Kurz: Technomagie

Viel­leicht müs­sen wir in Zukunft ein­fach zwi­schen „Tech­no­lo­gie“ (und Ablei­tun­gen wie „tech­no­lo­gie­of­fen“) einer­seits und „Tech­no­ma­gie“ (ent­spre­chend dann: „tech­no­ma­gie­of­fen“) ande­rer­seits unter­schei­den. In letz­te­re Kate­go­rie fal­len alle Wun­der­tech­no­lo­gien, die ganz kurz vor Voll­endung ste­hen, aber bis­her kei­ne Wir­kung ent­fal­ten kön­nen – Kern­fu­si­on, E‑Fuels, flie­gen­de Autos, die was­ser­stoff­be­trie­be­ne Hei­zung oder auch die wirk­lich den­ken­de KI. Also, kei­ne Wir­kung bis auf die, das Lösen von Pro­ble­men auf über­mor­gen zu ver­schie­ben und im Hier und Jetzt nichts tun zu müssen. 

Bei­spiel­sät­ze:

„Auf ihrem Par­tei­tag beschloss die FDP, sich wei­ter­hin für Tech­no­ma­gie­of­fen­heit einzusetzen.“

„Wind­rä­der, Solar­zel­len und Wär­me­pum­pen sind Zukunfts­tech­no­lo­gien, wäh­rend E‑Fuels noch im Bereich der Tech­no­ma­gie liegen.“

Und mög­li­cher­wei­se – das schmerzt mich als SF-Fan – ist eine Erklä­rung dafür, war­um eine Par­tei so unver­hoh­len auf magi­sches Den­ken setzt, dar­in zu fin­den, dass zwi­schen Sci­ence Fic­tion und Sci­en­ti­fic Liter­acy zu wenig unter­schie­den wird. Nicht alles, was in Roma­nen und Fil­men plau­si­bel und hübsch erscheint, wird irgend­wann Wirk­lich­keit wer­den. Auch, wenn „SF“ auf der Gen­re-Schub­la­de steht. Und nur, weil Clar­ke irgend­wann mal schrieb, „any suf­fi­ci­ent­ly advan­ced tech­no­lo­gy is indis­tin­gu­is­ha­ble from magic“, gilt der Umkehr­schluss halt trotz­dem nicht. Nur, weil etwas magisch funk­tio­nie­ren soll, gibt es noch längst nicht die pas­sen­de fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie dafür. 

Traummaschinen, träumende Maschinen, Maschinenträume

Aure­lia auri­ta, CC0 Mar­tin Thoma

Ver­mut­lich wird im Rück­blick das Jahr 2022 das Jahr der Künst­li­che-Intel­li­genz-ver­än­dert-unser-Leben-Essays sein. Und es gibt ein paar Stan­dard­for­ma­te für die­se Essays – das eine ist der kom­plett von ChatGPT geschrie­be­ne Text, das ande­re die gro­ße Tech­nik­kri­tik samt Rau­nen dar­über, was mensch­li­che Krea­ti­vi­tät nun wirk­lich aus­macht, das drit­te der Hype-Arti­kel dar­über, dass sich jetzt wirk­lich alles ändert.

Und ja, ChatGPT und die gan­zen ande­ren gene­ra­ti­ven Model­le – die Bil­der­zeu­gung mit Sta­ble Dif­fu­si­on, Mid­jour­ney oder Dall‑E; die Über­set­zung mit DeepL – all das fühlt sich schon sehr nach Zukunft an. Als 2007 das iPho­ne auf den Markt kam, war nicht so ganz klar, dass es den Mobil­ge­rä­te­markt kom­plett umkrem­peln wür­de, das unter einem Smart­phone nicht ein Tas­ten­te­le­fon mit Bild­schirm zu ver­ste­hen ist, son­dern ein uni­ver­sell nutz­ba­rer Com­pu­ter in einem Soft­ware­gar­ten, der zur Not auch ein Tele­fon sein kann. Im nach­hin­ein betrach­tet hat das iPho­ne mas­siv etwas ver­än­dert. Unser Zugang zur Welt ist ein klei­ner schwar­zer Bild­schirm in der Hosen­ta­sche oder Hand­ta­sche, egal ob mit iOS oder Android als Betriebs­sys­tem. Das ist das Gerät, mit dem wir im Inter­net unter­wegs sind, Fahr­kar­ten kau­fen, uns ori­en­tie­ren, die Uhr­zeit able­sen, Fit­ness­wer­te spei­chern und natür­lich stän­dig und über­all Fotos und Vide­os machen.

