Science Fiction und Fantasy im März 2025

Freiburg Hbf: Stadtbahnbrücke

Defi­ni­tiv kei­ne Emp­feh­lung: der Film Super­no­va aus dem Jahr 2000. Mehr Trash geht eigent­lich gar nicht – bis hin zu Din­gens mit neundi­men­sio­na­ler Mate­rie, die sich, nach­dem alle mal Sex hat­ten und fast alle umge­bracht wor­den sind, inner­halb von 50 Jah­ren über 3000 Licht­jah­re aus­brei­tet, und so der Gra­vi­ta­ti­on eines blau­en Rie­sens ent­kommt. Da trös­ten dann auch die Sei­ten­we­ge (wie etwa der zukünf­ti­ge Blick auf die arg gewalt­tä­ti­gen Zei­chen­trick­fil­me aus den 1960er Jah­ren, die Love­sto­ry mit der AI oder diver­se Film­zi­ta­te) nicht.

Defi­ni­tiv eine Emp­feh­lung ist dage­gen The Resi­dence (2025, Net­flix) – Cor­de­lia Cupp ist vor allem dar­an inter­es­siert, sel­te­ne Vögel zu betrach­ten, mit Feld­ste­cher und „Birds of the World“ in der Umhän­ge­ta­sche. Neben­bei ist sie auch noch die welt­bes­te Detek­ti­vin – und reicht in nerdi­ger Exzen­trik an Sher­lock Hol­mes oder Doc­tor Who her­an. In die­ser sehr gegen­wär­tig erzähl­ten Serie klärt sie einen Mord im Wei­ßen Haus auf – mit viel Blick hin­ter die Kulis­sen des White House, Lie­be für Details und ver­schro­be­ne Figu­ren, nur am Ran­de vor­kom­men­der Poli­tik und einer gar nicht mal so unplau­si­bel erschei­nen­den Zukunft, in der ein weit­ge­hend unfä­hi­ger Prä­si­dent es sich selbst mit Aus­tra­li­en ver­scherzt hat. Kylie Mino­gue tritt auch auf. (Ja, das ist im enge­ren Sin­ne alles kei­ne Sci­ence Fic­tion, son­dern viel­leicht Mys­tery Come­dy, hat mich dann aber doch sehr gut unter­hal­ten, gera­de in die­sen Tagen …)

Stich­wort „die­ser Tage“ – Lisa Brideau hat mit Adrift (2023) einen als Thril­ler ver­kauf­ten SF-Roman geschrie­ben, der lei­der sehr gegen­wär­tig wirkt. Der Kli­ma­wan­del hat sich in der nahen Zukunft (2039) fort­ge­setzt, Wald­brän­de und hef­tigs­te Stür­me sind lei­der nor­mal. Die Gren­zen Kana­das wer­den streng kon­trol­liert – auch die See­we­ge zu den USA, um Flücht­lin­ge abzu­hal­ten. Wirt­schaft­lich geht es alles den Bach run­ter, auch wenn die Wis­sen­schaft ein biss­chen wei­ter gekom­men ist. In die­sem Sze­na­rio fin­det sich Ess ohne Gedächt­nis auf einem Boot auf dem Meer wie­der. Ess‘ motor skills – wie etwa das Segeln – sind eben­so intakt wie ihr Gedächt­nis für alles, was neu pas­siert – nur die epi­so­dischen Erin­ne­run­gen an alles bis zum Beginn des Buches sind genau­so kom­plett gelöscht wie ihr Wis­sen über sich selbst. Das Boot ist gut aus­ge­rüs­tet, Pil­len gegen das star­ke Kopf­weh gibt es, und irgend­wann fin­det Ess auch einen Brief an sich selbst, der aber nicht wirk­lich irgend­et­was erklärt. Sie beschließt, ihren eige­nen Rat in den Wind zu schla­gen und her­aus­zu­fin­den, was eigent­lich pas­siert ist. Ach ja: neben­bei häu­fen sich Medi­en­be­rich­te über Geflüch­te­te ohne Gedächt­nis. Hat das etwas mit ihr zu tun? – Adrift hat mir gut gefal­len, auch wenn die hier ent­wor­fe­ne Zukunft rea­lis­tisch düs­ter wirkt – und die Sto­ry­line ab und zu an ein Video­spiel erin­nert, in dem das nächs­te Item gefun­den wer­den muss, um weiterzukommen.

