Die Zukunft vorherzusagen, ist bekanntermaßen schwierig. Das gilt umso mehr, wenn es um die ferne Zukunft geht. Dagegen lassen sich über die nahe Zukunft – also zum Beispiel das Jahr 2020 – recht zuverlässige Aussagen treffen. Mal abgesehen von dem Fall, dass ein unvorhersehbares Ereignis eintritt – schwarze Schwäne mit Gischt und Verwirbelung. (Es gab eine Zeit, in der die Zahl 2020 mal für die richtig weit in der Zukunft liegende Zukunft stand. Aber hey – heute sind das weniger als eineinhalb Jahre.)
Kurz: Grüne Angst vor der Wirtschaft?
Eine grüne Sitzung in Berlin, Menschen aus ganz unterschiedlichen Bundesländern sind dabei. Es geht eigentlich um anderes, aber plötzlich stellt sich heraus: Die Gretchenfrage, das ist hier die Frage, wie du es mit der Wirtschaft hältst. Aus baden-württembergischer Sicht (und ja, auch in Hessen stellen und in RLP stellten die Grünen Wirtschaftsminister*innen) verwundert das. Es geht darum, mit grünen Ideen schwarze Zahlen zu schreiben (und das schon seit den 1990ern), selbstverständlich gibt es immer wieder Gespräche zwischen Politiker*innen bis hin zum Ministerpräsidenten und Wirtschaftsverbänden.
Oder, um den Politikbereich zu nehmen, in dem ich mich am besten auskenne: Einigen Hochschulen im Land geht es deswegen besonders gut, weil Stiftungen aus der Privatwirtschaft Baukosten übernehmen – mit Zustimmung der grün-roten Landesregierung. Und dass mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag viel Geld in Richtung Wissenschaft fließt, hat in Baden-Württemberg auch etwas damit zu tun, dass Hochschulen für angewandte Wissenschaft gerade auch im ländlichen Raum in Forschung und Entwicklung eng mit kleineren und mittleren Unternehmen kooperieren, und Wissen als Ressource für das Land gesehen wird. Dass, was an unseren Unis gedacht wird, soll auch „den Markt“ erreichen und zu Wertschöpfung beitragen. Innovation und Technologietransfer sind keine Schimpfworte, sondern wünschenswerte Ziele. Natürlich geht grüne Innovation weiter – Stichworte wie Gemeinwohlorientierung, Postwachstum und, ja auch: Sharing – zeugen davon. Pioniere des Wandels können auch Unternehmen sein. Und all das zahlt sich in ziemlich guten Werten bei den Kompetenzzuschreibungen aus. Bündnis 90/Die Grünen sind in Baden-Württemberg auch eine Partei, die für nachhaltiges Wirtschaften steht, die „die Wirtschaft“ schätzt und Erfindergeist wie Unternehmensfreude positiv hervorhebt. (Und, auch das sei dazugesagt: Wirtschaftskompetenz heißt nicht, den „freien Markt“ in höchsten Tönen zu loben und auf Einhegen, Regeln und deren Durchsetzung zu verzichten. Wer das will, muss zur FDP gehen …).
Das scheint mir in der Partei insgesamt teilweise noch ganz anders zu sein. Da existieren in manchen Köpfen noch tiefe Gräben und hohe Mauern. Insofern bin ich sehr gespannt, wie sich die Frage „Wie hältst du’s mit der Wirtschaft“ im Bundestagswahlprogramm 2017 wiederfinden wird. In gut einem Monat tagt der Konvent der Bundesarbeitsgemeinschaften, um hier Ideen zu entwickeln – mal sehen, wie innovationsoffen meine Partei sich da zeigt.
Kurz: Willkommen im Jahr des Hoverboards
Vermutlich wird uns das Thema in ein paar Tagen völlig zum Hals raushängen, aber natürlich ist es eine nette Sache, wenn ein halbwegs populärer Film aus der Kindheit dieser Generation im Jahr 2015 spielt. Und das eben jetzt ist. Die Rede ist selbstverständlich von Back to the future II aus dem Jahr 1989. Da liegen Vergleiche mit der heutigen Gegenwart nahe. Auch wenn die Vorstellung, dass die Hauptaufgabe von Science Fiction darin liegen könnte, Erfindungen vorherzusagen eher ein Fehlschluss ist. Klar versucht Science Fiction, eine halbwegs realistische Zukunft darzustellen – aber eben meist doch als Hintergrund, vor und mit dem Dinge passieren, und nicht als raison d’etre des Genres. Für popkulturelle Varianten von Science Fiction gilt dies erst recht.