Für mich fühlt ChatGPT sich ein biss­chen so an, als ob damit ein ähn­li­cher Umbruch ver­bun­den sein könn­te. Viel­leicht liegt die­ses Gefühl auch dar­an, dass ich mit Siri und Ale­xa (und erst recht nicht mit Cort­a­na) nie warm gewor­den bin; was hier noch als Ope­nAI-Feld­ver­such und wis­sen­schaft­li­ches Expe­ri­ment läuft, und noch ziem­lich feh­ler­an­fäl­lig und gera­de stark über­las­tet ist, könn­te unse­ren All­tag doch ganz erheb­lich verändern. 

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Experimenteller Technikoptimismus – Update 2017

Man with dog III

Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris Stö­cker schrie­ben vor zwei Jah­ren über fünf Tech­no­lo­gien, die unse­ren All­tag rasant ver­än­dern wer­den. Ich war skep­tisch, ob Robo­tik, auto­no­me Fahr­zeu­ge, künst­li­che Intel­li­genz, VR und auto­ma­ti­sche Über­set­zun­gen „on the fly“ sich wirk­lich so schnell durch­set­zen wer­den, wie Hor­chert, Kremp und Stö­cker das damals vermuteten.

Vor einem Jahr habe ich mir den dama­li­gen Ent­wick­lungs­stand ange­schaut. Mein dama­li­ges Fazit:

Vor einem Jahr war ich noch sehr skep­tisch, dass es hier tat­säch­lich zu Durch­brü­chen kommt und ent­spre­chen­de Tech­no­lo­gien – von den Robo­tern bis zur all­ge­gen­wär­ti­gen KI – Ein­zug in den All­tag fin­den und sich auch tat­säch­lich durch­set­zen. Gera­de was die Sprach- und Bil­der­ken­nung angeht, und alles, was dar­auf auf­baut, ist in den letz­ten Mona­ten extrem viel passiert. 

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Experimenteller Technikoptimismus – Update 2016

Deep Dream Dreamscope
Deep Dream Dream­scope, Jes­si­ca Mullen, Public Domain

Vor einem Jahr schrieb ich eine kur­ze Aus­ein­an­der­set­zung mit einem Arti­kel, den Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris­ti­an Stö­cker damals bei Spie­gel online ver­öf­fent­licht hat­ten. In dem Arti­kel sind fünf Pro­gno­sen dazu zu fin­den, wel­che Tech­no­lo­gien in naher Zukunft unse­ren All­tag ver­än­dern wer­den. Ich fand das damals alles arg unwahr­schein­lich, und hat­te ver­spro­chen, ein Jahr spä­ter (usw.) nach­zu­schau­en, wie es denn jeweils um den Stand der Tech­nik steht. Mit ein paar Tagen Ver­spä­tung hier nun mein ers­ter Blick auf den Stand der Dinge.

The­men­feld eins bei Hor­chert et al. war die Robo­tik. Dazu schrie­ben sie: „Künf­tig aber dürf­ten Maschi­nen, die schein­bar auto­nom einem oder gleich meh­re­ren Zwe­cken die­nen, sich zuneh­mend in unse­rem All­tag breit­ma­chen. Als schwei­gen­de Hel­fer in Kran­ken­häu­sern, als Lager­ar­bei­ter im Couch­tisch-For­mat oder als Ein­park­hel­fer. Vom Staub­sauger, Fens­ter­put­zer, über Lie­fer­droh­nen bis hin zu huma­no­iden Maschi­nen wie Bax­ter, die in Fabrik­be­trie­ben diver­se Auf­ga­ben übernehmen.“

In mei­nem All­tag sind noch kei­ne auto­no­men Robo­ter auf­ge­taucht. Aber ich gebe zu, dass Staub­sauge­ro­bo­ter und Droh­nen in den letz­ten zwölf Mona­ten an Selbst­ver­ständ­lich­keit gewon­nen haben. Und Fil­me wie „Ex Machi­na“ brach­ten im letz­ten Jahr die Aus­ein­an­der­set­zung um nicht­mensch­li­che, men­schen­ähn­li­che Maschi­nen auch in die Populärkultur.

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Experimenteller Technikoptimismus

Street art computer

Die Zukunft vor­her­zu­sa­gen, ist noto­risch schwie­rig. Den­noch wird es – die Geschich­te des Retro­fu­tu­ris­mus eben­so wie der apo­ka­lyp­ti­schen War­nun­gen zeugt davon – immer wie­der ver­sucht. Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris Stö­cker ver­su­chen es heu­te auf Spie­gel Online mit einem Stück zu Fünf Tech­no­lo­gien, die unse­ren All­tag ver­än­dern wer­den.