Eben­falls sehr rea­lis­tisch (und nur in einem wei­ter gefass­ten Sin­ne als SF zu bezeich­nen) ist Cory Doc­to­rows neus­ter Band sei­ner Mar­ty-Hench-Serie, die mit Red Team Blues star­te­te. In Picks and Sho­vels (2025) sprin­gen wir in die 1980er Jah­re – Mar­tin Hench stu­diert am MIT, jeden­falls ist das der Plan. Dann kommt er in Berüh­rung mit den ers­ten Heim­com­pu­tern, wird Teil eines Com­pu­ter-Clubs und lernt Visi­calc lie­ben. Eine geschei­ter­te Fir­men­grün­dung spä­ter lan­det Hench als foren­sic accoun­tant in San Fran­cis­co, das sich gera­de neu erfin­det. Zwi­schen Dead Ken­ne­dys und PC-Nerd-Nost­al­gie erfah­ren wir nicht nur viel über Henchs bio­gra­fi­sche Ent­wick­lung und Lokal­ko­lo­rit der Ost- wie der West­küs­te. Ganz neben­bei erzählt Doc­to­row mit­rei­ßend wie immer – so selt­sam das klin­gen mag – über Tech­nik-Mono­po­le, schei­tern­de Revol­ten und die Ursprün­ge frei­er Soft­ware. Viel­leicht funk­tio­niert das Buch nur, wenn man selbst die PC-Revo­lu­ti­on (zumin­dest aus der Fer­ne einer Kind­heit in Deutsch­land) mit­be­kom­men hat – aber eigent­lich müss­te es auch ohne Vor­wis­sen und Nost­al­gie­kern lesens­wert sein. 

Chron­lo­gisch wei­ter zurück geht es in den ande­ren drei Roma­nen, die ich im März gele­sen habe. 

Emi­ly Wilde’s Com­pen­di­um of Lost Tales (2025) ist der drit­te Band von Hea­ther Faw­cetts Cozy-Fan­ta­sy-Rei­he rund um Emi­ly Wil­de, die in Cam­bridge die Welt der Feen­rei­che erforscht. In die­sem drit­ten Band, der mit dem Ende des Jah­res 1910 beginnt, folgt sie ihrem Part­ner Wen­dell Bam­ble­by in des­sen Feen-König­reich, Sil­va Lupi. Sein Ziel: den ver­wais­ten Thron ein­neh­men – ihr Ziel: eine Feld­stu­die über die Poli­tik der Feen­rei­che zu ver­fas­sen. Mit Nadel und Faden, enzy­klo­pä­di­schem Wis­sen über Mär­chen und Sagen und einer gehö­ri­gen Por­ti­on Stur­heit gelingt am Ende nicht nur das – auch dank einer Tür, die nach Irland führt. Es emp­fiehlt sich, die ers­ten bei­den Bän­de gele­sen zu haben, nicht zuletzt des­halb, weil eine gan­ze Rei­he Figu­ren wie­der auf­tau­chen. Dann hält das Com­pen­di­um, was es ver­spricht, und Hea­ther Faw­cett ent­führt eine*n in eine detail­rei­che und in sich bei allen Selt­sam­kei­ten kon­sis­ten­te Anders­welt. Die For­sche­rin Emi­ly Wil­de als Hel­din wider Wil­len eig­net sich dabei wun­der­bar als Identifikationsfigur.

Fast die glei­che Zeit, aber eine anders gear­te­te Abwei­chung von unse­rer Ver­gan­gen­heit fin­det sich in The Cau­tious Traveller’s Gui­de to The Was­te­lands (2024) von Sarah Brooks. Die­ser Roman spielt 1899 und zeich­net aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven (dem im Zug auf­ge­wach­se­nen Wai­sen­kind – dem Natur­for­scher – der ver­meint­li­chen jun­gen Wit­we) die Rei­se mit der trans­si­bi­ri­schen Eisen­bahn von Bei­jing nach Mos­kau nach – nur das Sibi­ri­en die sorg­sam mit einer Mau­er abge­schot­te­ten Was­te­lands sind, in denen jeff­van­der­meer­sche Trans­for­ma­tio­nen von sich gehen, Far­ben zu sehen sind, die nicht für das mensch­li­che Auge gemacht sind, Wesen inein­an­der über­ge­hen und man bes­ser nicht genau hin­sieht, weil die Was­te­lands zurück­schau­en. Nur der spe­zi­ell gesi­cher­te Zug der Com­pa­ny – mit sei­ner ers­ten und sei­ner drit­ten Klas­se, mit Vor­rä­ten für die lan­ge Rei­se, einer exqui­si­ten Küche und Stahl­bal­ken vor allen Fens­tern – schafft die­se Rei­se. Meis­tens jeden­falls. Brooks‘ Rei­se­be­richt ist zugleich die Geschich­te einer Trans­for­ma­ti­on, an des­sen Ende längst nicht mehr klar ist, was innen und außen ist. 

