Freiburg: Keine Stimme der großen Koalition
Nachdem sich Kerstin Andreae entschieden hat, im Wahlkreis 281 auch um die Erststimmen zu kämpfen, erreicht das Thema jetzt auch die Badische Zeitung. Die Ausgangslage: bisher ging das Direktmandat – als eines von ganz wenigen in Baden-Württemberg – klar an die SPD, d.h. an Gernot Erler. Diesmal wirbt nicht nur der CDU-Kandidat (heuer: Daniel Sander) um Erststimmen, sondern eben auch Kerstin Andreae, die Freiburger Abgeordnete der Grünen und landesweite Spitzenkandidatin.
Ich finde das gut. Erstens, weil Erler bei der letzten Wahl massiv um grüne Stimmen geworben hat, und noch auf der Wahlparty von Kerstin versprochen hatte, keinenfalls für die große Koalition zu stimmen. Ein paar Tage später war er dann Staatssekretär dieser Koalition. Zweitens, weil gerade Freiburg – selbst inkl. des Umlands – ein Wahlkreis ist, in dem es überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass rot-grünes Stimmensplitting immer „rote Erststimme“ heißen muss. Und drittens, weil es stimmig ist für einen Wahlkampf, der diesmal sehr stark die grüne Eigenständigkeit betonen wird und auch die SPD angreifen wird.
Blödsinn ist es dabei, die Ergebnisse aus 2005 für Prognosen heranzuziehen, wie die Erststimmen diesmal verteilt werden. Erler hatte 45 %, die CDU-Kandidatin 35 %, Kerstin nur 11 %. Soweit richtig – aber damals gab es eine klare Erststimmenkampagne, und damals gab es noch die Hoffnung, dass rot-grün fortgesetzt wird. Das sieht 2009 anders aus, deswegen sind die Zweitstimmenergebnisse doch um einiges aufschlussreicher. Und zudem ist Sander nicht unbedingt der beliebteste aller CDU-Kandidaten.
Bleibt das von Erler und der SPD wieder und wieder ins Feld geführte Thema „Überhangmandate“. Die haben ja recht, dass die Gefahr besteht, dass die CDU ein nicht ausgeglichenes Überhangmandat bekommt, wenn sie den Wahlkreis gewinnt. Nur: warum sollte der logische Schluss sein, wieder und wieder für ein SPD-Direktmandat zu kämpfen, dass nachher doch eine Stimme für die große Koalition ist, in der die SPD sich ja so wunderbar heimisch fühlt? Genausogut könnte Erler ja auch dafür werben, diesmal grün-rot zu stimmen – auch ein grünes Direktmandat verhindert das CDU-Überhangmandat. Für mich ist es deswegen klar: diesmal heißt’s K wie Kerstin für die Erststimme.
Noch lustiger übrigens die Argumentation der CDU: Freiburg würde es gut tun, wenn es mit drei statt mit zwei Abgeordneten vertreten wäre (die CDU hat ja keine Chance auf Listenplätze in Baden-Württemberg). Wenn’s nur um regionale Lobbyinteressen ginge, würde das stimmen. Aber der Bundestag macht – auch wenn die CDU das vielleicht nicht weiss – mehr als die Summe regionalen Lobbyismus. Insofern: dieses Argument zählt definitiv nicht.
Warum blogge ich das? Weil ich denke, dass es Gründe dafür gibt, darauf zu hoffen, dass 2009 die erste Wahl wird, in der Grüne mit drei, vier oder fünf Direktmandaten in den Bundestag einziehen. Und auch wenn ich mit Kerstin nicht immer einer Meinung bin: die bessere Direktkandidatin als Sander oder Erler ist sie auf jeden Fall.
Wahlen live mit Google Docs: AStA-Wahl Freiburg (Update)
Heute fanden in Freiburg Universitätswahlen statt, genauer gesagt: studentische Wahlen zum Senat und zum AStA. Da ich inzwischen Mitarbeiter bin, darf ich da nicht mehr wählen. Trotzdem bin ich als Ex-u-asta-Vorstand natürlich weiterhin dran interessiert, wie es so läuft. Diesmal hat Konstantin Görlich live aus dem Wahlausschuss getwittert. Nach und nach liefen also alle elf Fakultäten durch den Ticker, die letzte gerade eben. Was allerdings fehlte, war eine Zusammenfassung.
Mit Hilfe der Tabellenkalkulation von Google Docs war es extrem einfach, eine laufend aktualisierbare Ergebnistabelle ins Netz zu stellen. Ich habe die einfach mal angefangen, getwittert – und konnte schön beobachten, wie sich die letzten drei Fakultäten dann „von selbst“ eingetragen haben. Inzwischen ist in der Tabelle das Gesamtergebnis zu betrachten (nur Namen gibt’s noch keine).