Mit etwas tech­nik­so­zio­lo­gi­schem Bauch­ge­fühl aus­ge­stat­tet füh­le ich mich hier zum Wider­spruch ange­sta­chelt. Ich hal­te es für unwahr­schein­lich, dass sich die fünf von Spie­gel Online beschrie­be­nen digi­ta­len Tech­no­lo­gien in den nächs­ten sagen wir mal fünf Jah­ren weit in den gesell­schaft­li­chen All­tag hin­ein ver­brei­ten wer­den. Zu oft sind genau in die­sen Berei­chen schon Revo­lu­tio­nen aus­ge­ru­fen wor­den. Und trotz der Ver­wei­se auf das Moo­re­sche Gesetz, auf stei­gen­de Rechen­power, Durch­brü­che in Robo­tik und neu­ro­na­len Netz­wer­ken hal­te ich es für unwahr­schein­lich, dass es bei all die­sen fünf Tech­no­lo­gien nicht nur zu tech­ni­schen Durch­brü­chen kommt (Pro­to­ty­pen gibt es), son­dern auch gesell­schaft­lich durch­set­zungs­fä­hi­ge Anwen­dungs­mo­del­le gefun­den wer­den. Das Video­te­le­fon oder die Leucht­stoff­röh­re lie­fern hier inter­es­san­te Beispiele.

Aber viel­leicht ist das auch nur mein zuneh­men­der Kon­ser­va­ti­vis­mus – schließ­lich habe ich die für die Offen­heit für neue Tech­no­lo­gien magi­sche Gren­ze von 30 Jah­ren schon län­ger über­schrit­ten. Kurz­um: Wer recht hat, wird sich in den nächs­ten Jah­ren zei­gen. Des­we­gen habe ich eine Rei­he von lee­ren Erin­ne­rungs­ar­ti­keln ange­legt, die Word­Press im Abstand von jeweils einem Jahr auto­ma­tisch pos­ten wird – mit der Auf­for­de­rung, mal nach­zu­schau­en, wie es um die Durch­set­zung der jewei­li­gen Tech­no­lo­gien bestellt ist.

Und weil nicht klar ist, ob es den SpOn-Arti­kel dann noch geben wird, lis­te ich die Pro­gno­sen von Hor­chert et al. hier noch ein­mal auf:

  1. Robo­tik: „Künf­tig aber dürf­ten Maschi­nen, die schein­bar auto­nom einem oder gleich meh­re­ren Zwe­cken die­nen, sich zuneh­mend in unse­rem All­tag breit­ma­chen. Als schwei­gen­de Hel­fer in Kran­ken­häu­sern, als Lager­ar­bei­ter im Couch­tisch-For­mat oder als Ein­park­hel­fer. Vom Staub­sauger, Fens­ter­put­zer, über Lie­fer­droh­nen bis hin zu huma­no­iden Maschi­nen wie Bax­ter, die in Fabrik­be­trie­ben diver­se Auf­ga­ben übernehmen.“
  2. Selbst­fah­ren­des Auto: „Dass man sich in sechs bis acht Jah­ren per App ein Taxi ohne Fah­rer wird bestel­len kön­nen, darf als sicher gel­ten. Und auf Lkw-Rast­plät­zen an Auto­bah­nen könn­te es mit­tel­fris­tig merk­lich lee­rer werden.“
  3. Vir­tu­el­le Rea­li­tät: „Schon in weni­gen Jah­ren wird man im Zug oder im Flug­zeug Men­schen mit VR-Gerät am Kopf statt mit Lap­top oder Tablet als Film­ab­spie­ler antref­fen. Und es wer­den Unter­hal­tungs­for­ma­te ent­ste­hen, die wir uns noch gar nicht vor­stel­len können.“
  4. Auto­ma­ti­sche Über­set­zung on the fly: „Schon bald dürf­te es nor­mal sein, dass Tou­ris­ten in Japan, Spa­ni­en oder Kroa­ti­en ein­fach die Sät­ze in ihre Smart­phones spre­chen, die sie sagen möch­ten. Das Han­dy über­setzt die Ant­wor­ten dann ebenfalls.“
  5. Künst­li­che Intel­li­genz: „Die digi­ta­le Lebens­welt der Zukunft braucht noch ein Betriebs­sys­tem. Die­se Auf­ga­be wird aller Wahr­schein­lich­keit nach die Tech­no­lo­gie über­neh­men, die man heu­te Künst­li­che Intel­li­genz (KI) nennt. In eini­gen Jah­ren wird man ver­mut­lich nur noch ‚Com­pu­ter‘ oder ‚Tele­fon‘ zu ihr sagen.“

Soweit die Pro­gno­sen. Am 14. Febru­ar 2016 wer­de ich dann zum ers­ten Mal nach­schau­en, was jeweils der Stand die­ser Tech­no­lo­gien ist. Ich bin gespannt.

War­um blog­ge ich das? Als klei­nes Expe­ri­ment zum The­ma Lang­zeit­blog­gen und Techniksoziologie.