Und auch T. King­fi­shers What Moves The Dead (2022), noch stär­ker als der Traveller’s Gui­de eher Hor­ror als Fan­ta­sy, spielt in einem 19. Jahr­hun­dert, das da und dort unse­rem gleicht, dann aber doch wie­der ganz anders ist. So ist die erzäh­len­de Haupt­per­son – die einem düs­te­ren Geheim­nis auf die Spur kom­men muss – ein*e nonbinäre*r „sworn sol­dier“ ist, was mit der Tra­di­ti­on des klei­nen Lan­des Gal­la­cia begrün­det wird. Die Novel­le nimmt Moti­ve von Poes The Fall of the House of Usher auf, spielt mit die­sen und fügt eine Men­ge Pilz­kun­de und Natur­ge­schich­te hin­zu. Und Zom­bie-Hasen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die­se Art Buch mag, der Ton­fall der Erzähler*in war jeden­falls stim­mig und mach­te neu­gie­rig auf den Folgeband. 

Noch wei­ter zurück geht es dann in dem rund 700 Sei­ten umfas­sen­den neus­ten Werk von Ada Pal­mer. Inven­ting the Renais­sance: Myths of a Gol­den Age (2025) ist ein Sach­buch, oder viel­leicht auch ein sehr lan­ger Blog­post. Pal­mer schreibt hier (meis­tens) nicht als SF-Autorin, son­dern als Geschichts­pro­fes­so­rin und Exper­tin für die ita­lie­ni­sche Renais­sance. Der Fokus liegt dabei auf Flo­renz. Machia­vel­li tritt in die­sem Buch eben­so auf wie die Medi­cis – und in bei­den Fäl­len, wie auch in vie­len ande­ren in das Werk gefloch­te­nen Bio­gra­fien, legt Pal­mer sich bewusst nicht fest, wie deren Han­deln mora­lisch zu bewer­ten ist. Eigent­lich geht es Pal­mer um Ideen­ge­schich­te – wie ent­stand über­haupt das Pro­jekt Renais­sance, was hat es mit dem Huma­nis­mus auf sich, und wie weit las­sen sich „moder­ne“ Vor­stel­lun­gen im Flo­renz des 15. und 16. Jahr­hun­derts fin­den. Oder ist es über­haupt eine dum­me Idee, in die­ser fremd-ver­trau­ten Kul­tur nach Split­tern und Vor­for­men der Moder­ne zu suchen? Neben­bei wird deut­lich, wie sehr selbst die „Repu­blik“ Flo­renz nicht pro­to-demo­kra­tisch orga­ni­siert war, son­dern anhand von Patro­na­ge-Bezie­hun­gen und der Gunst mäch­ti­ger Per­so­nen – womit sich dann der Kreis zu die­sen Tagen schließt. 

Science Fiction und Fantasy im April 2024

School at night, Gundelfingen

Neben Kurz­ge­schich­ten habe ich im April eine Rei­he wirk­lich ein­drucks­vol­ler Roma­ne gele­sen. Ich fan­ge mal mit den Kurz­ge­schich­ten an:

Das war zum einen der Sam­mel­band Glass and Gar­dens: Solar­punk Sum­mers (2018), her­aus­ge­ge­ben von Sare­na Uli­bar­ri. Größ­ten­teils schö­ne Geschich­ten, aber so ganz warm wer­de ich mit dem Gen­re nicht. Die Mischung zwi­schen hof­fungs­voll und gemüt­lich einer­seits und punk ande­rer­seits ist … nicht ganz ein­fach. Und die eine oder ande­re Geschich­te ist mir dann schlicht zu wenig ambi­va­lent, zu naiv. Aber viel­leicht braucht’s das ab und an doch.

