Das Dilemma der Konservativen

Foggy morning, Esslingen - VII

Klar stärks­te Par­tei in den Umfra­gen, inner­par­tei­lich halb­wegs geschlos­sen, in der Regie­rung in x Bun­des­län­dern, im Bund in har­ter Abgren­zung zur Bun­des­re­gie­rung „Oppo­si­ti­ons­füh­rer“ … eigent­lich müss­te die CDU vor Kraft kaum lau­fen kön­nen. Für die CSU gilt das erst recht, aber da ist’s immer so, inso­fern, blei­ben wir mal bei der CDU. Denn trotz die­ser Lage erweckt die CDU bei mir eher den Ein­druck, dass sie gera­de nicht so rich­tig weiß, in wel­che Rich­tung sie eigent­lich gehen will. Des­we­gen bin ich über­zeugt davon, dass die­ser Höhen­flug nicht von Dau­er sein wird.

Das fängt bei den Koali­ti­ons­op­tio­nen an. In eini­gen Län­dern gibt es erfolg­rei­che Koali­tio­nen zwi­schen CDU und Grü­nen (und ja, ich wür­de nicht nur Schles­wig-Hol­stein und NRW dazu zäh­len, son­dern auch Baden-Würt­tem­berg). Trotz­dem scheint die wich­tigs­te Fra­ge zu sein, sich nur ja von einem ver­meint­li­chen grü­nen Zeit­geist abzu­gren­zen. Und dazu gehört es dann auch – Stich­wort Kret­schmer – den Ein­druck zu erwe­cken, auf kei­nen Fall mit Grü­nen koalie­ren zu wol­len. Oder – sie­he Hes­sen, sie­he Ber­lin – mit faden­schei­ni­gen Begrün­dun­gen auf jeden Fall mit der SPD zu koalie­ren, Kos­ten egal.

In gewis­ser Wei­se ist die Geräusch­lo­sig­keit der Zusam­men­ar­beit in NRW und Schles­wig-Hol­stein (und ja, auch in Baden-Würt­tem­berg) für die CDU ein Pro­blem. Jeden­falls dann, wenn die The­se stimmt, dass ein erheb­li­cher Teil der Wähler*innen sol­che „in der Mit­te“ sind, auf die bei­de abzie­len. Mit­te stell‘ ich mir hier sozio­de­mo­gra­fisch vor, also höhe­re Bil­dung, geho­be­nes Ein­kom­men, aber nicht Ober­schicht. Das, was mal „bür­ger­lich“ hieß. In der Wunschwelt der Kon­ser­va­ti­ven wählt die­ses Milieu CDU und denkt über­haupt nicht dar­über nach, anders zu wäh­len. Des­we­gen steckt die Uni­on so viel Ener­gie dar­ein, Grü­ne als Haupt­geg­ner zu brand­mar­ken und – gegen jede Fak­ten­la­ge – zu behaup­ten, dass eine poli­ti­sche grü­ne Hal­tung und eine bür­ger­li­che Milieu­ver­an­ke­rung nicht zusam­men passen.

Ruhig und unauf­ge­regt als CDU mit Grü­nen zusam­men zu regie­ren, macht eine sol­che Erzäh­lung dann halt ziem­lich unglaubwürdig.

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Gemeinderatswahlen 2024 im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Update 20.05.2024: Inzwi­schen lie­gen für fast alle Gemein­den amt­li­che Infos vor, dabei gab es noch eini­ge Ände­run­gen im Ver­gleich zum bis­he­ri­gen Stand. Ins­be­son­de­re wur­de die AfD-Lis­te in Stau­fen ergänzt. Zudem habe ich die „Bür­ger­lis­te Feld­berg“ und „Natür­lich Witt­nau“ unter grün-nahe Lis­ten mit auf­ge­führt, da dies auch der Kreis­ver­band der Grü­nen tut.

Update 21.05.2024: LUST Got­ten­heim und der Sozi­al­öko­lo­gi­sche Wan­del Kirch­zar­ten wer­den von der LINKEN als Lis­ten geführt, das habe ich ent­spre­chend angepasst.

Ergän­zend zum Blick auf die Kandidat*innen für die Kreis­tags­wahl habe ich mir auch mal ange­schaut, wel­che Lis­ten und Par­tei­en in den fünf­zig Kreis­ge­mein­den des Land­krei­ses Breis­gau-Hoch­schwarz­wald zur Wahl antreten. 

