Kurz: Multiple Heimatsdimensionen

Ganz kurz, weil im Zuge des letz­ten Spie­gels etc. mal wie­der über Hei­mat etc. dis­ku­tiert wird, bis hin zur Hei­mat Inter­net: Ich glau­be, vie­les ver­wir­rend Erschei­nen­de wird kla­rer, sobald Stadt und Land, Real­raum und Inter­net etc. etc. nicht mehr als Gegen­satz­paa­re gedacht wer­den, son­dern als ortho­go­na­le Kontinuume. 

Soll hei­ßen: in der glo­ba­li­sier­ten Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft der Spät­mo­der­ne ist Hei­mat nicht ein­fach hier oder da, son­dern bei­des, oder sogar alles drei. Bedingt sowohl durch die erhöh­te phy­si­sche Mobi­li­tät als auch durch neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren über­la­gern sich plötz­lich meh­re­re Netz­wer­ke: Eines sozia­ler Bezie­hun­gen, in dem meh­re­re Orte (Her­kunfts­ort, Wohn­ort, Arbeits­ort, Freun­de­sor­te, Stan­dard­ur­laubs­or­te) Rol­len spie­len – je nach Ein­kom­men und Sta­tus auch trans­na­tio­nal – und eines der sozia­len Kom­mu­ni­ka­tio­nen im Netz. Cloud, Wol­ke, beschreibt bei­de sozia­le For­men ganz gut. Migra­ti­on und glo­ba­le Bil­der­strö­me (da den­ke ich an Appa­du­rai) tra­gen ein ihres zu die­sen Netz­werk­bil­dun­gen bei.

Wenn Hei­mat nicht mehr mono­gam gedacht ist, erschei­nen schein­bar gegen­läu­fi­ge Ent­wick­lun­gen plötz­lich gar nicht mehr so selt­sam: gleich­zei­tig regio­na­ler und glo­ba­ler zu wer­den, wie­der mehr Wert auf den Ort samt geni­us loci zu legen und in aller­lei gro­ße Dis­kur­se ein­ge­bun­den zu sein, sich sowohl bestimm­ten klein­tei­li­gen, viel­leicht sogar loka­len Sti­len affin zu füh­len als auch gro­ßen Iden­ti­täts­clus­tern hei­mat­lich ver­bun­den zu sein: 

All das und viel mehr ist dann denk­bar. Hei­mat der sozi­al ver­netz­ten Welt­bür­ge­rIn­nen ist dann eben nicht allei­ne, son­dern auch ein Teil des Internets.

Die Höflichkeit der Parteien

Back into the sunset XX

Kaum stei­gen die PIRATEN in ers­ten Umfra­gen über die zehn Pro­zent, grün­det auch die CDU einen Arbeits­kreis Netz­po­li­tik (in dem Fall den Ver­ein „CNETZ“). Etwas weni­ger pole­misch ver­kürzt: Die Tat­sa­che, dass die PIRATEN es nach Ber­lin inzwi­schen auch im Saar­land in den Land­tag geschafft haben, und dass es in Schles­wig-Hol­stein und in NRW so aus­sieht, als kön­ne eben­falls ein Land­tags­ein­zug gelin­gen, lässt die „eta­blier­ten“ Par­tei­en nicht kalt. Und natür­lich nicht. (Ich kann mir jetzt ganz gut vor­stel­len, wie sich die pro­gres­si­ve­ren Kräf­te in der dama­li­gen SPD und in der dama­li­gen FDP gefühlt haben müs­sen, als sich her­aus­stell­te, dass die­se komi­schen GRÜNEN sich ernst­haft als Par­tei fest­set­zen würden …).

Die Pira­ten sind also da, und umso drin­gen­der stellt sich die Fra­ge: Was machen wir mit denen? [Zwei unter­schied­li­che grü­ne Ant­wor­ten dar­auf haben gera­de Nina Gal­la und Jörg Rupp gegeben].

Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, ist es mei­ner Mei­nung nach hilf­reich, sich zunächst mal zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass das aktu­el­le Hoch der Pira­ten zu einem Teil ein media­les Hoch ist. 

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In eigener Sache: Essay über Netz und Politik bei dradio.de

Unter dem Label diskurs.dradio.de betreibt der Deutsch­land­funk ein Debat­ten­por­tal, in dem zur Zeit über ver­schie­de­ne Aspek­te von Poli­tik, Medi­en und Öffent­lich­keit in Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung dis­ku­tiert wird. Net­ter­wei­se durf­te ich auch ein Essay für die­ses Por­tal schrei­ben, das heu­te unter dem Titel „Fest, flüs­sig, flüch­tig: Aggre­gat­zu­stän­de des Poli­ti­schen im Netz“ ver­öf­fent­licht wur­de und natür­lich unbe­dingt lesens­wert ist.