Dann habe ich von Nao­mi Krit­zer die Geschich­te „The Year Wit­hout Suns­hi­ne“ (2023) gele­sen. Auch irgend­wie Solar­punk, oder: was pas­siert, wenn ganz nor­ma­le Leu­te in einem ganz nor­ma­len Wohn­block etwas, das sich stark nach Apo­ka­lyp­se anfühlt, über­ste­hen müs­sen. Mehr will ich nicht ver­ra­ten, aber sehr schön gemacht. Und anders als erwart­bar. (Dar­auf­hin habe ich dann auch Krit­zers Sam­mel­band Gift of the Win­ter King and Other Sto­ries (2011) gele­sen und wur­de nicht ent­täuscht: auch hier vie­le ent­täusch­te Erwar­tun­gen und Din­ge, die anders sind, als sie anfangs schei­nen. Wer Kurz­ge­schich­ten mag, und Krit­zer noch nicht kennt, ist da gut aufgehoben). 

Dann wie ange­kün­digt, die Bücher. Emi­ly Wilde’s Map of the Other­lands (2024) von Hea­ther Faw­cett ist eine gelun­ge­ne Fort­set­zung des ers­ten Bands, die größ­ten Teils in den Schwei­zer Alpen – und teil­wei­se in Feen­rei­chen – spielt. Wild und gefähr­lich, aber nicht zu düs­ter, mit einem ordent­li­chen Schuss Roman­tik – und einem etwas abrup­ten Ende. Aber der drit­te Band ist schon für 2025 vorbereitet. 

Beein­druckt hat mich Caho­kia Jazz (2023) von Fran­cis Spuf­ford. Das ist auf den ers­ten Blick pures noir aus den 1920er Jah­ren, mit zwei her­un­ter­ge­kom­me­nen Poli­zis­ten, blu­ti­gen Ver­bre­chen, Ver­stri­ckun­gen zwi­schen Halb­welt und Indus­trie­bos­sen und so wei­ter. Die Haupt­per­son, Joe Bar­row, ist nicht nur Poli­zist, son­dern auch begna­de­ter Jazz-Pia­nist (mit düs­te­rer Kind­heit). Ach so, und er wird für tako­u­ma gehal­ten, spricht aber nur weni­ge Wor­te Anopa. Denn die Metro­po­le Caho­kia exis­tiert in unse­rer Rea­li­tät nicht. Sie liegt unge­fähr da, wo St. Lou­is am Mis­sis­sip­pi zu fin­den ist, und wird von tako­u­ma – den Abkömm­lin­gen der Nati­ve Ame­ri­cans, tak­lou­sa – Men­schen mit afri­ka­ni­scher Her­kunft – und euro­päi­schen taka­ta bewohnt. Anopa ist die lin­gua fran­ca die­ses indi­ge­nen Staa­tes, der gera­de dabei ist, Teil der Ver­ei­nig­ten Staa­ten zu wer­den. Die Mafia, der Klan und diver­se ande­re Akteu­re haben ein Inter­es­se dar­an, einen Vor­wand zu fin­den, die Macht in Caho­kia zu über­neh­men. Dass dort „Son­ne“ und „Mond“ fak­tisch wei­ter­hin die Macht haben, dass Land nicht ver­kauft, son­dern nur ver­pach­tet wird, dass hier Anopa gespro­chen wird und nicht Eng­lisch – all das ist die­sen Grup­pen ein Dorn im Auge. Und so wird aus dem Kri­mi ein Wett­lauf gegen die Zeit. Spuf­fords Alter­na­tiv­ge­schich­te ist trotz des 1920er-Noir-The­mas deut­lich les­ba­rer und stel­len­wei­se auch humor­vol­ler als Cha­b­ons The Yid­dish Policemen’s Uni­on. Das Set­ting ist nicht nur Set­ting, son­dern wird zum ori­gi­nä­ren Teil der Geschich­te, die nur hier mög­lich ist. 

