In eigener Sache: „Leichtere Beschäftigungen“

Heavy biking

Auf­grund der lan­gen Pro­duk­ti­ons­zy­klen für wis­sen­schaft­li­che Auf­sät­ze kann ich – obwohl der­zeit gar nicht in der Wis­sen­schaft beschäf­tigt – stolz ver­mel­den, dass in den letz­ten Tagen mein Auf­satz „Leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen‘. Geschlech­ter­dif­fe­renz als Leit­bild der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft“ (Abs­tract) in der Zeit­schrift GENDER erschie­nen ist.

Wor­um geht es in dem Auf­satz? Ich habe mir für eini­ge Stan­dard­wer­ke der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft ange­schaut, wie dort Geschlecht the­ma­ti­siert bzw. nicht the­ma­ti­siert wird. Dabei lässt sich sehr schön rekon­stru­ie­ren, wie die­se für die klei­ne Dis­zi­plin der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft zen­tra­len „Klas­si­ker“ ein Bild von Geschlecht ver­mit­teln, das ganz grund­le­gend auf Dif­fe­renz auf­baut – hier die voll­wer­ti­gen männ­li­chen Arbeits­kräf­te, da die maxi­mal zäh­ne­knir­schend für „leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen“ geeig­ne­ten Frau­en. Dabei wird Dif­fe­renz vor allem in Bezug auf Aus­sa­gen zur kör­per­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit und zu „geschlechts­spe­zi­fi­schen“ Fähig­kei­ten her­ge­stellt, und letzt­lich die geschlechts­be­zo­ge­ne Arbeits­tei­lung – mit männn­lich besetz­ter Erwerbs­ar­beit und weib­lich besetz­ter Fami­li­en­ar­beit als Arbeit für den Mann – als Selbst­ver­ständ­lich­keit etabliert.

Ich fin­de das inso­fern span­nend, als die Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft eine sehr spe­zia­li­sier­te Sub­dis­zi­plin ist – in den 1920er Jah­ren ent­stan­den, hat sie vor allem die Her­aus­bil­dung eines „ordent­li­chen“ Berufs­bilds des Wald­ar­bei­ters begrün­det und beglei­tet, und damit – Hen­ne und Ei ein­mal dahin­ge­stellt – wohl doch zur bis heu­te durch­schla­gen­den beruf­li­chen Struk­tu­rie­rung in der Forst­wirt­schaft beigetragen.

Abschlie­ßend fra­ge ich mich, was in einer „auf­ge­klär­ten“ Arbeits­wis­sen­schaft an die Stel­le von Dif­fe­renz gesetzt wer­den kann. (Als Fra­ge for­mu­liert: Wie kann eine gen­der­sen­si­ble Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft aus­se­hen, die die Welt nicht in zwei getrenn­te Kate­go­rien teilt?) Ide­al­ty­pisch wäre es, Dif­fe­renz durch eine Ori­en­tie­rung an Diver­si­tät zu erset­zen und dazu auch das „Bün­del“ Geschlecht auf­zu­schnü­ren. Wie weit das aller­dings in der Pra­xis umsetz­bar ist, ist eine ande­re Fra­ge – und nicht zuletzt eine Fra­ge, bei der etwa beim „diver­si­ty manage­ment“ schnell Femi­nis­mus und Neo­li­be­ra­lis­mus an einem Strang ziehen.

Viel­leicht noch ein paar Wor­te dazu, wie die­ser Text ent­stan­den ist – das war näm­lich eigent­lich ein rei­nes „Nebenbei“-Projekt mit ein biss­chen qua­li­ta­ti­ver Text­aus­wer­tung, durch­ge­führt von mir für einen Vor­trag beim Fest­kol­lo­qui­um zum 60. Geburts­tag von Prof. Dr. Sieg­fried Lewark (pdf der Foli­en). Das Kol­lo­qui­um fand im Juli 2007 statt.