Vor­ne­weg: es ist gar nicht so ein­fach, aus den Web­sites der Gemein­den – immer­hin hat jede Gemein­de eine – die­se Infor­ma­tio­nen zu fin­den. Man­che ver­öf­fent­li­chen direkt auf der Start­sei­te der Web­site einen Link auf die amt­li­che Bekannt­ma­chung der Lis­ten (als PDF). Die­se sind teil­wei­se so for­ma­tiert, dass gar nicht so ein­fach zu erken­nen ist, wo die eine Lis­te (samt Ort­schafts-Teil­lis­ten) auf­hört und wo die nächs­te beginnt. Man­che ver­ste­cken die­se Bekannt­ma­chung irgend­wo unter „Amt­li­che Bekannt­ma­chun­gen“. Der Menü­punkt „Gemein­de­rats­wahl“ führt meis­tens ent­we­der zu den Ergeb­nis­sen der Wahl von 2019 oder auf all­ge­mei­ne Infos aus der Ser­vice-BW-Platt­form oder von der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung. Ande­re Gemein­den wie­der­um haben auf der Web­site kei­ne Infos zu den Wahl­vor­schlä­gen, dafür sind die­se in einer der letz­ten Aus­ga­ben des jewei­li­gen Amts­blatts – die als PDF zum Down­load ange­bo­ten wer­den – zu fin­den. Und in eini­gen Gemein­den habe ich bis heu­te nichts gefun­den, und muss­te mir die Infos, wer eigent­lich kan­di­diert aus der BZ etc. zusammensuchen. 

Inso­fern: kei­ne Garan­tie, dass das alles stimmt, was hier berich­tet wird. Das trifft im Übri­gen auch auf die Lis­ten­zu­ord­nung zu – ob jede „grü­ne Lis­te“ eine GRÜNE Lis­te im Sin­ne einer offi­zi­el­len Par­tei­ver­bin­dung ist, weiß ich nicht, und ob nicht die eine oder ande­re Bür­ger­lis­te eher SPD-nah oder grün-nah ist, auch nicht. Ich habe mich jetzt hier an den Lis­ten­be­zeich­nun­gen orientiert.

Und: ein biss­chen mehr Wer­bung für die Wah­len zu den Gemein­de­rä­ten wür­de ich mir von den Gemein­den im Land­kreis schon erwar­ten! (Klei­ner Trost: baden-würt­tem­berg-weit sieht es eher schlech­ter aus – ich hat­te mal bei den gro­ßen Kreis­städ­ten begon­nen, zu gucken, wo über­all die AfD antritt, und bin dann wenig fün­dig geworden …).

Mei­ne Roh­da­ten fin­den sich im Tab „gemein­den-lis­ten“ die­ser Tabel­le – ggf. ergän­ze ich die­se auch noch. Da, wo die Daten frag­wür­dig sind, habe ich Kom­men­ta­re angefügt.

Ins­ge­samt habe ich für die fünf­zig Gemein­den im Land­kreis 175 176 Lis­ten gefun­den. Dabei gibt es sechs Gemein­den, in denen nur eine Ein­heits­lis­te antritt, und wei­te­re sie­ben Gemein­den, in denen es zwar mehr als eine Lis­te gibt, in denen aber kei­ne ein­zi­ge als sol­che kennt­li­che Parteiliste/parteinahe Lis­te zur Wahl antritt (da gibt es dann die Neue Lis­te, die gegen die Unab­hän­gi­gen Bür­ger oder die Frau­en­lis­te zu Wahl steht). Nur in einer Gemein­de zwei Gemein­den (Got­ten­heim und Stau­fen) habe ich sechs und eben­falls nur in einer Gemein­de (Brei­sach) sie­ben Lis­ten gefun­den. Wenn nur eine Lis­te kan­di­diert, gilt im übri­gen laut Kom­mu­nal­wahl­recht Mehr­heits­wahl, mit dem Neben­ef­fekt, dass (theo­re­tisch) auch Men­schen, die gar nicht auf der Lis­te ste­hen, in den Gemein­de­rat gewählt wer­den kön­nen, da die Bin­dung an die Lis­te dann entfällt. 

