Zweimal knapp 15 Prozent für Bündnis 90/Die Grünen – die Prognose und die ersten Hochrechnungen sahen noch etwas positiver aus -, herbe Verluste auch für SPD und FDP (in Bayern klar aus dem Landtag gefallen, in Hessen nach dem vorläufigen Endergebnis grade so über den fünf Prozent): möglicherweise typisch für ‚Midterm-Wahlen‘, falls eine Landtagswahl zur Hälfte der Wahlperiode des Bundestages so bezeichnet werden kann.
Auf der anderen Seite: eine CSU, die leicht verloren hat (und Stimmen an die noch rechteren Aiwanger-FW weitergegeben hat, die wiederum, wie alle (!) ehemalige Wähler*innen an die AfD abgegeben hat). In Hessen eine CDU, die deutlich zugelegt hat. Beide um die 35 Prozent; solide, aber nichts, was an konservative Glanzzeiten anknüpft. In Bayern wird Söders Rechtsregierung wohl weitermachen. In Hessen ist es aktuell offen, ob Schwarz-Grün fortgesetzt wird oder ob Boris Rhein sich für den Wechsel zu Schwarz-Rot entscheidet.
Aus Sicht der Union war dieser Wahlkampf ein Migrationswahlkampf. Am Wahlabend noch, weiter im Wahlkampfmodus, forderte der Generalsekretär ein faktisches Ende des Asylrechts, statt über die Wahlergebnisse zu sprechen. Hat dieser migrationspolitische Rechtsruck der Union geholfen? Fraglich – wohl eher der AfD, die in beiden Ländern auf Platz 2 landete, die in Hessen auf Platz 2 und in Bayern auf Platz 3 nahe an den FW auf Platz 2 landete. Die Wähler*innen der AfD mögen nicht alle rechtsextrem eingestellt sein, aber nach, allem, was die Zahlen so hergeben, sind sie es mehrheitlich eben doch. Und in einem Klima, in dem Grenzen-zu-Narrative etc. plötzlich salonfähig geworden sind (danke Merz!), in dem soziale Medien AfD-Kanäle in die Startseitenauswahl puschen und klassische Medien die AfD wie eine normale Partei behandeln – und nicht wie eine Partei, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird – in diesem Klima erscheint es dann auf einmal legitim, als Bürger*in mit Zukunftssorgen, mit Hass auf Grüne etc. die AfD zu wählen.
Die Union wird ihren Merzrechtskurs wohl beibehalten. Sie glaubt, damit erfolgreich zu sein. Die Untoten, die sie damit aufweckt, sieht sie nicht, will sie nicht sehen.
Insofern: keine ganz normale Midterm-Wahlen. Und auf Seiten der Ampel sehe ich leider wenig Anlass dafür, zu glauben, dass diese sich jetzt auf ein gemeinsames Zukunftskonzept einigen wird. Da ist also keine Geschlossenheit zu erwarten, keine Orientierung und kein Zusammenhalt. Das allerdings wäre wichtig für alle drei Ampel-Parteien. So weiß niemand, wofür die SPD steht. Die FDP und die Grünen sind auf (da extrem knappe, dort halbwegs komfortable) Kernklientele zurückgeworfen. Ein Ausgreifen darüber hinaus, die Ansprache von Wähler*innen, die sich nicht einer Partei zurechnen, die gelingt nur, wenn glaubhaft und greifbar wird, dass diese Bundesregierung gemeinsam daran arbeitet, dass Deutschland gut durch die Krisen und notwendigen Veränderungen kommt.
Das sehe ich wie gesagt derzeit nicht. Vielmehr ist zu befürchten, dass SPD und FDP aus diesen Wahlen ein Mandat zum Rechtsruck ablesen. Und irgendwann stellt sich für Grüne (wie, aus anderen Gründen, auch für die FDP) dann tatsächlich die Frage, was in Kauf genommen wird, um an anderer Stelle mitgestalten zu können. Nach den Erfahrungen von 2005 – dazu hatte ich vor ein paar Tagen geblockt – als das vorgezogene Ende der Regierung Schröder II eine sehr lange Oppositionsphase einläutete, vermute ich allerdings, dass doch noch länger die Zähne zusammengebissen werden.
Die FDP hat bisher nach jeder verlorenen Wahl die gleiche Wahlanalyse verbreitet: noch mehr Opposition in der Koalition, noch mehr Abgrenzung von der eigenen Regierung, noch mehr FDP pur. Geholfen hat das bisher nicht. Wenn sie das weiter so sieht, müsste sie eigentlich die Koalition im Bund aufkündigen – und würde dann ziemlich sicher bei Neuwahlen aus dem Bundestag fliegen.
Aber vielleicht setzen sich Scholz, Habeck und Lindner – um das mal zu personalisieren, und um Führung seitens des Kanzlers einzufordern – auch zusammen und einigen sich auf ein paar Grundsätze, ein paar Projekte, um das in den Krisen unserer Zeit erschütterte Vertrauen in den Staat wieder herzustellen. Das würde allen Ampelparteien helfen. (Aber allein das scheint für Teile der FDP, insbesondere in der Fraktion, schon undenkbar zu sein – lieber loose-loose als Grünen oder der Kanzlerpartei auch nur ein Haar zu gönnen).
Und dann sind wir wieder bei Merz, dem Rechtsruck der Union und dem scheinbaren Erstarken der AfD. Keine schöne Aussichten – Zuversicht kann ich allerdings gerade nicht bieten.