Da der Vor­trag durch­aus auf Reso­nanz stieß, habe ich dar­aus – bzw. aus Tei­len davon – einen wis­sen­schaft­li­chen Text gemacht und die­sen ver­schie­de­nen Leu­ten zum lesen gege­ben. Das letzt­lich dar­aus ent­stan­de­ne Manu­skript habe ich dann im Juli 2010 bei der Zeit­schrift GENDER ein­ge­reicht, im Novem­ber 2010 wur­de es mit eini­gen Über­ar­bei­tungs­wün­schen im Grund­satz ange­nom­men. Anfang 2011 habe ich eine über­ar­bei­te­te Fas­sung an die Redak­ti­on geschickt, Ende 2011 die redi­gier­te Fas­sung und im Febru­ar die­sen Jah­res schließ­lich die end­gül­ti­gen Kor­rek­tur­fah­nen erhalten.

Wes­ter­may­er, Till (2012): „ ‚Leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen‘. Geschlech­ter­dif­fe­renz als Leit­bild der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft“, in GENDER, Jg. 4, H. 1, S. 124–140.

Neu erschienen: Ländliche Arbeit im Wandel

Wer schon immer mal wis­sen woll­te, was bei mei­nem For­schun­gen zu forst­li­chen Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men (lang ist’s her) her­aus­ge­kom­men ist, hat jetzt die Chan­ce, ein hand­li­ches Buch (knapp 300 Sei­ten) dazu zu lesen: Zusam­men mit Prof. Dr. Sieg­fried Lewark und Dr. Edgar Kas­ten­holz habe ich den Band Länd­li­che Arbeit im Wan­del: Nach­hal­ti­ge Gestal­tung forst­li­cher Dienst­leis­tungs­ar­beit her­aus­ge­ge­ben, erschie­nen ganz frisch im Ver­lag Kessel.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen (Klap­pen­text, Inhalts­ver­zeich­nis usw.) zu die­sem Buch fin­den sich hier.

Kurz: Postindustrielle Forstwirtschaft

Waldspaziergang XVIIIAuf dem Kon­gress der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie im Jahr 2008 in Jena habe ich in der Sek­ti­on „Land- und Agrar­so­zio­lo­gie“ einen Vor­trag über „Post­in­dus­tri­el­le Forst­wirt­schaft und den Struk­tur­wan­del länd­li­cher Räu­me“ gehal­ten. Erschie­nen ist die­ser im Jahr 2010 in der CD-ROM-Bei­la­ge zum Kon­gress­band. Um den Vor­trag etwas zugäng­li­cher zu hal­ten, möch­te ich das Manu­skript hier zur Ver­fü­gung stel­len (in klei­ne­ren Punk­ten kann es Abwei­chun­gen von der CD-ROM-Fas­sung geben).

Inner­halb der Land- und Agrar­so­zio­lo­gie, aber auch inner­halb der Poli­tik für länd­li­che Räu­me wird vor allem der Land­wirt­schaft eine zen­tra­le Rol­le zuer­kannt (Pli­en­in­ger et al. 2006). Forst­wirt­schaft erscheint dem­ge­gen­über als sekun­dä­res Phä­no­men. Die­se Posi­tio­nie­rung mag damit zusam­men­hän­gen, dass gera­de auf der Sei­te der Forst­wis­sen­schaft ein spür­ba­rer Anspruch, ‚allei­ne‘ für Forst­wirt­schaft und Wald­räu­me zustän­dig zu sein, fest­zu­stel­len ist. Eine regio­nal ori­en­tier­te Sozio­lo­gie länd­li­cher Räu­me müss­te die Wäl­der in den Blick neh­men. Dies gilt ins­be­son­de­re, da Forst­wirt­schaft sich als Kon­trast­fo­lie zur Land­wirt­schaft eig­net: Zwar wer­den zen­tra­le Eigen­schaf­ten – Boden­ge­bun­den­heit, Arbeit an der Natur, sozia­le Ver­an­ke­rung in länd­li­chen Milieus – geteilt, die sozio­öko­no­mi­sche Struk­tur und die poli­ti­sche Ein­bet­tung unter­schei­det sich jedoch deut­lich. Im Fol­gen­den möch­te ich – nach einem kur­zen Blick auf die unter­schied­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen – dar­auf ein­ge­hen, wie­so die aktu­el­le Ver­fasst­heit forst­li­cher Arbeit sinn­voll als ‚post­in­dus­tri­el­le Forst­wirt­schaft‘ bezeich­net wer­den kann, um mit der Fra­ge zu enden, ob post­in­dus­tri­el­le Forst­wirt­schaft auch anders aus­se­hen könnte. […]