Über den Land­kreis ver­teilt sieht die Anzahl der antre­ten­den Lis­ten so aus:


Auf­fäl­lig ist hier der Ein­par­tei­en­strei­fen an der Flan­ke des Schwarz­walds, der sich vom Glot­ter­tal bis Hin­ter­zar­ten hoch­zieht. Die grö­ße­ren Gemein­den und die Gemeinden/Städte rund um Frei­burg sind dage­gen eher durch eine grö­ße­re Zahl an Lis­ten gekennzeichnet.

Wenn nun die ein­zel­nen Lis­ten ange­schaut wer­den (wobei „Bür­ger­lis­ten“ bzw. „Freie Lis­ten“ ein ziem­lich brei­tes Feld umfasst), ergibt sich zunächst ein­mal fol­gen­des Bild:


Die meis­ten Lis­ten (mehr als fünf­zig, da in ein­zel­nen Gemein­den meh­re­re Bürgerlisten/freie Lis­ten gegen­ein­an­der antre­ten) ent­fal­len auf Freie Lis­ten. CDU und Freie Wäh­ler sind etwas häu­fi­ger ver­tre­ten als SPD bzw. GRÜNE und grün-nahe Lis­ten. FDP, AfD (zwei drei Lis­ten) und LINKE (ein ein­zel­ner Ein­zel­be­wer­ber ein Ein­zel­be­wer­ber und zwei erst auf den zwei­ten Blick als LINKE erkenn­ba­re Lis­ten) tre­ten dage­gen nur in ganz weni­gen Gemein­den an. Wei­te­re Par­tei­en, die als Par­tei antre­ten, habe ich nicht wahrgenommen. 

An die­ser Stel­le viel­leicht der Hin­weis, dass auch auf den Parteilisten/parteinahen Lis­ten erfah­rungs­ge­mäß eine gro­ße Zahl an Par­tei­lo­sen antritt. Inso­fern gibt das Dia­gramm bzgl. der Mobi­li­sie­rungs­stär­ke nur eine Ten­denz wieder.

Ins­ge­samt sind es mehr als 2200 Men­schen, die auf den ein­zel­nen Lis­ten antre­ten. Die genaue Zahl kann ich auf­grund der ein­gangs beschrie­be­nen Daten­pro­ble­ma­tik nicht sagen, da mir min­des­tens für zwei Lis­ten wei­te­re Infor­ma­tio­nen feh­len. Das sind einer­seits ziem­lich vie­le Men­schen, ande­rer­seits gemes­sen an rund 270.000 Einwohner*innen im Land­kreis dann doch gar nicht so vie­le. näm­lich nur rund 0,8 Pro­zent aller Men­schen im Land­kreis. Selbst wenn die Tat­sa­che berück­sich­tigt wird, dass es ein Min­dest­al­ter gibt und dass nur deut­sche Staatsbürger*innen bzw. Unionsbürger*innen kan­di­die­ren kön­nen, ist es nur ein klei­ner Pro­zent­satz, der bereit ist, aktiv in die Gemein­de­rä­te zu gehen. 

Dazu passt, das eine gan­ze Rei­he von Lis­ten nicht gefüllt sind – dies betrifft ins­be­son­de­re die Orte, in denen es Teil­orts­wah­len gibt. 

Ins­ge­samt ver­tei­len sich die­se rund 2200 Men­schen wie folgt auf die Listen:


Das Bild ist hier ähn­lich: nur die Hälf­te der Bewerber*innen steht auf Par­tei­lis­ten, ein Drit­tel ent­fällt auf Bürgerlisten/Freie Lis­ten, ein wei­te­res Sechs­tel auf die Frei­en Wäh­ler. Bei den Par­tei­en liegt die CDU in der Mobi­li­sie­rung deut­lich vor GRÜNEN und SPD, alle ande­ren Par­tei­en sind in die­ser Hin­sicht nicht relevant.

Posi­tiv betrach­tet: auch wenn die AfD bei den Kreis­tags­wah­len antritt, so ist sie doch bei den Gemein­de­rats­wah­len im Land­kreis eine ver­nach­läs­sig­ba­re Grö­ße. Dies gilt erst recht für „die Basis“ oder ande­re Lis­ten. Wohin die eine oder ande­re unab­hän­gi­ge Lis­te ten­diert, lässt sich ohne genaue­re Orts­kennt­nis nicht sagen. 

Kreistagswahl im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald: Wer tritt an?