Zusammengefasst: alles bleibt wie immer, die beiden BUF*-Fraktionen (warum es zwei sind, ist eine andere Geschichte) bleiben trotz Verlust eines Sitzes stärkste Gruppe im AStA, ansonsten sitzen dort vier Jusos und zwei vom RCDS. Damit kann auch im 31. 32. Jahr seiner Existenz der unabhängige AStA (u‑asta) in Freiburg fortgesetzt werden. Die studentischen Senatsmitglieder sind wie bisher drei von BUF und ein Juso.
Neu: diesmal wird’s wohl nach langer Zeit wieder einen Frauenvorstand im u‑asta geben.
* BUF: Bündnis unabhängige Fachschaften, auf den BUF-Listen treten auch KandidatInnen der grünen Hochschulgruppe an.
Warum blogge ich das? Weil jetzt das Ergebnis da ist, und das muss ja irgendwie markiert werden. Und weil die „shared“ Tabellenkalkulationsnutzung mir viel Spaß gemacht hat.
Update: Beim u‑asta sind inzwischen auch die Personenergebnisse zu finden. Ja – Clemens Weingart im AStA! Und ansonsten, wenn ich’s richtig sehe, eine Vertreterin der Grünen Hochschulgruppe und viele, die Parteien nicht so toll finden. ((Zur Einschätzung der Bewertung der Ergebnisse ist vielleicht noch wichtig zu wissen, dass der AStA in Freiburg – typisch Baden-Württemberg – ein relativ machtloses Gremium darstellt, und die eigentlichen Entscheidungen der Studierendenvertretungen in der FSK (der basisdemokratischen Fachschaftskonferenz) und der „konf“ (der erweiterte u‑asta-Vorstand) gefällt werden. Wichtig an den Uniwahlen hier ist deswegen vor allem, dass BUF eine absolute Mehrheit im AStA erhält, um so den offiziellen AStA-Vorstand stellen zu können, und die Arbeit des u‑asta im offiziellen Gremium absegnen zu können.))
Photo of the week: Sunset studies VIII
Wen wählen? (Teil II – Kommunalwahl)
Ein wenig anders als bei der Europawahl sieht die Situation für mich bei der Kommunalwahl aus (wenn ich das richtige sehe, ist es übrigens die erste Kommunalwahl, seit ich wählen darf, bei der ich nicht selbst kandidiere – 1994 und 1999 in Gundelfingen, 2004 irgendwo im hinteren Bereich der Freiburger Liste von Bündnis 90/Die Grünen). Vielleicht trägt das mit dazu bei, dass ich mir mehr Gedanken über meine Stimmabgabe mache als in den Jahren zuvor.
Hier in Baden-Württemberg finden also, wie auch in einigen anderen Bundesländern, zeitgleich mit der Europawahl Kommunalwahlen statt. Außerdem ist Baden-Württemberg das Bundesland, das bei Kommunalwahlen schon immer Kumulieren (bis zu drei Stimmen pro KandidatIn) und Panaschieren (Wählen von KandidatInnen mehrerer Listen) erlaubt. Gleichzeitig gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Das macht das Wählen etwas komplizierter, und führt auch dazu, dass die Stimmzettel den WählerInnen bereits im Vorfeld zugeschickt werden.
Breisgau-Hochschwarzwald
Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, wo ich im grünen Kreisvorstand bin, ist die Situation im Prinzip einfach: für die Kreistagswahl tritt in jedem Wahlkreis eine grüne Liste an. Derzeit besteht die grüne Fraktion aus neun Personen (13,7 %), das ist ungefähr die Größenordnung, die ich auch bei dieser Wahl erwarte. Das heißt auch, dass pro Kreistagswahlkreis ungefähr eine grüne Person Chancen hat, in den Kreistag zu kommen – häufig die auf Platz 1 platzierte. Mehr zu den inhaltlichen Zielen steht im Kreistagswahlprogramm.
Etwas komplizierter sind schon die Gemeinderatswahlen. In zehn der fünfzig Kreisgemeinden treten waschechte grüne Listen an. Daneben gibt es in anderen Gemeinden noch fünf mehr oder weniger grün-nahe Listen. Etwas mehr als die Hälfte der Kreisbevölkerung wohnt in diesen insgesamt fünfzehn – zumeist größeren – Gemeinden und kann damit grün wählen. In den übrigen Orten gibt es entweder keine Grünen, oder es treten teilweise sogar überhaupt keine Parteilisten an, sondern nur „neue“ und „alte“ Bürgerlisten, Freie Wähler gegen die Freie Wahlvereinigung usw.
