Die Höflichkeit der Parteien

Back into the sunset XX

Kaum stei­gen die PIRATEN in ers­ten Umfra­gen über die zehn Pro­zent, grün­det auch die CDU einen Arbeits­kreis Netz­po­li­tik (in dem Fall den Ver­ein „CNETZ“). Etwas weni­ger pole­misch ver­kürzt: Die Tat­sa­che, dass die PIRATEN es nach Ber­lin inzwi­schen auch im Saar­land in den Land­tag geschafft haben, und dass es in Schles­wig-Hol­stein und in NRW so aus­sieht, als kön­ne eben­falls ein Land­tags­ein­zug gelin­gen, lässt die „eta­blier­ten“ Par­tei­en nicht kalt. Und natür­lich nicht. (Ich kann mir jetzt ganz gut vor­stel­len, wie sich die pro­gres­si­ve­ren Kräf­te in der dama­li­gen SPD und in der dama­li­gen FDP gefühlt haben müs­sen, als sich her­aus­stell­te, dass die­se komi­schen GRÜNEN sich ernst­haft als Par­tei fest­set­zen würden …).

Die Pira­ten sind also da, und umso drin­gen­der stellt sich die Fra­ge: Was machen wir mit denen? [Zwei unter­schied­li­che grü­ne Ant­wor­ten dar­auf haben gera­de Nina Gal­la und Jörg Rupp gegeben].

Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, ist es mei­ner Mei­nung nach hilf­reich, sich zunächst mal zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass das aktu­el­le Hoch der Pira­ten zu einem Teil ein media­les Hoch ist. 

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In eigener Sache: Essay über Netz und Politik bei dradio.de

Unter dem Label diskurs.dradio.de betreibt der Deutsch­land­funk ein Debat­ten­por­tal, in dem zur Zeit über ver­schie­de­ne Aspek­te von Poli­tik, Medi­en und Öffent­lich­keit in Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung dis­ku­tiert wird. Net­ter­wei­se durf­te ich auch ein Essay für die­ses Por­tal schrei­ben, das heu­te unter dem Titel „Fest, flüs­sig, flüch­tig: Aggre­gat­zu­stän­de des Poli­ti­schen im Netz“ ver­öf­fent­licht wur­de und natür­lich unbe­dingt lesens­wert ist.

Eigent­lich woll­te ich ja dar­über schrei­ben, dass hin­ter den schein­bar so flüch­ti­gen Pro­test­for­men im Netz und mit dem Netz kei­nes­wegs flüch­ti­ge­re sozia­le For­ma­tio­nen und Milieus ste­hen, als das bei ande­ren poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten der Fall ist. 

Die­sen Vor­satz ein­zu­hal­ten ist inso­fern miss­lun­gen, als ich fest­ge­stellt habe, dass ich dann doch erst ein­mal mei­ne tech­nik­so­zio­lo­gisch und pra­xis­theo­re­tisch gepräg­te Sicht auf „das Netz“ los­wer­den muss­te – in einem ers­ten Teil, der mit der (wie ich fin­de) schö­nen Tau­to­lo­gie „Das Netz ist das Netz.“ beginnt. Eine Schluss­fol­ge­rung die­ses ers­ten, all­ge­mei­nen Teils des Essays ist die Beob­ach­tung, dass es para­do­xer­wei­se gera­de in den sich über­lap­pen­den Tei­löf­fent­lich­kei­ten des Net­zes not­wen­dig wird, als Per­son, als Ganz­heit auf­zu­tre­ten – und damit die funk­tio­na­le Dif­fe­ren­zie­rung der luh­man­nia­ni­schen Moder­ne ein Stück weit zu überwinden. 

Der zwei­te Teil des Essays wid­met sich dann doch noch den flüch­ti­gen Pro­test­for­men, und ver­gleicht die Netz­be­we­gung (ja, auch die Pira­ten­par­tei) mit den neu­en sozia­len Beweegun­gen der 1970er und 1980er Jah­re, und deren milieu­bil­den­den Arrangements. 

Und nun wür­de mich inter­es­sie­ren, ob das geehr­te Publi­kum den Text und die dar­in auf­ge­stell­ten The­sen eini­ger­ma­ßen nach­voll­zieh­bar findet.

