Kurz: Splitting nein danke!

Klei­ner Nach­trag zum vor­he­ri­gen Blog­post, der sich ja auch auf KGEs Äuße­rung zum Ehe­gat­ten­split­ting bezog. Begrün­det wird die Exis­tenz des Ehe­gat­ten­split­tings ja immer mit dem Schutz von Ehe und Fami­lie. Fak­tisch ist es ein steu­er­li­cher Anreiz zu nicht-ega­li­tä­ren Ehen (sprich, im empi­ri­schen Nor­mal­fall: nahe­zu allei­ne ver­die­nen­der Mann / mit­ver­sorg­te Frau); Kin­der sind dem Split­ting dage­gen eher egal. 

Das ist aus prin­zi­pi­el­len Erwä­gun­gen falsch, etwa im Hin­blick auf den Gleich­stel­lungs­auf­trag. Es ist auch falsch, weil Fami­lie zuneh­mend anders aus­sieht – unver­hei­ra­te­te Eltern, Allein­er­zie­hen­de, Patch­works. Und ja, die steu­er­li­che Bevor­zu­gung der Ehe ärgert mich auch per­sön­lich: Wir hat­ten uns damals den Luxus geleis­tet, nicht zu hei­ra­ten. Wir haben ver­ein­bart, Fami­li­en- und Erwerbs­ar­beit glei­cher­ma­ßen ega­li­tär auf­zu­tei­len. Inzwi­schen leben wir – ohne ner­vi­ge Schei­dung – getrennt; die Kin­der­er­zie­hung erfolgt immer noch ziem­lich gleich ver­teilt, eben­so der Kin­der­geld­an­spruch. Ein an Kin­dern und nicht an nicht-ega­li­tä­rer Ehe ori­en­tier­tes För­der­instru­ment wür­de uns jetzt hel­fen, eben­so wie es frü­her eine will­kom­me­ne Unter­stüt­zung gewe­sen wäre – die Kos­ten sind ja da, und sie sind durch das getrennt-gemein­sa­me Erzie­hen der Kin­der nicht klei­ner gewor­den. Auch das wäre „Wahl­frei­heit“.

Auch des­we­gen ärgert es mich, wenn ein zen­tra­ler grü­ner Pro­gramm­punkt wie die Umwand­lung des Ehe­gat­ten­split­tings in eine Kin­der­för­de­rung mal eben zur Debat­te gestellt wird. Dass dar­über kurz vor den Land­tags­wah­len im Osten Streit aus­bricht, ist nicht schön, aber not­wen­dig. Mei­ne Lebens­rea­li­tät – und die vie­ler ande­rer Men­schen heu­te – sieht anders aus als die impli­zi­te Gesell­schafts­vor­stel­lung im Steuerrecht.

P.S.: Auf dem Smart­phone getippt, des­we­gen habe ich dar­auf ver­zich­tet, Links zu den vie­len guten State­ments in die­ser Debat­te raus­zu­su­chen. Wei­ter­füh­ren­de Links:

Nachtrag zur fehlenden Diversität in „Medienwandel kompakt“

Below

Ges­tern hat­te ich ja kurz auf Medi­en­wan­del kom­pakt 2011 – 2013 hin­ge­wie­sen. Ein Punkt, den ich dabei nur in einem Neben­satz ange­spro­chen habe, ist die arge Unter­re­prä­sen­tanz von Frau­en in die­sem Sam­mel­band. Genau­er gesagt: sechs Bei­trä­ge sind von Autorin­nen, 67 von Autoren, einer von einem Mann und einer Frau gemein­sam geschrie­ben. Wenn ich mich jetzt nicht ver­zählt habe, aber es kommt hier auf die Grö­ßen­ord­nun­gen an, nicht auf die genau­en Zahlen.

Das ist auch ande­ren auf­ge­fal­len, und seit ges­tern grum­melt es ein biss­chen in den sozia­len Medi­en. Es grum­melt so sehr, dass sich mit Chris­toph Kap­pes einer der Her­aus­ge­ber genö­tigt sah, zu erklä­ren, wie die­ser Frau­en­an­teil von unter zehn Pro­zent zustan­de gekom­men ist. 

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Warum willst du nicht hier bleiben? – Darum!