Eigent­lich woll­te ich ja dar­über schrei­ben, dass hin­ter den schein­bar so flüch­ti­gen Pro­test­for­men im Netz und mit dem Netz kei­nes­wegs flüch­ti­ge­re sozia­le For­ma­tio­nen und Milieus ste­hen, als das bei ande­ren poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten der Fall ist. 

Die­sen Vor­satz ein­zu­hal­ten ist inso­fern miss­lun­gen, als ich fest­ge­stellt habe, dass ich dann doch erst ein­mal mei­ne tech­nik­so­zio­lo­gisch und pra­xis­theo­re­tisch gepräg­te Sicht auf „das Netz“ los­wer­den muss­te – in einem ers­ten Teil, der mit der (wie ich fin­de) schö­nen Tau­to­lo­gie „Das Netz ist das Netz.“ beginnt. Eine Schluss­fol­ge­rung die­ses ers­ten, all­ge­mei­nen Teils des Essays ist die Beob­ach­tung, dass es para­do­xer­wei­se gera­de in den sich über­lap­pen­den Tei­löf­fent­lich­kei­ten des Net­zes not­wen­dig wird, als Per­son, als Ganz­heit auf­zu­tre­ten – und damit die funk­tio­na­le Dif­fe­ren­zie­rung der luh­man­nia­ni­schen Moder­ne ein Stück weit zu überwinden. 

Der zwei­te Teil des Essays wid­met sich dann doch noch den flüch­ti­gen Pro­test­for­men, und ver­gleicht die Netz­be­we­gung (ja, auch die Pira­ten­par­tei) mit den neu­en sozia­len Beweegun­gen der 1970er und 1980er Jah­re, und deren milieu­bil­den­den Arrangements. 

Und nun wür­de mich inter­es­sie­ren, ob das geehr­te Publi­kum den Text und die dar­in auf­ge­stell­ten The­sen eini­ger­ma­ßen nach­voll­zieh­bar findet.

Wes­ter­may­er, Till (2012): »Fest, flüs­sig, flüch­tig: Aggre­gat­zu­stän­de des Poli­ti­schen im Netz«, diskurs.dradio.de, Debat­ten­por­tal des Deutsch­land­funk, 26.03.2012, URL: http://diskurs.dradio.de/2012/03/26/fest-flussig-fluchtig-aggregatzustande-des-politischen-im-netz/.

Die digitale Revolution geht auf die Straße

Heu­te durf­te ich auf der Stutt­gar­ter Stopp-ACTA-Demo für Bünd­nis 90/Die Grü­nen eine kur­ze Rede hal­ten. Da waren etwa 2500 Men­schen, wie bei der letz­ten ACTA-Demo (bei der ich in Frei­burg war) vie­le Jün­ge­re. In Stutt­gart mas­siv prä­sent waren die loka­len Pira­ten, die wohl auch die Demo orga­ni­siert haben. 

Anbei nun mein Rede­zet­tel, den ich aller­dings nicht 1:1 abge­le­sen habe. Wer lie­ber den Wort­laut der Rede sehen will, kann hier das Video davon auf You­tube anse­hen (mit Dank an Alvar Freu­de fürs Fil­men; Update 26.02.: Link korrigiert).

Lie­be Leute,

ich hat­te ja erst über­legt, ob ich es bei 140 Zei­chen belas­sen soll, aber ein biss­chen mehr habe ich schon zu sagen. Mein Name ist Till Wes­ter­may­er, bei Twit­ter unter dem Hand­le _tillwe_ zu fin­den, und ich bin heu­te hier als Ver­tre­ter von Bünd­nis 90/Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg. Ich über­brin­ge euch die Grü­ße und die Unter­stüt­zung der GRÜNEN in Baden-Würt­tem­berg, im Bund und in Europa!

Wir GRÜNE unter­stüt­zen die Pro­tes­te gegen ACTA. Zusam­men haben wir schon eini­ges bewegt. In vie­len euro­päi­schen Staa­ten wur­de die Unter­zeich­nung des ACTA-Abkom­mens „zurück­ge­stellt“ – was auch immer das hei­ßen mag. Die Kom­mis­si­on hat den Ent­wurf nun dem Euro­päi­schen Gerichts­hof zur Über­prü­fung vor­ge­legt. Das ist der Erfolg von uns allen, die wir gegen Abkom­men und Geset­ze wie ACTA pro­tes­tie­ren, im Par­la­ment und auf der Stra­ße. Aber die­ser Erfolg darf uns nicht täu­schen: ACTA ist noch nicht tot! 

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Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

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