Trotzdem halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass in den nächsten zwölf Monaten irgendjemand funktionsfähige Hoverboards entwickeln wird. Oder zumindest sowas ähnliches. Nicht nur, weil es einen entsprechenden Crowdfunding-Aufruf gab, sondern auch deswegen, weil es ein nice-to-have-Gimmick aus einem Film ist, der einer jetzt in die Midlife Crisis kommenden Generation gut bekannt ist. Das Konzept ist da und anschlußfähig im Diskurs verankert, es fehlt nur das reale Produkt. 2015 könnte also – fast schon als selbsterfüllende Prophezeiung – zum Jahr des Hoverboards werden. (Und anders als bei z.B. fliegenden Autos wäre es eine Erfindung mittleren Maßes, die ohne großartige neue Infrastrukturen etc. auskommt …)
Die Frage, wie Science Fiction und tatsächliche Inventions-/Innovationspraktiken zusammenwirken, und ob es mehr als ein popkulturelles Hintergrundrauschen ist, das beide Welten verbindet, finde ich ganz unabhängig davon, ob die Hoverboard-Prophezeiung nun erfüllt wird oder nicht, nach wie vor interessant. Oder, augenzwinkernd umgedreht: Wer im Jahr 2042 gerne 3D-Flug-Fußball als Trendsportart etablieren möchte, sollte jetzt einen erfolgreichen SF-Film in die Kinos bringen.
P.S.: Der Guardian hat deutlich umfangreicheres A‑Z der Vergleiche zwischen 2015a und 2015b.
P.P.S.: Und das.
Digitalisierung als Baustein einer grünen Innovationspolitik
„Unterm Strich würde ich gerne in dem Baden-Württemberg leben, das Kretschmann da grade entwirft.“, schrieb ich bei Twitter als Fazit zur „Heimat, Hightech, Highspeed“-Regierungserklärung, und das ist vielleicht erklärungsbedürftig.
Um ganz vorne anzufangen: eine Regierungserklärung im baden-württembergischen Landtag funktioniert so, dass der Ministerpräsident (oder eine andere VertreterIn der Landesregierung) sich ausführlich, grundsätzlich und übergreifend äußert, und – üblicherweise – die Fraktionsvorsitzenden darauf reagieren. Und zwar in „Debatte mit freier Redezeit“, was ganz schön lang sein kann. In dieser Regierungserklärung ging es um „Digitalisierung“, und um die (insbesondere auch wirtschaftlichen) Chancen von Dingen, die mit so schönen Buzzwords wie „Induschdrie 4.0«, „digitaler Wandel“, „Cloud“ oder „Cybersecurity“ umreißen lassen.
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Darf Politik das? Konstruktive Technologiepolitik am Beispiel 3D-Druck
Vor ein paar Tagen hat Reinhard Bütikofer eine Studie des Öko-Instituts (20-Seiten-Fassung der Studie, pdf) vorgestellt, die im Auftrag der Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ im europäische Parlament die (ökologischen) Risiken und Chancen der Technologie des 3D-Drucks bewertet hat. Auch Heise hat darüber berichtet; dort heißt es u.a., dass die grüne Fraktion aus der Studie die Forderung ableitet, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich Gedanken dazu macht, ob und wenn ja wie der 3D-Druck europaweit reguliert werden soll.
Das hat – erwartungsgemäß? – zu einem kleinen Netz-Aufschrei geführt. Der Vergleich mit dem Internet liegt nahe – was, eine neue Technologie, die sich gerade aus der Babykrippe erhebt, soll sofort totreguliert werden?! Wie soll denn da eine Goldgräberstimmung aufkommen! Und überhaupt! Technikfeinde!
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