Bei der Gemein­de­rats­wahl in Gun­del­fin­gen wer­den die Stimm­zet­tel ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach aus­se­hen, mal abge­se­hen davon, dass Stimm­zet­tel für Kom­mu­nal­wah­len, die ja die Mög­lich­keit geben, zu kumu­lie­ren und zu pana­schie­ren, nie ganz ein­fach sind. Jeden­falls tre­ten in Gun­del­fin­gen die vier Par­tei­en bzw. Wäh­ler­ver­ei­ni­gun­gen an, die auch jetzt im Gemein­de­rat sit­zen, und jede davon mit einer vol­len Lis­te mit 22 Per­so­nen (der aktu­el­len Frak­ti­ons­grö­ße nach: FW, GRÜNE, SPD, CDU). 

Etwas kom­pli­zier­ter ist die Lage bei der Kreis­tags­wahl. Das Land­rats­amt hat jetzt die zuge­las­se­nen Wahl­vor­schlä­ge ver­öf­fent­licht. Über den gan­zen Kreis betrach­tet sind es hier neun Lis­ten, die antre­ten: CDU, FW, GRÜNE, SPD tre­ten in allen Wahl­krei­sen mit (weit­ge­hend) vol­len Lis­ten an. Vol­le Lis­te heißt bei der Kreis­tags­wahl: ein­ein­halb­mal so vie­le Kandidat*innen wie Plät­ze im jewei­li­gen Wahl­kreis zu ver­ge­ben sind. FDP, Lin­ke Lis­te (LISB), AfD, ÖDP und „Basis“ tre­ten hin­ge­gen nur in eini­gen Wahl­krei­sen oder nur mit weni­gen Kandidat*innen an. Auf­fäl­lig ist zudem der hohe Anteil an „wahl­kreis­frem­den“ Bewerber*innen bei LISB und AfD. 

Beson­ders kuri­os ist dies­be­züg­lich die ver­schwö­rungs­ori­en­tier­te Kleinst­par­tei „Basis“ – die­se hat­te zwar z.B. im Gun­del­fin­ger Amts­blatt groß ihren Antritt bei der Kreis­tags­wahl ver­kün­det. Wähl­bar ist sie aller­dings nur im Wahl­kreis 5 Bad Kro­zin­gen – und dort mit zwei Kan­di­da­ten aus Titi­see-Neu­stadt und zwei aus Gun­del­fin­gen an, also kei­ner Per­son aus dem Wahl­kreis selbst. Auch die ÖDP tritt nur im Wahl­kreis 5 an – ver­mut­lich, weil hier rela­tiv vie­le Sit­ze zu ver­ge­ben sind. 

Bei der AfD fällt auf, dass deren – meist sehr kur­zen Lis­ten – sehr oft Per­so­nen ent­hal­ten, die nicht aus dem jewei­li­gen Wahl­kreis kom­men. Gleich­zei­tig tritt die AfD in allen Wahl­krei­sen an. In fast allen Wahl­krei­sen hät­te sie auch Per­so­nen aus dem jewei­li­gen Wahl­kreis auf­stel­len kön­nen, hat sie aber nicht getan, son­dern die jeweils „ver­scho­ben“. Inter­es­san­te Tak­tik – soll bloß nie­mand näher wis­sen, wer das ist?

Tabel­la­risch zusam­men­ge­fasst sieht das alles so aus, wenn ich nichts über­se­hen habe (mei­ne kom­plet­te Tabel­le dazu):

Lis­te Sit­ze
2019
Kan­did.
2019
Kan­did.
2024
Anteil
Frau­en
Anteil
WK-extern
Anzahl
Lis­ten
CDU 20 87 83 24% 1% 10
FW 15 77 76 24% 0% 10
GRÜNE 14 86 85 46% 4% 10
SPD 9 86 87 33% 3% 10
FDP 4 66 34 15% 0% 6
AfD 3 28 23 30% 52% 10
Lin­ke Liste 1 12 21 38% 52% 10
Basis - - 4 0% 100% 1
ÖDP - - 2 0% 50% 1
Sum­me 66 442 415 30% 8%

* Die Sit­ze 2019 umfas­sen auch sechs Ausgleichssitze.

Was ich mir nicht ange­schaut habe, was aber theo­re­tisch auf Grund­la­ge der im oben ver­link­ten PDF auch mög­lich wäre, wäre ein Blick auf die kon­kre­ten Wohn­or­te im jewei­li­gen Wahl­kreis (teil­wei­se ballt sich das ziem­lich in ein­zel­nen Gemein­den je Lis­te …), auf das Alter – neben ein­zel­nen Schüler*innen, auch vie­le Rentner*innen, Geburts­jahr­gän­gen also zwi­schen 1943 und 2006 – und auf die Berufe.

