Hoffnung am Ende der Welt

SEC, Glasgow - II

Die Welt drau­ßen ist mal wie­der ziem­lich am Ende. Zeit­ge­nös­si­sche Sci­ence Fic­tion reagiert dar­auf auf drei Arten: sie setzt sich ers­tens direkt damit aus­ein­an­der – da sind wir dann bei „Cli­Fi“, Cli­ma­te Fic­tion und Ver­wand­tem, sei es Kim Stan­ley Robin­son, sei es T.C. Boyle, sei es mit ande­rer Per­spek­ti­ve Neal Ste­phen­son. Oder bei Wer­ken, die ande­re Pro­ble­me, die wir gera­de haben, direkt lite­ra­risch ver­ar­bei­ten. Aus­gren­zung und Inklu­si­on beispielsweise. 

Die zwei­te Reak­ti­on ist Eska­pis­mus. Das muss nichts schlech­tes sein. Sci­ence Fic­tion lan­det dann bei­spiel­wei­se bei der neus­ten Form der Space Ope­ra. Einen sehr guten Über­blick dar­über, was da alles drun­ter passt, gibt Jona­than Stra­han in sei­ner gera­de erschie­ne­nen Antho­lo­gie New Adven­tures in Space Ope­ra. Mit Nor­man Spin­rad spricht er davon, dass es sich bei Space Ope­ra nach wie vor um „straight fan­ta­sy in sci­ence fic­tion drag“ han­delt. Das gilt auch für das, was in den 2020er Jah­ren pas­siert, nach dem Höhe­punkt der „new space ope­ra“. Nur dass die­se Tex­te diver­ser und mul­ti­per­spek­ti­vi­scher sind, und sich kri­ti­scher mit den Poli­ti­ken und Macht­ver­hält­nis­sen in den jeweils ima­gi­nier­ten Wel­ten aus­ein­an­der­set­zen, als dies davor der Fall war. 

Drit­tens, und damit sind wir beim The­ma die­ses Tex­tes, erschei­nen eine Viel­zahl von Geschich­ten und Büchern, die irgend­wo zwi­schen „cozy“, Hope­punk und Solar­punk ein­sor­tiert wer­den kön­nen. Obwohl es Über­schnei­dun­gen gibt, ist Solar­punk doch noch ein­mal etwas ande­res als Cli­ma­te Fic­tion, und ist „cozy“ SF&F nicht iden­tisch mit der 2020er-Fas­sung von Space Ope­ra. Wir kom­men gleich zu Defi­ni­tio­nen – hier sei aller­dings schon ein­mal gesagt, dass die­se Grenz­zie­hun­gen weni­ger hart sind, als sie manch­mal erschei­nen, und teil­wei­se noch im Ent­ste­hen befind­lich sind. Mir geht es vor allem dar­um, einen Blick auf etwas zu wer­fen, was ich als aktu­el­len Trend in Sci­ence Fic­tion (und ein­ge­schränkt: Fan­ta­sy) wahrnehme.

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Zehn Thesen zum Thema Bio-Konsum

Apples and pears II

In letz­ter Zeit wab­ber­te an ver­schie­de­nen Ecken und Enden ja immer mal wie­der das The­ma „Bio ist bäh“ ins Licht der media­len Auf­merk­sam­keit. Sei es durch die Stan­ford-Stu­die, die kei­ne Unter­schie­de beim Vit­amin­ge­halt fest­stel­len konn­te (und Pes­ti­zid­be­las­tun­gen nicht berück­sich­tig­te), sei es durch diver­se genüss­lich wie­der­ge­käu­te Skan­da­le und Skan­däl­chen, sei es durch SPIE­GEL-Kolum­nis­ten, die der SPD das Karot­ten­ku­chen­milieu madig machen wol­len. Und trotz­dem hal­te ich es nach wie vor für sinn­voll, „bio“ ein­zu­kau­fen (und für „fair“ gilt ganz ähn­li­ches). War­um? Dazu zehn Thesen.

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Windup Girl und Peak oil, oder: Nach der Globalisierung

Red tomatoes I

Ein inter­es­san­ter Aspekt von Pao­lo Baci­g­alu­pis neu­em Sci­ence-Fic­tion-Werk „The Win­dup Girl“ – übri­gens zurecht als zeit­ge­nös­si­sches Gegen­stück zu Wil­liam Gib­sons Neu­ro­man­cer-Tri­lo­gie gehan­delt und in einem Atem­zug mit Ian McDo­nald genannt – ist die Tat­sa­che, dass Baci­g­alu­pi sei­ne Erzäh­lung in einer Zukunft statt­fin­den lässt, die nach der Glo­ba­li­sie­rung ange­sie­delt ist. Für „The Win­dup Girl“ ist das mehr oder weni­ger nur der sze­ni­sche Hin­ter­grund einer Geschich­te, in der sich die fins­te­ren Pro­phe­zei­un­gen unkon­trol­lier­ba­rer Gen­ma­ni­pu­la­ti­on, agro­in­dus­tri­el­ler Nah­rungs­mit­tel­mo­no­po­le und der Kli­ma­ka­ta­stro­phe erfüllt haben. Trotz­dem möch­te ich „The Win­dup Girl“ zum Anlass neh­men, die­se Zukunft in den Blick zu nehmen.
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Weltherrschaft als Koppelprodukt

