Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist nicht nur altehrwürdig, sondern schuld daran, dass ich meiner Arbeit nicht so nachgehen kann, wie ich das eigentlich gerne würde. Und außerdem streikt sie ziemlich gerne, wenn der verlinkte Wikipedia-Eintrag stimmt. Dabei geht es allerdings, sofern ich diverse Presseberichte richtig verstehe, bei diesem Streik nicht nur um mehr Geld (ob das angemessen ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen), sondern auch um die Frage, welche Gewerkschaft für welchen Teil des Bahnpersonals zuständig ist.
Kurz: Qual der Sozialwahl
Wieder Sozialwahl. Wieder doch gewählt. Aber mit Bauchweh. Weil ich eigentlich nicht so genau weiß, wen ich da für was gewählt habe. Mein Vorschlag: Statt Unmengen an Geld in inhaltslose Werbekampagnen zu stecken, braucht’s mehr Transparenz*, klare Unterscheidungsmöglichkeiten** und dementsprechend auch tatsächlichen inhaltlichen Einfluss***. Dann wird schon gewählt werden. Ein Gesundheitsminister z.B. der FDP könnte sich da wunderbar als Bürgerbeteiligungsminister profilieren. Allerdings bezweifle ich, dass das auf der FDP-Agenda steht.
Wer trotzdem wählen will: jetzt den Wahlbrief in den Briefkasten werfen!
Discounter und ihre Kosten (Update)
Seit ein paar Tagen wird darüber diskutiert, dass die Discounter-Kette Lidl Beschäftigte übelst ausspioniert hat – die Debatte schlägt weite Kreise, im bürgerrechtlich-datenschützerischen Umfeld kursiert schon ein Vorschlag für ein neues Firmenlogo. Dass der privatwirtschaftliche Big-Brother-Trieb dem staatlichen in nichts nachsteht, ist so neu nun allerdings auch wieder nicht. Und während die mit Payback-Karte zahlenden KundInnen das zumindest freiwillig tun, geht die intime Überwachung von relativ wehrlosen – Betriebsräte und so’n Zeug mögen die Discounter, wenn ich das so pauschal sagen darf, ja auch nicht – abhängig Beschäftigten in ihrer Verwerflichkeit noch um einiges über das sonstige Gebaren hinaus. Um es klar zu sagen: die Arbeitsbedingungen bei Discountern sind einer der Gründe, warum ich versuche, zu vermeiden, dort einzukaufen. Und das gilt eben nicht nur für Lidl, sondern für alle, die in diese Preisklasse hinabreichen.
Julia Seeliger weist nun darauf hin, dass unsere Bundestagsabgeordnete – und wirtschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion – Kerstin Andreae einen Vier-Wochen-Boykott von Lidl fordert. Und Julia hat völlig recht damit, dieses zurückzuweisen. Auf den ersten Blick mag der Vorschlag logisch erscheinen: ein Wirtschaftsunternehmen hält sich nicht an den ordnungspolitischen Rahmen, wird a. juristisch belangt und b. symbolisch auch von VerbraucherInnen-Seite mit Missachtung – sprich: Kaufboykott – bestraft. Danach gelobt es Besserung und alles ist wieder grün und sozial in der Marktwirtschaft. Wenn es denn so wäre, und wenn derartiges der einzige Grund für einen Boykott wäre. Nur passieren fast jede Woche bei den großen Billighändlern Dinge, die hart an der Grenze zum Illegalen liegen: das zeigen die gewerkschaftlichen Schwarzbücher ebenso wie die entsprechenden Pressemeldungen. (Mal ganz abgesehen von den Bedingungen bei Zulieferer-Firmen in anderen Ländern oder der ökologischen und gesundheitlichen Qualität von billig hergestellten Produkten).
Und ganz prinzipiell stellt sich die Frage, ob die grenzwertigen Arbeitnehmerinnen-Rechte und das entsprechende Lohnniveau bei derartigen Unternehmungen nicht schon im kalkulatorischen Ansatz vorgesehen sind. Wenn das so ist, dann wäre es besser, wenn Kerstin statt der Boykottforderung, die ja auch so ein bißchen Kapitulation vor dem Kapital enthält, zum Beispiel das Thema Mindestlohn in den Vordergrund rücken würde. Das heißt dann aber auch: mehr Ordnungsrecht. Und auch, wenn ich von Gewerkschaften nicht immer viel halte – in diesem Bereich sind sie weiterhin unbedingt notwendig.
Warum blogge ich das? Weil das kleine Beispiel „Lidl überwacht Angestellte“ exemplarisch deutlich macht, dass zur rechtlichen Einhegung von Kapitalismus und Globalisierung auch eine entsprechende Kontrolle und Durchsetzung der Rechtslage gehört – ohne journalistische Recherchen (in diesem Fall des „Stern“) passiert sonst sehr selten etwas.
Update: (10.04.2008) Lidl behauptet, aufgrund der (Berichte über die) Videoüberwachung spürbare Umsatzeinbußen zu erleiden. Interessant, wenn’s denn stimmt.