Auch Rut­han­na Emrys Win­ter Tide (2017) spielt in einer alter­na­ti­ven Ver­si­on der Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Wir befin­den uns in den 1940er Jah­ren, der zwei­te Welt­krieg ist vor­bei. Neben Bürger*innen japa­ni­scher Abstam­mung waren auch die amphi­bi­schen Bewohner*innen von Inns­mouth (New Eng­land) der Ver­fol­gung und Inter­nie­rung aus­ge­setzt; nur die in den Oze­an ent­flo­he­nen „Deep Ones“ haben über­lebt – und Aphra, die Haupt­per­son die­ses Romans, sowie ihr Bru­der Caleb. Emrys stellt Love­crafts Cthul­hu-Mythos hier vom Kopf auf die Füße. Magie ist real; neben den uns bekann­ten Men­schen „der Lüf­te“ leben auch Was­ser- und Erd­men­schen, und über­haupt ist die­ser Teil unse­rer Geschich­te nur ein Bruch­teil der kos­mi­schen Geschich­te. Für Aphra ist Cthul­hu Teil ihrer Reli­gi­on. Gemein­sam mit einer unwahr­schein­li­chen Grup­pe von Held*innen macht sie sich auf die Suche nach den Über­res­ten ihrer Zivi­li­sa­ti­on, nach den in Inns­mouth geraub­ten Büchern und Über­lie­fe­run­gen. Emrys erzählt das mit viel Empa­thie, so dass deut­lich wird: der eigent­li­che Hor­ror sind nicht die „Mons­ter“ Love­crafts. (Sie­he dazu auch die­se Nicht-Bespre­chung durch Ada Pal­mer und, wo wir bei Kurz­ge­schich­ten sind, die­se hier – ganz ande­res Set­ting, aber ähn­li­ches Thema). 

Zu Walk the Vanis­hed Earth von Erin Swan (2022) habe ich mir „ver­stö­rend, sur­re­al, aber irgend­was stimmt mit der Mars-Gra­vi­ta­ti­on nicht“ notiert. Das Buch erstreckt sich von 1873 bis 2073 a la David Mit­chells Cloud Atlas über meh­re­re Gene­ra­tio­nen einer Fami­lie, beginnt – nicht, dass chro­no­lo­gisch erzählt wür­de – bei der Bison­jagd in der ame­ri­ka­ni­schen Prä­rie und endet mit Spa­zier­gän­gen auf der Mars-Ober­flä­che. Die Welt endet mehr­fach, es geht um Über­le­ben und das Sich-Durch­kämp­fen ambi­va­len­ter Cha­rak­te­re in tra­gi­schen Situa­tio­nen, um Mord, aber auch um gefun­de­ne und gewoll­te Gemein­schaf­ten und Wahl­fa­mi­li­en. Sehr phan­ta­sie­voll, stre­cken­wei­se sehr düs­ter, und nicht so leicht zu ertra­gen, aber immer inter­es­sant. Man­che Hand­lung folgt eher einer Traum­lo­gik, egal, ob in den 1970ern oder 2027. Ins­ge­samt eines der Bücher, das mich im April beein­druckt hat. 

Und auch The Deep Sky von Yume Kitas­ei (2023) ist durch­aus emp­feh­lens­wert. Das Motiv des Gene­ra­tio­nen­schiffs und der damit ver­bun­de­nen Kon­flik­te wird hier mal anders durch­ge­spielt. Non­bi­nä­rer Femi­nis­mus, vir­tu­el­le Wel­ten, eine frag­wür­di­ge Eli­te­aus­bil­dung und schwie­ri­ge Müt­ter-Töch­ter-Bezie­hun­gen kom­men eben­so vor wie Sabo­ta­ge und ein auf­zu­klä­ren­der Mord. Die Haupt­fi­gur Asuka hat japa­nisch-ame­ri­ka­ni­sche Wur­zeln und fühlt sich zwi­schen bei­den Wel­ten. Nicht nur des­halb geht es auch um Außen­sei­ter­tum und Fremd­heit. Also: ziem­lich viel, was in den Phoe­nix, wie hier das Gene­ra­tio­nen­schiff heißt, gepackt wur­de – und ein lesens­wer­tes Buch, das bis zuletzt span­nend bleibt.

Ange­schaut habe ich mir vor allem Seri­en – die fünf­te Staf­fel von Star Trek: Dis­co­very macht sich gut, und auch die ers­ten paar Fol­gen von Three Body Pro­blem hal­ten, was ver­spro­chen wur­de (auch wenn vie­les anders ist als im Buch). In Fall­out habe ich – ohne das Video­spiel zu ken­nen – mal rein­ge­schaut, weiß aber noch nicht, ob das was für mich ist – inter­es­san­tes Set­ting, aber dann doch arg blu­tig und zu viel post-apo­ka­lyp­ti­sche Gewalt und zu wenig All­tag im Fall­out-Shel­ter. Gese­hen habe ich außer­dem Dam­sel, eine recht gut gemach­te Umdre­hung der Rettet-die-Prinzessin-Geschichte. 