Watching the streetview car II

Das gro­ße G ist erneut in den Schlag­zei­len: Chris Stö­cker sieht im Spie­gel Online schon den Griff von Goog­le nach der Welt­herr­schaft (Gideon Böss in der WELT sieht das anders). War­um? Weil Goog­le sei­ne Suche inzwi­schen in Echt­zeit und per­so­na­li­siert anbie­tet, Pro­duk­te per Han­dy-Scan iden­ti­fi­zie­ren kön­nen will, einen eige­nen öffent­li­chen DNS-Ser­ver (sie­he auch fefe) betreibt und über­haupt einen Hau­fen mehr anbie­tet (und natür­lich Chro­me, auch als Stand-alo­ne-Betriebs­sys­tem, und Android, und Cloud Com­pu­ting Appli­ca­ti­ons, und und und.

Das kann jetzt als Griff zur per­sis­ten­ten Welt­herr­schaft ver­stan­den wer­den. Kris­ti­an Köhn­topp dage­gen geht – schon vor eini­gen Wochen – von einem Miss­ver­ständ­nis aus: es ist falsch, Goog­le als Such­ma­schi­ne zu inter­pre­tie­ren. Für Köhn­topp ist das, was Goog­le macht, viel­mehr folgendes:

Alles in allem wirkt der Ansatz von Goog­le auf mich wie eine Fir­ma von Phy­si­kern oder ande­ren Expe­ri­men­tal-For­schern mit aka­de­mi­schem Back­ground, die beschlos­sen haben, ein­mal ’so rich­tig‘ in die Wirt­schaft zu gehen und ihre Metho­den dort hin zu por­tie­ren. Man baut Model­le, iden­ti­fi­ziert Abhän­gig­kei­ten und eli­mi­niert sie kon­se­quent und man hat kei­ne Angst, dabei auch rich­tig groß zu den­ken und Neu­land zu betreten. 

Oder anders gesagt: eine Fir­ma, die Abhän­gig­kei­ten auf der Input-Sei­te maxi­mal redu­ziert (eige­nes Netz, eige­ne Ser­ver-Far­men, eige­ner DNS-Ser­ver, …), die so ent­stan­de­ne Infra­struk­tur halb­öf­fent­lich zugäng­lich macht (Open-Source-Vari­an­ten wich­ti­ger Tech­no­lo­gien, wer­be­fi­nan­zier­te Zur­ver­fü­gung­stel­lung) und so – ob wil­lent­lich und stra­te­gisch oder nolens volens – immense sozio­tech­ni­sche Abhän­gig­kei­ten pro­du­ziert. Goog­le will nicht die Welt­herr­schaft, son­dern will – so mei­ne Syn­the­se aus Stö­cker und Köhn­topp – die tech­nisch bes­te Lösung zur Daten­ver­ar­bei­tung im Netz anbie­ten. Und erzeugt neben­bei ein biß­chen Welt­herr­schaft (oder zumin­dest eine immense, per­so­na­li­sier­te Daten­hal­de und Tools, um die­se zu durch­su­chen und mög­li­cher­wei­se auch pro­fi­ta­bel zu machen). 

Welt­herr­schaft als Kop­pel­pro­dukt funk­tio­niert auch des­halb, weil die Goog­le-Lösung (Such­ma­schi­ne, GMail, …) meis­tens bes­ser funk­tio­niert als die Ver­su­che ande­rer Anbie­ter oder gar staat­li­cher Inno­va­ti­ons­pro­gram­me (hal­lo, IT-Gip­fel mit dei­nen Leucht­turm­pro­jek­ten). Es gibt aber auch Aus­nah­men – wave bei­spiels­wei­se kommt gar nicht so toll an, und chro­me ist bis­her als Brow­ser wie als Betriebs­sys­tem ein abso­lu­tes Nischen­pro­dukt. Bes­ser heißt hier vor allem: Goog­le-Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen funk­tio­nie­ren, sind rela­tiv fehlertolerant/wartungsarm, sind zumeist sehr ein­fach bedien­bar – und sie sind schnell. Das hängt dann (sie­he Köhn­topp) wie­der mit den eige­nen Ser­vern und Lei­tun­gen zusam­men, und so schließt sich der Kreis zwi­schen tech­nisch guten Ange­bo­ten und der Infra­struk­tur für die Weltherrschaft.