Zitier­wei­se: Wes­ter­may­er, Till (2010): „Post­in­dus­tri­el­le Forst­wirt­schaft und der Struk­tur­wan­del länd­li­cher Räu­me“, in Soeff­ner, Hans-Georg (Hrsg.): Unsi­che­re Zei­ten. Her­aus­for­de­run­gen gesell­schaft­li­cher Trans­for­ma­tio­nen. Ver­hand­lun­gen des 34. Kon­gres­ses der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie in Jena 2008. Wies­ba­den: VS, CD-ROM-Bei­la­ge 2010. Manu­skript.

Kurz: Blog zum Buch zum Projekt

Screenshot http://blog.wa-gen.deGes­tern habe ich damit zuge­bracht, aus einer Web­site eines For­schungs­pro­jekts („Wald­wis­sen und Gen­der“, 2005–2008) – pünkt­lich zum Erschei­nen des aus die­sem Pro­jekt her­aus ent­stan­de­nen Buchs („Abschied vom grü­nen Rock“, Mün­chen: oekom, Sept. 2010) ein Blog zu machen. Ist nicht wirk­lich schnell, sieht aber ok aus, und wird hof­fent­lich dazu bei­tra­gen, über Pro­jekt und Buch hin­aus ein biß­chen ein Sam­mel­punkt für The­men an der Schnitt­stel­le von Forst­ver­wal­tun­gen, wald­be­zo­ge­ner Umwelt­bil­dung und forst­li­chen Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen zu sein. 

War­um ein Blog? Ers­tens, weil’s kom­men­tier­bar ist, zwei­tens, weil’s schnell aktua­li­sier­bar ist, selbst wenn FTP nicht funk­tio­niert, und drit­tens, weil das ten­den­zi­ell auch ande­re Leu­te über­neh­men kön­nen. Mal sehen, was dar­aus wird.

Wer sich für Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Wald und eine Gen­der-Per­spek­ti­ve auf forst­li­che Akti­vi­tä­ten und For­schungs­fra­gen inter­es­siert, fin­det dort jeden­falls schon eini­ges (im Buch natür­lich auch ;-) ) – und wird sicher­lich auch in Zukunft auf dem Lau­fen­den gehal­ten wer­den. Also: blog.wa-gen.de bookmarken!

 

Was es mit den zwei Herzen der Forstwirtschaft auf sich hat

Vor eini­gen Wochen konn­te ich ja schon auf unse­re Wald­be­sit­ze­rin­nen-Stu­die hin­wei­sen. Heu­te ist ein wei­te­rer arbeits­so­zio­lo­gi­scher Text zur Forst­wirt­schaft erschie­nen – dies­mal als „rich­ti­ges“ Buch. 

Unter dem Titel Die zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft – Forst­li­che Arbeit zwi­schen Markt­ori­en­tie­rung und Nach­hal­tig­keit haben Katha­ri­na Schneij­der­berg, Tat­ja­na Via­pla­na und ich auf gut 230 Sei­ten die Ergeb­nis­se eines Pro­jekts aus­ge­brei­tet, mit dem wir uns im letz­ten Jahr beschäf­tigt haben. Unter­stützt durch die Hans-Böck­ler-Stif­tung ging es in die­sem Pro­jekt – in Zusam­men­ar­beit mit der IG BAU – um die Ver­än­de­run­gen der forst­li­chen Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on. Dazu haben wir Grup­pen­dis­kus­sio­nen mit Forst­wir­ten, mit Mit­ar­bei­te­rIn­nen der Ver­wal­tung, mit Revier­lei­tern und mit Ange­hö­ri­gen des höhe­ren Diens­tes durch­ge­führt. Im Buch stel­len wir die Ergeb­nis­se die­ser Grup­pen­dis­kus­sio­nen dar, die ziem­lich deut­lich machen, dass „fle­xi­ble Arbeit“ ver­bun­den mit mas­si­ven Ratio­na­li­sie­rungs­pro­zes­sen auch in der Forst­wirt­schaft Ein­zug gehal­ten haben.