Zumin­dest die Zahl der (ehe­ma­li­gen) Bürgermeister*innen habe ich aus­ge­zählt, dass sind bei der CDU, wenn ich mich nicht ver­zählt habe, 24 Pro­zent der Kandidat*innen, bei den FW 20 Pro­zent, bei der FDP sechs Pro­zent, bei der SPD drei Pro­zent und bei den GRÜNEN ein Kandidat. 

P.S.: Dann doch ein klei­nes Pro­gramm geschrie­ben, um das PDF des Land­rats­amts in ein maschi­nen­les­ba­res For­mat umzu­wan­deln. Das Ergeb­nis fin­det sich hier. Und dank der Spal­ten­sta­tis­tik-Funk­ti­on von Goog­le kann ich damit jetzt auch mit­tei­len, dass der Medi­an­wert beim Alter der Jahr­gang 1968 (Durch­schnitt: 1970) ist, dass Bürgermeister*in und Rentner*in die häu­figs­ten Beru­fe sind und dass die meis­ten Bewerber*innen aus Müll­heim, Bad Kro­zin­gen und Brei­sach kom­men. Und die häu­figs­ten Vor­na­men sind – ganz wie zu erwar­ten – Tho­mas, Micha­el und Jürgen.

P.P.S.: Der Web­site des Land­krei­ses ent­neh­me ich, dass im Wahl­kreis 9 Lenz­kirch eine AfD-Bewer­be­rin gestri­chen wur­de. Hin­ter­grün­de dazu sind mir aller­dings nicht bekannt.

Auf dem Weg zur Kommunalwahl

Buschwindröschen II

Am 9. Juni 2024 fin­det in Baden-Würt­tem­berg nicht nur die Euro­pa­wahl statt, son­dern auch die Kom­mu­nal­wahl in den Gemein­den, Stadt- und Land­krei­sen. Und wie jede Wahl, so hat auch die­se einen Vor­lauf. Bereits im Som­mer letz­ten Jah­res haben wir in Gun­del­fin­gen begon­nen, uns zwi­schen Orts­vor­stand und aktu­el­ler Frak­ti­on Gedan­ken dar­über zu machen, wer für die Lis­te ange­fragt wer­den kann. 

Als Gemein­de mit 12.000 Einwohner*innen besteht der Gun­del­fin­ger Gemein­de­rat aus 22 Plät­zen, eine Teil­orts­wahl gibt es glück­li­cher­wei­se nicht mehr. Das heißt auch: 22 Leu­te zu fin­den, die bereit sind, mit ihrer Per­son für die grü­ne Sache in die Öffent­lich­keit zu gehen. Die Lis­te haben wir dann am 30. Novem­ber 2023 gewählt, zudem zwei Ersatzkandidat*innen. Wie bei jeder grü­nen Lis­te gilt das Frau­en­sta­tut, d.h. jeder zwei­te Platz (1, 3, 5, …) ist für eine Frau reser­viert. Her­aus­ge­kom­men ist eine bun­te Mischung aus Men­schen, die lan­ge für die grü­ne Sache aktiv sind und einer gan­zen Rei­he neu­er Gesich­ter, aus Par­tei­mit­glie­dern und Sympathisant*innen, die – zum Teil in ande­ren Grup­pen wie etwa Foodsha­ring oder Flücht­lings­hel­fer­kreis aktiv – bereit waren, auf unse­re Lis­te zu gehen. Die Lis­te umfasst ein Alters­spek­trum von 18 bis 80 Jah­re (und ganz schön vie­le Akademiker*innen …).

Ein paar Tage spä­ter, am 7. Dezem­ber 2023 haben wir dann noch unse­re sechs Kandidat*innen für den Wahl­kreis Gun­del­fin­gen (mit Glot­ter­tal, St. Peter und Heu­wei­ler) für die Kreis­tags­wahl nomi­niert. Der Kreis­tag hat ins­ge­samt 60 Kreisrät*innen, die in zwölf Wahl­krei­sen gewählt wer­den – Gun­del­fin­gen ist mit vier Man­da­ten einer der kleins­ten Wahlkreise. 