Wes­ter­may­er, Till (2012): »Fest, flüs­sig, flüch­tig: Aggre­gat­zu­stän­de des Poli­ti­schen im Netz«, diskurs.dradio.de, Debat­ten­por­tal des Deutsch­land­funk, 26.03.2012, URL: http://diskurs.dradio.de/2012/03/26/fest-flussig-fluchtig-aggregatzustande-des-politischen-im-netz/.

Die digitale Revolution geht auf die Straße

Heu­te durf­te ich auf der Stutt­gar­ter Stopp-ACTA-Demo für Bünd­nis 90/Die Grü­nen eine kur­ze Rede hal­ten. Da waren etwa 2500 Men­schen, wie bei der letz­ten ACTA-Demo (bei der ich in Frei­burg war) vie­le Jün­ge­re. In Stutt­gart mas­siv prä­sent waren die loka­len Pira­ten, die wohl auch die Demo orga­ni­siert haben. 

Anbei nun mein Rede­zet­tel, den ich aller­dings nicht 1:1 abge­le­sen habe. Wer lie­ber den Wort­laut der Rede sehen will, kann hier das Video davon auf You­tube anse­hen (mit Dank an Alvar Freu­de fürs Fil­men; Update 26.02.: Link korrigiert).

Lie­be Leute,

ich hat­te ja erst über­legt, ob ich es bei 140 Zei­chen belas­sen soll, aber ein biss­chen mehr habe ich schon zu sagen. Mein Name ist Till Wes­ter­may­er, bei Twit­ter unter dem Hand­le _tillwe_ zu fin­den, und ich bin heu­te hier als Ver­tre­ter von Bünd­nis 90/Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg. Ich über­brin­ge euch die Grü­ße und die Unter­stüt­zung der GRÜNEN in Baden-Würt­tem­berg, im Bund und in Europa!

Wir GRÜNE unter­stüt­zen die Pro­tes­te gegen ACTA. Zusam­men haben wir schon eini­ges bewegt. In vie­len euro­päi­schen Staa­ten wur­de die Unter­zeich­nung des ACTA-Abkom­mens „zurück­ge­stellt“ – was auch immer das hei­ßen mag. Die Kom­mis­si­on hat den Ent­wurf nun dem Euro­päi­schen Gerichts­hof zur Über­prü­fung vor­ge­legt. Das ist der Erfolg von uns allen, die wir gegen Abkom­men und Geset­ze wie ACTA pro­tes­tie­ren, im Par­la­ment und auf der Stra­ße. Aber die­ser Erfolg darf uns nicht täu­schen: ACTA ist noch nicht tot! 

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Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

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Kieler Parteitagswochenende

Enterprise GND-09

Schon wie­der ein Par­tei­tags­wo­chen­en­de – dies­mal am ande­ren Ende der Repu­blik, in Kiel. Mein Kreis­ver­band hat mich dele­giert; ange­sichts der Ent­fer­nung und der Tat­sa­che, dass die­sen Sonn­tag eine nicht ganz unwich­ti­ge Volks­ab­stim­mung ansteht (ich habe selbst­ver­ständ­lich mein „Ja“ per Brief­wahl ange­kreuzt) , war das Inter­es­se aller­dings begrenzt. 

Medi­al sicht­bar gewor­den ist die dies­jäh­ri­ge ordent­li­che BDK, so jeden­falls mein Gefühl, bis­her vor allem durch den Sonn­tag­mor­gen­an­trag D‑02. Das ist der netz­po­li­ti­sche Leit­an­trag, der mir zwar vom Stil her stel­len­wei­se ein zu pathe­tisch aus­ge­fal­len ist, aber rüber­bringt, wie grün Netz­po­li­tik eigent­lich ist. (Dazu ganz lesens­wert übri­gens der rela­tiv gut recher­chier­te Text der FAZ zur Ur- und Vor­ge­schich­te grü­ner Netzpolitik). 

Hef­tig dis­ku­tiert wird aber nicht unse­re Hal­tung zu digi­ta­ler Demo­kra­tie, die Ableh­nung von Netz­sper­ren etc. oder die Open-Access-Idee im Wis­sen­schafts­be­reich, son­dern vor allem die Urhe­ber­rechts­fra­ge. Die gro­ßen Lob­by­ver­bän­de und Ver­wer­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sehen – in Welt­un­ter­gangs­spra­che, aber das mag mit der Nähe zu Hol­ly­wood zu tun zu haben, die Grü­nen hier auf der schie­fen Bahn, die Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen schau­en auf die inner­par­tei­li­che Debat­te zwi­schen Kul­tur und Netz­po­li­tik und wun­dern sich.