Um das gan­ze in einen Kon­text zu brin­gen, gehen wir zudem auf die forst­li­chen Reform­pro­zes­se der letz­ten Jah­re ein, auf vor­lie­gen­de Unter­su­chun­gen zu forst­li­cher Arbeit und zur Ent­wick­lung des Arbeits­mark­tes – und auf das mit dem Begriff „Gute Arbeit“ ver­bun­de­ne Kon­zept des DGB. 

Auch wenn das Buch metho­den­spe­zi­fisch nicht für sich bean­spru­chen kann – und das auch gar nicht unser Ziel war – in einem sta­tis­ti­schen Sin­ne reprä­sen­ta­tiv für die Ent­wick­lung der forst­li­chen Arbeits­welt zu sein, ist es uns glau­be ich ganz gut gelun­gen, zu zei­gen, wie auch in einem Bereich, der viel­leicht erst ein­mal gar nicht unter die­sen Ver­dacht steht, typi­sche post-for­dis­ti­sche Arbeits­ver­hält­nis­se und damit ver­bun­de­ne Orga­ni­sa­ti­ons­for­men Ein­zug gehal­ten haben – par­al­lel zum „new public manage­ment“ in ande­ren Ver­wal­tungs­be­rei­chen und zum „manage­ment by objec­ti­ve“ etc. in der Pri­vat­wirt­schaft. Damit ver­än­dert sich nicht nur die Qua­li­tät der Arbeit deut­lich – auch hin­sicht­lich z.B. der gewerk­schaft­li­cher Orga­ni­sa­ti­on wäre es ange­bracht, neue Wege zu gehen (wir schla­gen u.a. vor, dass die IG BAU dar­über nach­den­ken soll, ob und wie sie auch zur Ver­tre­tung frei­be­ruf­li­che Wald­päd­ago­gIn­nen, Forst­ein­rich­te­rIn­nen und Forst­un­ter­neh­me­rIn­nen wer­den könnte). 

Ach ja, der Titel: der bezieht sich auf ein Leit­mo­tiv, das wir in allen vier Grup­pen­dis­kus­sio­nen wie­der­fin­den konn­ten: näm­lich das Gefühl, dass die Forst­ver­wal­tun­gen, aber auch die ein­zel­nen Beschäf­tig­ten sich zer­ris­sen sehen zwi­schen einem von unse­ren Dis­kus­si­ons­teil­neh­me­rIn­nen oft mit der „guten alten Zeit“ des fami­liä­ren, all­zu­stän­di­gen Forst­hau­ses ver­bun­de­nen „Herz“ einer mul­ti­funk­tio­na­len, an Nach­hal­tig­keit (v.a. im forst­li­chen Sin­ne) ori­en­tier­ten Forst­ar­beit einer­seits und dem „Herz“ einer star­ken Aus­rich­tung auf Markt, Pro­fit, Kenn­zah­len und Betriebs­wirt­schaft andererseits. 

Das Buch „Die zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft“ ist für 19 Euro bei amazon.de käuf­lich erwerb­bar; hier gibt es wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Inhalt.

War­um blog­ge ich das? Als Wer­bung für das Buch, weil ich glau­be, dass es auch außer­halb des forst­li­chen Krei­ses inter­es­sant sein könn­te – und weil ich mich freue, dass es mög­lich war, den Pro­jekt­be­richt in Zusam­men­ar­beit mit Nor­bert Kes­sel vom Ver­lag Kes­sel sehr schnell in das Buch­for­mat zu bringen.