Par­al­lel zur Suche nach Kandidat*innen haben wir uns über­legt, was The­men für unser Wahl­pro­gramm sein könn­ten. Dazu fand im Okto­ber 2023 ein ers­ter Work­shop statt, auf dem Ideen gesam­melt wur­den. In meh­re­ren Ite­ra­tio­nen ent­stand dar­aus ein Wahl­pro­gramm, das in sei­ner fina­len Form am 14. März 2024 beschlos­sen wur­de. Natür­lich gibt es ein paar Dau­er­bren­ner­the­men, die in jedem grü­nen Wahl­pro­gramm für Gun­del­fin­gen auf­tau­chen – etwa die Ver­kehrs­si­tua­ti­on. Ver­stärkt in den Blick rücken mit dem dies­jäh­ri­gen Pro­gramm sozia­le Fra­gen und – auch moti­viert durch die Demons­tra­tio­nen in den ers­ten Mona­ten des Jah­res – das The­ma Demo­kra­tie und Betei­li­gung. Gleich­zei­tig wur­de in der Debat­te um das Pro­gramm deut­lich, dass es vie­le The­men gibt, die nur bedingt oder gar nicht in kom­mu­na­ler Zustän­dig­keit lie­gen. Gemein­den haben in Baden-Würt­tem­berg eine star­ke Stel­lung, aber vie­les wird doch auf ande­ren Ebe­nen entschieden.

Mit Lis­te und Pro­gramm steht jetzt der Wahl­kampf bevor. Ab Mit­te April darf in Gun­del­fin­gen pla­ka­tiert wer­den und sind Info­stän­de mög­lich. Bei­des wer­den wir natür­lich nut­zen. Hin­zu kommt die Öffent­lich­keit in sozia­len Medi­en als wei­te­res Feld. Für den Wahl­kampf lau­fen aktu­ell die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen – der Kreis­ver­band hat beim Lan­des­ver­band Pla­ka­te und Mate­ria­li­en für Info­stän­de bestellt, es gibt Fotos der Kandidat*innen, und ich bin gera­de dabei, unser Pro­gramm und unse­re Lis­te in eine Form zu brin­gen, die dann ver­teilt und bewor­ben wer­den kann. Hilf­reich dafür sind Lay­out­vor­ga­ben und ‑ele­men­te, die der Lan­des­ver­band im Rah­men der Kam­pa­gne „Dafür sind wir hier.“ bereit stellt, und die dann an loka­le Gege­ben­hei­ten ange­passt wer­den kön­nen. Nicht zuletzt heißt Wahl­kampf auch, zu orga­ni­sie­ren, wer was in die Hand nimmt, wer wann am Stand steht und wel­che wei­te­ren Aktio­nen sinn­voll sind, um für unser Pro­gramm und unse­re Lis­te zu werben.

Span­nend bleibt jetzt, wie eigent­lich das Umfeld aus­sieht, in dem wir um Stim­men wer­ben. Mit sechs Plät­zen stel­len wir der­zeit die zweit­größ­te Frak­ti­on nach den Frei­en Wäh­lern; außer­dem sind SPD und CDU im Gemein­de­rat ver­tre­ten. All die­se Grup­pie­run­gen tre­ten wie­der an – über wei­te­re Lis­ten etwa aus dem ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Milieu gibt es bis­her nur Gerüch­te. Ges­tern war die Dead­line für die Ein­rei­chung von Lis­ten­vor­schlä­gen, es dürf­te also in Kür­ze klar sein, auf wen die Bürger*innen Gun­del­fin­gens am 9. Juni ihre Stim­men ver­tei­len kön­nen. Bis dahin haben wir als Orts­ver­band noch eini­ges zu tun – auch das gehört zu geleb­ter Demo­kra­tie dazu. 

Proteste und Proteste

Die Pro­tes­te für Demo­kra­tie und gegen Rechts gehen wei­ter – ges­tern gin­gen bei­spiels­wei­se in mei­nem Hei­mat­ort Gun­del­fin­gen rund 2000 Leu­te auf die Stra­ße, um gemein­sam für Viel­falt, für die Men­schen­rech­te und die Men­schen­wür­de und gegen Rechts­extre­mis­mus zu demons­trie­ren. Es hat mich gefreut, dass das in unse­rer manch­mal doch beschau­li­chen Gemein­de Kon­sens ist. Und auch wenn die Demo und Kund­ge­bung bür­ger­li­cher geprägt war als die gro­ßen Demons­tra­tio­nen in Frei­burg, und der eine oder ande­re es nicht las­sen konn­te, auch ein Abgren­zung von „Stra­ßen­blo­ckie­rern“ mit unter zu brin­gen: unterm Strich stimmt die Botschaft.