Bleibt die Fra­ge nach den poli­ti­schen Kon­se­quen­zen des tech­no-öko­no­mi­schen Inter­es­ses von Goog­le. Ver­staat­li­chen? Regu­lie­ren? Lau­fen las­sen? Daten­schutz neu den­ken? Goog­le gar als Bünd­nis­part­ner gegen Angrif­fe auf Netz­neu­tra­li­tät und ähn­li­ches ein­span­nen? Die UNO an Goog­le verkaufen?

Mein vor­läu­fi­ger Ein­druck ist der, dass das Netz hier eine Fir­ma mög­lich gemacht hat, die bis­her so nicht vor­ge­se­hen war (um mit Cas­tells zu spre­chen: die tat­säch­lich infor­ma­tio­na­len und netz­werk­för­mi­gen Kapi­ta­lis­mus auf glo­ba­ler Ebe­ne betreibt, und dabei Wis­sen auf Wis­sen anwen­det). Was fehlt, ist eine ähn­li­che kon­zeptof­fe­ne und inno­va­ti­ve glo­ba­le Poli­tik­agen­tur. Die­ser poli­ti­sche glo­bal play­er fehlt uns heu­te noch.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Debat­ten um Goog­le span­nend fin­de. Viel­leicht auch des­we­gen, weil hier (in Varia­ti­on der Köhn­topp­schen Argu­men­ta­ti­on) eine nerdige/technische Kul­tur zwar erfolg­reich in Rich­tung Pro­fit evol­viert ist, trotz aller social respon­si­bi­li­ty (google.org usw.) dabei aber auch der für der­ar­ti­ge nerd/technische Kul­tu­ren typi­sche Autis­mus gegen­über der sozia­len Ein­bet­tung und den sozia­len und poli­ti­schen Kon­se­quen­zen tech­ni­scher Lösun­gen hoch­ska­liert wurde.

Kurz: The International

Nach­dem wir uns nicht so recht ent­schei­den konn­ten, haben mei­ne Liebs­te und ich uns ges­tern Tom Tykwers „The Inter­na­tio­nal“ ange­se­hen. Wor­um geht es? The Inter­na­tio­nal ist ein Polit-Thril­ler, in dem ein Inter­pol-Agent und sei­ne Kol­le­gin vom FBI ver­su­chen, eine in Waf­fen­han­del und Kon­flikt-Schü­ren ver­strick­te luxem­bur­ger Bank hoch­ge­hen zu las­sen. Die­se streckt vor nichts zurück, und jeder aus der Bank, der Aus­sa­gen will, ist nach kür­zes­ter Frist tot – meis­tens recht gezielt, eine Sze­ne, eine sym­bol­träch­ti­ge Schie­ße­rei im Gug­gen­heim-Muse­um (das ech­te kam dabei nicht zu Scha­den), artet etwas ins unsin­nig Blu­ti­ge aus. Dafür gab’s schö­ne Archi­tek­tur und Stadtlandschaften.

Ich will jetzt aber gar kei­ne Film­kri­tik ablie­fern, son­dern fra­ge mich, ob ande­re den Film auch so wahr­ge­nom­men haben wie ich, näm­lich als ziem­lich viel­schich­ti­ge Ange­le­gen­heit mit ein­deu­tig poli­ti­schem Sub­text. Das fängt mit dem Titel an – laut Wiki­pe­dia kann „The Inter­na­tio­nal“ näm­lich nicht ein­fach nur der/die Inter­na­tio­na­le mei­nen, son­dern eben auch die diver­sen kom­mu­nis­ti­schen und sozia­lis­ti­schen Bün­de (4. Inter­na­tio­na­le und so) und das Lied „Die Inter­na­tio­na­le“. So gese­hen kann der Film dann als Expe­ri­ment über den glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus (und die Rol­le von Ban­ken, Kon­zer­nen, Poli­ti­ke­rIn­nen und Staa­ten) gele­sen wer­den, als akti­ons­rei­che Kapi­ta­lis­mus­kri­tik, die am Ende den Hel­den­my­thos des Gen­re kippt – und offen lässt, ob, wenn denn der Held schei­tert, Senats­an­hö­run­gen tat­säch­lich das bes­se­re Mit­tel gegen üble Machen­schaf­ten sind. 

Bleibt die Fra­ge: hat „The Inter­na­tio­nal“ eine impli­zi­te poli­ti­sche Bot­schaft, und wenn ja, wel­che? Und was wür­de Attac dazu sagen?