Ein biss­chen was dazu habe ich hier ja bereits geschrie­ben. Lars Brü­cher spitzt noch etwas mehr zu und sieht in der Fra­ge, in wel­cher Form D‑02 am Schluss ver­ab­schie­det wird, eine Jahr­hun­dert­fra­ge. Ganz so hoch wür­de ich es nicht hän­gen, vor allem auch des­halb, weil ich über­zeugt davon bin, dass die Ent­schei­dung – wie auch schon vie­le Ent­schei­dun­gen vor­her im Zusam­men­hang mit Wahl­pro­gram­men etc. – eine Zwi­schen­sta­ti­on dar­stellt im enga­gier­ten inner­par­tei­li­chen Ver­such, in der Debat­te eine Lösung zu fin­den, die das Urhe­ber­recht wei­ter­ent­wi­ckelt, Künst­le­rIn­nen bes­ser stellt und Nut­ze­rIn­nen vor Kri­mi­na­li­sie­rung schützt. Span­nend wird es Sonn­tag jeden­falls allemal.

„Der Par­tei­tag wird span­nend“ – das sieht wohl auch Stef­fi Lem­ke so. Aber gar nicht so sehr wegen D‑02, son­dern, weil die­ser Par­tei­tag aktu­el­le The­men auf­greift (Finanz­kri­se! Inklu­si­on! Ara­bi­scher Früh­ling! – und ganz aktu­ell: Rechts­extre­mis­mus!), und vor allem des­we­gen, weil es eini­ge for­ma­le Expe­ri­men­te gibt. Auf die bin ich in der Tat auch gespannt. 

So ist dem eigent­li­chen Par­tei­tag eine Work­shop­p­ha­se mit einem Dut­zend par­al­le­len Work­shops vor­ge­schal­tet, in denen das Leit­the­ma Demo­kra­tie dis­ku­tiert wer­den soll. Ich habe mich hier für die inner­par­tei­li­che Demo­kra­tie ange­mel­det, und hof­fe, recht­zei­tig in Kiel zu sein, um mit­re­den zu kön­nen. (Inner­par­tei­li­che Demo­kra­tie: es gibt auch eine Rei­he von Sat­zungs­än­de­run­gen, und nach­dem ich mich kürz­lich erst mit einem Plä­doy­er für Ver­än­de­run­gen in der inner­par­tei­li­chen Struk­tur unse­rer Par­tei wie­der in den Län­der­rat habe wäh­len las­sen, mei­ne ich, dass ich da hin muss …). Also ein biss­chen Zukunfts­kon­gress auf der BDK.

Die zwei­te, auf eini­gen Mai­ling­lis­ten durch­aus auch kri­tisch dis­ku­tier­te for­ma­le Neue­rung ist ein ande­rer Umgang mit V‑Anträgen. V‑Anträge haben nichts mit dem Ver­fas­sungs­schutz zu tun, son­dern sind die vie­len aus der Basis ein­ge­brach­ten Anträ­ge jen­seits der gro­ßen Leit­an­trä­ge und gesetz­te The­men. Davon gibt es meist mehr als es Zeit gibt, so dass vie­le – auf Vor­schlag der Antrags­kom­mis­si­on – sum­ma­risch über­wie­sen oder nicht befasst wer­den. Dies­mal soll es wohl eine Art Ran­king der V‑Anträge durch die Dele­gier­ten geben, so dass die Anträ­ge behan­delt wer­den, die den meis­ten Dele­gier­ten wich­tig erschei­nen. Klingt für mich sinn­voll, soll von der Grü­nen Jugend über­nom­men wor­den sein – ob’s funk­tio­niert, wer­den wir sehen.

Also, mal wie­der ein Wochen­en­de voll mit grü­ner Par­tei­ar­beit. Ob da für Kiel noch Zeit bleibt – ich befürch­te fast, es wird eine die­ser Städ­te wer­den, in der ich „dank“ Par­tei schon war, von der ich aber so gut wie nichts gese­hen habe. 

War­um blog­ge ich das? Als Teil mei­ner per­sön­li­chen Par­tei­tags­vor­be­rei­tung. Die Anträ­ge neh­me ich übri­gens digi­tal mit – und spa­re mir damit einen prall gefüll­ten Aktenordner.