Freiburg
Nun zur Situation in Freiburg, die mich direkt betrifft, da ich in Freiburg lebe und damit dort stimmberechtigt bin. Der Luxus der Qual der Wahl ist hier um ein Vielfaches größer. Wie bereits an anderer Stelle berichtet, kandidieren hier elf Listen, darunter neben Bündnis 90/Die Grünen und der GAF einige weitere, die einem weiter gefasst links-alternativ-grünen Spektrum zuzurechnen sind. Hier gibt es nicht die beiden Ebenen Kreistag und Gemeinderat, sondern – da Freiburg eine kreisfreie Stadt ist – nur den mit 48 Sitzen deutlich größeren Gemeinderat (und in einigen eingemeindeten Orten noch Ortschaftsräte). Insgesamt können also 48 Stimmen vergeben werden.
Als gutes grünes Parteimitglied sollte ich jetzt eigentlich einfach mein Kreuz bei Bündnis 90/Die Grünen machen und damit die von der Mitgliederversammlung aufgestellte Liste bestätigen. Die gefällt mir aber aus einigen Gründen nicht in ihrer Gesamtheit. Keine Sorge: den überwiegenden Teil meiner Stimmen will ich trotzdem Bündnis 90/Die Grünen geben. Nicht nur, weil hier von allen Seiten anerkannt die meisten inhaltlich richtig fitten FachpolitikerInnen drauf stehen, sondern auch, weil ich mit den Grundzügen grüner Politik in Freiburg ja durchaus zufrieden bin. Mehr zur Liste und zum Programm steht im übrigen auf der Wahlwebsite „Grün wirkt“ des Freiburger Kreisverbandes.
Gleichzeitig gibt es jedoch einiges an der grünen Kommunalpolitik der letzten Jahre, was mir nicht gefällt. Dazu gehört insbesondere die „schwarz-grüne Allianz“ aus CDU, Grünen und Freien Wählern. Ich halte es prinzipiell für falsch, in Kommunalparlamenten Frontenpolitik mit festen Koalitionen zu machen, und diese Front halte ich hier weder für notwendig noch für richtig. Ich bin überzeugt davon, dass es der Stadt gut tut, wenn mehr Entscheidungen listenübergreifend und in wechselnden Konstellationen fallen. Und nicht zuletzt vermisse ich in der aktuellen grünen Ratsarbeit auch ein bißchen Schwung. Ich hätte mir deswegen gewünscht, dass es auf der grünen Liste selbst zu mehr „Frische“ kommt.
Das ist jetzt nicht so. Deswegen plane ich – für die, die schon länger in diesem Blog mitlesen, sicher keine große Überraschung – einen Teil meiner Stimmen der GAF geben. Neben den generellen Überlegungen bezüglich der Notwendigkeit innergrüner Opposition trägt sicher auch dazu bei, dass mir etwa ein Fünftel der KandidatInnen der GAF persönlich bekannt ist – vor allem aus meiner Zeit beim u‑asta bzw. aus universitären Zusammenhängen. Da weiss ich ziemlich gut, was ich von wem erwarten kann.
Nicht zuletzt hoffe ich bei allen persönlichen Dissonanzen zwischen dem Personal von Bündnis 90/Die Grünen und dem der GAF doch darauf, dass es eine insgesamt starke grüne Präsenz im Stadtrat geben wird – und dass eine grün-grüne (und insgesamt parteiübergreifende) Zusammenarbeit in Sachfragen möglich sein wird.
Damit komme ich zu den eher wahltechnischen Überlegungen. Wenn ich meine 48 Stimmen auf maximalen Effekt hin bündeln möchte, kann ich 16 Mal drei Stimmen vergeben. Ich könnte die jetzt einfach auf die 16 Personen vergeben, die ich – auf den grünen Listen – am liebsten im Gemeinderat sitzen haben wollte.
Insofern das aber durchaus auch Leute im hinteren Bereich der Listen sind, frage ich mich, wie wichtig es bei dieser Wahl ist, „strategisch“ zu wählen. Oder anders gesagt – die in Teil I aufgeführten Überlegungen zu Kleinstparteien bei der Europawahl übertragen auf die baden-württembergische Kommunalwahl besagen so in etwa: Du sollst nur Leute wählen, denen du auch eine reelle Chance einräumst, von anderen gewählt zu werden, wenn du mit deiner Stimme nicht die auf der Liste mitwählen willst, die du nicht wählen willst. Oder?
Warum blogge ich das? Als Teil meines Entscheidungsfindungsprozesses, wie ich meine 48 Stimmen denn nun tatsächlich verteile. Mitlesende KandidatInnen etc. dürfen auch gerne noch für sich Werbung machen – vielleicht bringt mich eine der antretenden Listen ja auch noch dazu, sie komplett zu unterstützen.