Science Fiction und Fantasy im Vorfrühling 2023 (Teil I)

Fairy lights

Die Lis­te der Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Wer­ke, die ich gele­sen bzw. ange­schaut habe, ist schon wie­der recht lang. Bevor sie noch län­ger wird, schrei­be ich mal lie­ber was dazu.

Ange­guckt habe ich mir v.a. Seri­en. Andor (Dis­ney+) spielt im Star-Wars-Uni­ver­sum, ist aber eigent­lich ein Film über prä­re­vo­lu­tio­nä­re Umstän­de und (proto-)faschistische Herr­schaft. Sehr gut gemacht und sehens­wert und ganz anders, als es das Label Star Wars ver­mu­ten hät­te las­sen. Ähn­li­ches gilt für den Ani­ma­ti­ons­film Guil­ler­mo del Toros Pinoc­chio (Net­flix), der nicht nur eine Umset­zung der Pinoc­chio-Geschich­te ist, son­dern die­se sehr detail­ge­treu ins faschis­ti­schen Ita­li­en der 1930er Jah­re ver­setzt. Auch das sehr gut gemacht.

Mehr Unter­hal­tung und weni­ger poli­ti­scher Kom­men­tar dage­gen die bei­den Star-Trek-Seri­en, die ich ange­schaut habe bzw. noch anschaue: Stran­ge New Worlds (Para­mount+ – habe sie über ein Prime-Pro­bier-Ange­bot ange­schaut, bin aber immer noch genervt davon, dass Star Trek auf ein eige­nen Strea­ming-Kanal wan­dert …) – also, Stran­ge New Worlds ist ein biss­chen Zurück zu den Wur­zeln, eine zeit­ge­mä­ße Neu­auf­la­ge von TOS, mit ähn­li­ches Ästhe­tik, abge­schlos­se­nen Geschich­ten und einem Ver­zicht auf die Düs­ter­nis­von DS9 oder Dis­co­very. Die drit­te Staf­fel von Picard (Prime) holt mehr oder weni­ger alle TNG-Stars plus Seven ins Boot, bleibt in einem Set­ting, in dem die Fede­ra­ti­on kor­rupt gewor­den ist, und setzt auf eine über­grei­fen­de Geschich­te, mys­te­riö­se Rät­sel und Ver­wick­lun­gen und einen über­aus mäch­ti­gen Gegen­spie­ler. Funk­tio­niert trotz­dem bes­ser als die zwei­te Staf­fel, wür­de ich sagen.

Ange­schaut habe ich mir auch die zwei­te Staf­fel von Shadow & Bone (Net­flix) – sie spielt in einer Welt, die unse­rer recht ähn­lich ist, irgend­wo zwi­schen frü­her Neu­zeit und Früh­mo­der­ne, nur dass es hier Magie gibt, die bekämpft, als Waf­fe ein­ge­setzt, ver­heim­licht oder ganz offen gelebt wird, je nach kul­tu­rel­lem Set­ting. Die zugrun­de­lie­gen­den Bücher von Leigh Bard­u­go lau­fen unter „Young Adult“ – und, naja, neben dem Kampf zwi­schen Gut und Böse und inter­es­san­tem Wel­ten­buil­ding usw. ist halt auf­fäl­lig, dass so gut wie alle Per­so­nen (auch, wenn sie hun­der­te Jah­re alt sind) von hüb­schen Mitt­zwan­zi­gern gespielt werden. 

Gele­sen habe ich auch eini­ges, neben SF und Fan­ta­sy auch den his­to­ri­schen Roman Mon­tai­gnes Kat­ze von Nils Mink­mar (2022) – jetzt weiß ich sehr viel mehr über Mon­tai­gne und über Frank­reich und Euro­pa in den 1580er Jah­ren, von Mink­mar leben­dig erzählt – und das Sach­buch Im Mit­tel­al­ter: Hand­buch für Zeit­rei­sen­de von Ian Mor­ti­mer (2008), das aus­führ­lich und les­bar auf All­tags­le­ben, Gebräu­che, Ernäh­rung, Klei­dung, Gewalt und Kul­tur im Eng­land des 14. Jahr­hun­derts ein­geht, und es schafft, die Fremd­heit unse­rer Ver­gan­gen­heit anschau­lich zu machen.

In Fol­gen­den geht es mir um die Fan­ta­sy-Bücher, die ich gele­sen habe – zum The­ma Sci­ence Fic­tion kom­me ich dann in einem zwei­ten Teil.

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