver­hin­dern, gescheitert.

Die Zahl der Imp­fun­gen hat in den letz­ten Wochen noch­mals deut­lich zuge­legt. Es gibt aktu­ell sehr vie­le Mög­lich­kei­ten, sich imp­fen zu las­sen. Aller­dings sind das vor allem Boos­ter-Imp­fun­gen, also Dritt­imp­fun­gen der­je­ni­gen, die schon die ers­te und zwei­te Imp­fung hin­ter sich haben. Ich hat­te heu­te einen sol­chen Boos­ter-Ter­min im Gun­del­fin­ger Kul­tur- und Ver­eins­haus, die Imp­fun­gen haben dort die Mal­te­ser durch­ge­führt. Mit Astra­Ze­ne­ca, Biontech und Moder­na habe ich jetzt alle drei gro­ßen Impf­stof­fe mal aus­pro­biert … und hof­fe, dass das tat­säch­lich etwas bringt und die Boos­ter-Imp­fung tat­säch­lich auch im Hin­blick auf Omi­kron hilft. 

Etwa ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung ist aller­dings wei­ter­hin gar nicht geimpft. Das sind viel zu vie­le, um das Virus an der Ver­brei­tung zu hin­dern, dazu bräuch­te es (bei Del­ta) 90 Pro­zent Impf­quo­te. Im Janu­ar soll der Bun­des­tag dar­über bera­ten, ob ab März eine all­ge­mei­ne Impf­pflicht ein­ge­führt wird. Aus heu­ti­ger Sicht: viel zu spät. Und ob das kommt, ist auch noch nicht klar. Mög­li­cher­wei­se ist bis dahin der Impf­stoff an die spe­zi­el­le Struk­tur der Omi­kron-Vari­an­te ange­passt. Oder es gibt eine vier­te oder fünf­te Imp­fung für alle. Ich bin jeden­falls bei wei­tem nicht der ein­zi­ge, der nicht glaubt, dass es mit der drit­ten Imp­fung getan ist. 

Dazu, wie weit das unge­impf­te Vier­tel der Bevöl­ke­rung viel­leicht doch zu einer Imp­fung bereit wäre, gibt es unter­schied­li­che Bewer­tun­gen und Ein­schät­zung. Ein Teil wird von den bis­he­ri­gen Impf­an­ge­bo­ten ver­mut­lich schlicht nicht erreicht; viel­leicht ist auch der sozia­le Druck nicht groß genug. Da wür­de eine Impf­pflicht dann hel­fen. Ein ande­rer Teil besteht aus vehe­men­ten, zuneh­mend gewalt­be­rei­ten und ver­schwö­rungs­af­fi­nen Impfgegner*innen. Hier braut sich eine Min­der­heit zusam­men, die das sozia­le Gefü­ge extrem belas­tet – und bis in Fami­li­en und Freun­des­krei­se hin­ein für Spal­tun­gen und Kon­flik­te sorgt.

Lei­der ist eine Zutat in die­sem Gemisch eine Impf­skep­sis, wie sie von schul­me­diz­in­feind­li­cher Anthro­po­so­phie und von Freund*innen der Homöo­pa­thie genährt wur­de. Das heißt nicht, dass es nicht auch in die­sen Krei­sen inzwi­schen Per­so­nen und Unter­neh­men gibt, die sich laut­stark für eine Imp­fung ein­set­zen – viel­leicht auch, um nicht den letz­ten Rest an Ruf zu ver­lie­ren. Und es ist bedau­er­lich zu sehen, dass es durch­aus auch Krei­se gibt, die mal grün-affin waren, und jetzt via „Basis“ in die­sen Impf­skep­sis­sumpf rein­ge­rutscht sind. Die inner­grü­nen Debat­ten rund um Homöo­pa­thie, Medi­zin­ver­ständ­nis, „alter­na­ti­ve Med­zin“ und Imp­fen vor eini­gen Jah­ren wir­ken jetzt wie eine Vor­ah­nung dafür, dass es sich hier nicht nur um Mei­nun­gen han­delt, son­dern um eine Hal­tung, die aus Acht­sam­keit für das eige­ne Ich her­aus die Gefähr­dung ande­rer wil­lent­lich in Kauf nimmt.

Das geht bis hin zu Ärzt*innen, die behaup­ten zu imp­fen, aber nur Koch­salz­lö­sung benut­zen, und zu Pfle­ge­kräf­ten, die sich nicht imp­fen las­sen, Impf­päs­se fäl­schen und dann Men­schen in den Ein­rich­tun­gen, in denen sie arbei­ten, anste­cken und umbringen. 

Es sind aber, das muss dazu gesagt wer­den, bei wei­tem nicht nur die­se grün-affi­nen Krei­se, die hier wir­ken – die AfD und ande­re rech­te Par­tei­en sind eben­so freu­dig dabei, auf den Zug der Impf­skep­sis auf­zu­sprin­gen und eige­ne Ver­schwö­rungs­ele­men­te bei­zu­mi­schen. Die har­te Coro­na-Leug­nung ist dage­gen sel­te­ner zu hören, auch in den Land­tags­re­den der AfD hat sich die Ton­la­ge etwas ver­än­dert. (Bei der Gele­gen­heit: hat jemand Bedarf für ein bis drei ost­deut­sche Bun­des­län­der, gebraucht, güns­tig abzugeben?) 

Die Hoff­nun­gen aus dem Som­mer, dass die Pan­de­mie bald über­wun­den sein könn­te, haben sich jeden­falls als trü­ge­risch erwie­sen. Das zwei­te Weih­nach­ten unter Pan­de­mie­be­din­gun­gen steht an. Und eini­ges deu­tet dar­auf hin, dass die bis­he­ri­gen Kon­takt­be­schrän­kun­gen, Test­pflich­ten und Teil­nah­me­zahl­be­gren­zun­gen nur der Anfang sind und wir in eine Situa­ti­on gera­ten, in der das öffent­li­che Leben noch stär­ker her­un­ter­ge­fah­ren wer­den muss. Der Blick auf das Jahr 2022 stimmt des­halb nicht beson­ders zuver­sicht­lich. Der März 2020 ist noch immer nicht zu Ende.