Auch ganz ande­re Pro­tes­te fan­den in den letz­ten Tagen statt. Egal, wo Grü­ne eine Ver­an­stal­tung machen – Trak­to­ren sind auch schon da. War­um das so ist, ist mir nicht ganz klar, vor allem: war­um das nur bei uns so ist, und ande­re Par­tei­en „ver­schont“ wer­den, etwa die Uni­on, die über Jahr­zehn­te die Land­wirt­schafts­po­li­tik gestal­tet hat, oder SPD und FDP, die ja maß­geb­lich die Haus­halts­kür­zun­gen mit zu ver­ant­wor­ten haben, Stich­wort „kei­ne Abkehr von der Schul­den­brem­se“. Mir ist ehr­lich gesagt auch nicht so ganz klar, was die Landwirt*innen eigent­lich errei­chen wol­len. Die schwie­ri­ge Lage der Bran­che ist bekannt. Um den Agrar­die­sel scheint es längst nicht mehr zu gehen. Wenn kon­kre­tes genannt wer­den soll, kommt dann oft ein Pot­pour­ri von „Ampel muss weg“ bis „Bür­ger­geld abschaf­fen“. Und da wird dann auch deut­lich, wie groß der Ein­fluss rech­ter bis ver­schwö­rungs­theo­re­ti­scher Kanä­le auf die Bau­ern­pro­tes­te inzwi­schen ist. 

Am Ascher­mitt­woch wur­de das dann noch ein­mal deut­li­cher. Ich war selbst nicht dabei, aber die Lage beim grü­nen poli­ti­schen Ascher­mitt­woch in Biber­ach muss wohl schlimm gewe­sen sein. Neben einer lau­ten, inhalt­lich grenz­wer­ti­gen, aber noch im Rah­men befind­li­chen Bau­ern­de­mo gab es dort Pro­tes­te vor der Hal­le, die auf Auf­ru­fe in Whats­App- und Tele­gram-Grup­pen zurück­gin­gen, und zu denen sich nie­mand so rich­tig beken­nen woll­te. Berich­tet wur­de mir von bren­nen­den Stroh­bal­len, von Men­schen mit Motor­sä­gen her­um­fuch­tel­ten, von Pla­ka­ten, die Grü­ne mit Unkraut gleich­setz­ten, und von einer Stim­mung, in der ein demo­kra­ti­scher Dia­log nicht mehr mög­lich war. In Abstim­mung mit der Poli­zei wur­de der poli­ti­sche Ascher­mitt­woch dann abge­sagt, weil die Sicher­heit der Teil­neh­men­den nicht zu gewähr­leis­ten war.

Soweit, so schlecht. Was mich aber noch mehr scho­ckiert hat als eine Poli­zei, die wohl kur­sie­ren­de Tele­gram-Auf­ru­fe nicht rich­tig ein­schät­zen konn­te, war die Hal­tung ins­be­son­de­re der Uni­on danach – zusam­men­ge­fasst war das, bis hin zum für die Poli­zei in Baden-Würt­tem­berg zustän­di­gen Innen­mi­nis­ter, oft ein „die Grü­nen sind selbst schuld, wenn die Ampel …“. Bei allem Ver­ständ­nis für har­te poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen, und um den Bogen zu den gro­ßen Kund­ge­bun­gen für die Demo­kra­tie zu schla­gen: eine sol­che Hal­tung mag kurz­fris­tig zu Gelän­de­ge­win­nen bei­tra­gen. Lang­fris­tig macht die­se feh­len­de Empa­thie und feh­len­de Soli­da­ri­tät unter Demokrat*innen unse­re Demo­kra­tie kaputt. Wenn alles nur noch Skan­dal ist, wenn jeder Feh­ler gleich aus­ge­nutzt wird, wenn Spra­che tag­ein tag­aus in har­te Ban­da­gen gepackt wird – dann hat die AfD ein leich­tes Spiel, weil das ihr Spiel ist. Und dar­auf soll­te sich nie­mand ein­las­sen. Weder pro­tes­tie­ren­de Berufs­grup­pen noch Par­tei­en, die mit­ein­an­der koali­ti­ons­fä­hig blei­ben wollen.