Flight of the seagull II

Eigent­lich ist das mit den Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen hier in Deutsch­land doch schon ganz ordent­lich, oder? Also so im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern. Tja, denks­te – der Blick von außen ist dann doch erhel­lend. Des­we­gen folgt hier ein (anony­mi­sier­ter) Rant einer Bekann­ten von mir, die seit vie­len Jah­ren in den USA lebt, dort eine erfolg­rei­che Pro­fes­so­rin ist, und jetzt für ein Jahr wie­der nach Deutsch­land zurück­ge­kehrt ist. Ihre Erfah­run­gen damit, wie tief ein­ge­gra­ben über­kom­me­ne Geschlech­ter­rol­len hier­zu­lan­de sind – selbst oder gera­de in einem aka­de­mi­schen Kontext:

Befo­re I moved back to Ger­ma­ny I did not con­sider mys­elf a femi­nist, just a woman, who expects to be trea­ted equal­ly. That’s all. After a year back in Ger­ma­ny I feel like a radi­cal femi­nist activist. 

The main reason I could not see mys­elf living in Ger­ma­ny again per­ma­nent­ly is becau­se of gen­der roles. Over­all I see men here a lot more equal­ly invol­ved in house­hold cho­res, the care of the child­ren, it is not uncom­mon for men to take pater­ni­ty lea­ve; yet even many of tho­se men still boss their fema­le part­ners around tel­ling them how to do what when or orde­ring for them in the restau­rant. I con­duc­ted inter­views here with Ger­mans about their iden­ti­ty, in an attempt to under­stand, how peo­p­le in Ger­ma­ny defi­ne Ger­man­ness and them­sel­ves as Ger­mans. One man (mar­ried to an accom­plished fema­le doc­tor) respon­ded to the ques­ti­on “wer sind Sie und wie wür­den Sie sich beschrei­ben” with the fol­lo­wing “Ich bin Chef. Ich bin der Chef bei der Arbeit. Chef mei­nes Hau­ses und Chef mei­ner Fami­lie.” And that is the atti­tu­de I saw in many places. 

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Kommunalwahl 2014: Freiwilligkeit hilft Geschlechtergerechtigkeit nicht

Baden-Würt­tem­berg ist, was den Frau­en­an­teil in den poli­ti­schen Gre­mi­en betrifft, ein kla­res Rote-Later­ne-Land. Bei der Kom­mu­nal­wahl 2014 gab es – nach­dem wei­ter­ge­hen­de Pari­té-Ideen nicht mehr­heits­fä­hig waren – zum ers­ten Mal eine Soll-Vor­schrift, dass die Par­tei­en und Lis­ten gleich vie­le Frau­en wie Män­ner auf­stel­len sol­len. Bei Ver­stö­ßen dage­gen waren aller­dings kei­ner­lei Sank­tio­nen zu befürch­ten; nach­dem das rhein­land-pfäl­zi­sche Ver­fas­sungs­ge­richt eine Doku­men­ta­ti­on der Frau­en­an­tei­le auf den Stimm­zet­teln ver­bo­ten hat, wur­de auch die­ses Mit­tel nicht herangezogen.

Die­se Soll-Vor­schrift hat, wie das Sta­tis­ti­sche Lan­des­amt in einer aus­führ­li­chen Pres­se­mit­tei­lung dar­stellt, nicht so rich­tig funk­tio­niert. Bereits der ers­te Schritt – die Auf­stel­lung von gleich vie­len Frau­en wie Män­nern – fand nicht statt. Nur 30,5 Pro­zent der Bewer­be­rIn­nen für die Gemein­de­rats­wah­len waren Frau­en (+1,8 Pro­zent­punk­te ggü. 2009). Dabei ist noch nicht berück­sich­tigt, wo auf den Stimm­zet­teln Frau­en plat­ziert waren. Bei den Kreis­tags­wah­len waren 30,2 Pro­zent der Bewer­be­rIn­nen Frau­en (+3,4 Pro­zent­punk­te ggü. 2009).

Die Umset­zung der Soll-Vor­schrift wur­de in den ein­zel­nen Par­tei­en sehr unter­schied­lich ernst genom­men, wie das Sta­tis­ti­sche Lan­des­amt schreibt. Dies betrifft sowohl die Kreis­ta­ge als auch die Gemeinderäte.

