Ich schreibe ja nicht oft Leserbriefe, aber dieser Kommentar von BZ-Chefredakteur Thomas Fricker ärgerte mich. Deswegen habe ich was dazu geschrieben.
Vieles an dem Kommentierung stimmt: die Regierungsbeteiligung im Bund stellt Bündnis 90/Die Grünen vor neue Herausforderungen, die Erwartungen sind groß, und dass es zwischen der Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen, und dem Wunsch, an notwendigen Idealen festzuhalten, zu Konflikten kommen wird, ist absehbar.
Geärgert habe ich mich allerdings über die Warnung vor dem „Ein-Generationen-Projekt“. Diese Diagnose ist in etwa so alt wie die Partei selbst (die vor kurzem ihren 42. Geburtstag feierte), über das „Ergrauen der Grünen“ wurde schon in den 1990er-Jahren spekuliert.
Die Wirklichkeit des grünen Mehrgenerationenprojekts sieht anders aus. Die Parteistruktur zeigt ein über die Jahre gleichbleibendes Durchschnittsalter bei stark steigenden Mitgliederzahlen. Die jüngste Abgeordnete, Emilia Fester, kam 1998 zur Welt, für sie liegt die erste grüne Regierungsbeteiligung also in der frühen Kindheit. Und sowohl Außenministerin Annalena Baerbock wie auch Familienministerin Anne Spiegel sind Jahrgang 1980, also etwa so alt wie die Partei. Nicht zuletzt der Blick auf die Demografie der Wählerinnen und Wähler zeigt, dass das Bild des Ein-Generationen-Projekts falsch ist.
Andersherum wird ein Schuh daraus: dass Bündnis 90/Die Grünen erfolgreich sind, hat auch etwas damit zu tun, dass es bisher gut gelingt, Haltung und Erneuerung zusammen zu bringen. Das in den nächsten Jahren fortzusetzen, wird die Aufgabe der neuen (generationenübergreifenden) Grünen-Spitze.