Partei/Liste Gemein­de­rä­te
Frau­en­an­teil (vgl. 2009)
Kreis­ta­ge
Frau­en­an­teil (vgl. 2009)
Kand. Gewähl­te Kand. Gewähl­te
GRÜNE 46,6 % 44,8 % (+1,0) 43,9 % 43,3 % (+2,4)
SPD 35,7 % 33,3 % (+1,2) 34,8 % 24,1 % (+1,7)
FDP 30,1 % 17,7 % (+1,5) 22,8 % 15,0 % (+3,4)
Wäh­ler­ver­ein. 29,6 % 22,7 % (+1,0) 26,3 % 14,6 % (+3,0)
Gem. Wahlv. 28,7 % 21,7 % (+2,3) 32,6 % 22,0 % (+11,4)
and. Par­tei­en 28,6 % 27,1 % (+6,2) 28,5 % 10,4 % (+3,3)
CDU ca. 25 % 18,9 % (+2,2) 25,1 % 12,0 % (+1,3)

Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass unter den Wäh­ler­ver­ei­ni­gun­gen auch grün-nahe Lis­ten und Frau­en­lis­ten zu fin­den sind.

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In eigener Sache: Der digitale Wandel ist da

2014-04-22digitalerwandelHeu­te flat­ter­te mir digi­tal wie auch in gedruck­ter Form die Erst­aus­ga­be von Der digi­ta­le Wan­del – Maga­zin für Inter­net und Gesell­schaft ins Haus. Als ich vor ein paar Wochen ange­fragt wur­de, ob ich für die­ses neue Pro­jekt des co:llaboratory einen mei­ner Tex­te – die abge­druck­te Col­la­ge zu Enzens­ber­ger im Wan­del der Zeit – frei­ge­ben wür­de, freu­te mich das. Gut, das co:llaboratory ist wegen sei­ner immer noch engen Ver­bin­dung zu Goog­le manch­mal nicht ganz unum­strit­ten, aber von dem, was ich bis­her mit­ge­kriegt habe, macht das Colab gute Sachen zur För­de­rung der For­schung zu Inter­net und Gesell­schaft. Wich­ti­ges Feld usw.

Inso­fern bin ich jetzt einer­seits stolz, in der Erst­aus­ga­be des Digi­ta­len Wan­dels mit einem Text ver­tre­ten zu sein. Ande­rer­seits ärgert es mich ein biss­chen, dass es kei­ne Fah­nen­ko­pie gab – dann wären näm­lich zwei wei­te­re der Enzens­ber­ger­zi­ta­te auch so gekenn­zeich­net und wür­den nicht so aus­se­hen, als stamm­ten sie von mir. In mei­nem Blog steht’s rich­tig. Das grö­ße­re Aber ist jedoch die Fra­ge, ob die­se Form der kura­tier­ten Zusam­men­stel­lung von Netz­tex­ten über­haupt einen Mehr­wert bringt (und wenn ja, wem). (Und ob es dann nicht bes­ser wäre, die Tex­te noch­mal zu über­ar­bei­ten – für was gedruck­tes hät­te ich ver­mut­lich zwei, drei Fuß­no­ten eingefügt …) 

Inso­fern bin ich gespannt, wie das Heft „da drau­ßen“ ankommt, und ob es wahr­ge­nom­men wird. Oder ob es statt digi­ta­lem Dis­kurs­trei­ber eher sowas wie die Mobil des Colab sein wird. Also eine Art Kun­den­zeit­schrift, nur halt schick mit CC-Lizenz und digi­ta­lem Schnickschnack.

Und dann hat das For­mat „kura­tier­te Zusam­men­stel­lung“ einen gewal­ti­gen Nach­teil: Es repro­du­ziert zu gro­ßen Tei­len die Rele­vanz­zu­schrei­bun­gen der digi­ta­len Sze­ne. Das lässt sich unter ande­rem dar­an fest­ma­chen, wel­che Autoren (und ganz weni­ge Autorin­nen) aus­ge­wählt wor­den sind (hier mehr dazu). (Die­se Repro­duk­ti­on von Asym­me­trien, für die das Geschlech­ter­ver­hält­nis ein Indi­ka­tor ist, ent­spricht ein biss­chen dem Pro­blem, auf das ich auch im Zusam­men­hang mit CARTA mal hin­ge­wie­sen hatte …). 

Aber gut: Aus­ga­be Q1 ist die Pilot­aus­ga­be von Der digi­ta­le Wan­del – inso­fern gehe ich durch­aus davon aus, dass das Redak­ti­ons­team des Colab für die nächs­te Aus­ga­be das eine oder ande­re hin­zu­ge­lernt haben wird. Neu­gie­rig, was dar­aus wird, bin ich auf jeden Fall.